Re: John Coltrane

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otis
Moderator

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Ich werde von den Büchern keines stehen lassen, wenn ich denn mal eines sehe. Aber allein bei euren Beschreibungen wird mir schon ein wenig mulmig zumute, lese ich doch eine ausgesprochen akademische Note heraus. Nicht dass ich etwas gegen Musikwissenshcaft hätte, aber dem Jazz oder seinen Musikern auf diese Weise beizukommen, halte ich für haarscharf an der Sache vorbei. In meinem Studium gab es einen Kommilitonen, der die Clapton- und Hendrixsoli seitenlang transkribierte. Meine Hochachtung hatte er, ich hätte das nie gekonnt, aber über Musik konnte man mit ihm nicht wirklich reden.
Was ich oben nicht absolut nicht verstehe, ist nach wie vor der Zusammenhang zwischen Melodie und Harmonie. Aus der Melodie ergibt sich genausowenig zwingend die Harmonie, wie aus der Harmonie die Melodie. Wenn also Trane z.B. sieben verschiedene Noten auf einem Schlag und einem Begleitakkord, sagen wir, des Klaviers spielt, so bilden diese sieben Töne nicht etwa den Akkord oder ergänzen ihn, sie umspielen ihn vielmehr oder was auch immer. Ich kann doch locker auf einen C-Dur-Akkord die komplette Tonleiter rauf und runterspielen (ob in Triolen, Septolen, 32steln oder was auch immer), da beißt sich nichts, das ist gängige Praxis von Bach bis Mozart…, dadurch wird er aber kein Akkord mit 7 verschiedenen Tönen.
Nun ist es im späteren Jazz sicher etwas anders gelagert, da die Harmoniestruktur eines Stückes nicht mehr von den eindeutigen Vorgaben der Rhythmusgruppe getragen war, wie etwa beim Swing noch.

Nach meiner sicher nur sehr randständigen Beobachtung wird hier in das Spiel von Miles, Trane und anderen etwas hineingeheimnist, was von diesen in dieser Form kaum bewusst intendiert war. Sie wollten die Auflösung und Abkehr von der Funktionsharmonie, keine Frage. Was sie schließlich daraus gemacht haben und wie, da kann man sicher viel analysieren, aber letztlich kommt es doch auf den Hörer an, den der Musiker mit auf die musikalische Reise nimmt, ohne theoretischen Ballast.
Wer Schönbergs 33a hört, wird dem Stück kaum gerecht, wenn er versucht, beim Hören die Reihenbehandlung zu verfolgen, was auch dem Gewieftesten kaum möglich sein dürfte. Sie ist Konstruktionsprinzip, aber eben nicht das Stück selbst. Und selbiges ist nicht dadurch hochwertiger, weil es auf einer besonders ausgeklügelten Reihentechnik beruht, sondern weil es (auf jener Basis meinetwegen) ein besonderes Eigenleben bekommt. Alles andere wäre akademische Musik, mit der ich nichts zu tun haben wollte. Und Trane dürfte wohl das Gegenteil davon sein.
Aber ich lasse mich hier gern belehren.

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