Re: Klassik: Fragen und Empfehlungen

#4068703  | PERMALINK

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pinchUm die „Winterreise“ in der Zenderbearbeitung schleiche ich schon länger herum, war mir nur nicht sicher: Scharlatanerie oder interessanter Ansatz/interessantes Konzept. Jetzt fällt mir der Kaufentscheid schon leichter.

Scharlatanerie ist das nicht, nein, keineswegs. Vielleicht kann man sagen, ohne sich zu überheben, dass hier bei Zender der melodische Sand auf das Schärfste mit der bei Schubert lauernden Brutalität verbunden wird. Gewiss darfst Du mit Blochwitz oder auch mit Prégardien, soweit ich ihn kenne, nicht Peter Anders oder Hans Hotter erwarten. Aber hier geht es auch um etwas anderes: Das erste Lied, „Gute Nacht“, ist auf fast zehn Minuten ausgebreitet und ich glaube zu wissen, was Du mit „Scharlatanerie“ meinst. Leute, die sich auf etwas zum Spaß draufsetzen, weil ihnen nichts eigenes einfällt; das macht Zender nicht. Bis der erste Ton der „Guten Nacht“ in der Stimme kommt, setzt er eine Vorbereitung von vier Minuten, die es in sich hat und sofort den Wanderschritt aufnimmt, ausspielt. Mit dem Ensemble Modern sind gute Leute dabei, bei Peter Rundel an der Violine muss ich immer an Zappa und den Gelben Hai denken … Der Wanderschritt, er wird martialisch, mit einiger Percussion und doch tuen die Bläser noch so, als sei alles in Ordnung, auf ihre verborgene Weise. Dann säuseln die Streicher, behende und einfach, die Stimme kommt. Das ist eine Auslegung der „Winterreise“, die nichts mit Wohnzimmerstimmung zu tun hat, die Dir ja ohnehin fremd ist. „Die Liebe liebt das Wandern / Von einem zu dem andern“ – das, was Zender daraus macht, aufzeigt, ist der Irrsinn, der darin steckt, manchmal.

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