Re: Volksmusik mit dem Punkfaktor

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dougsahm
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Und als zweites fällt mir Ederschwarz ein

Wobei die Punkelemente eher von Metal-Elementen ersetzt werden. Hörbar, aber keine Muss.

Die übliche Lobhudelei auf der Seite ihrer Plattenfirma hört sich so an

Einstürzende Musikantenstadl

Krach in Krachlederner: Heavy-Volksmusik von „Edelschwarz“

Siegfried Haglmo hat einen eigenartigen Tanz-Stil. Der Münchner Musiker geht gerne in Clubs wie den Natraj Temple oder das Heizkraftwerk im Kunstpark Ost. Dort bewegt er sich stundenlang unter Techno- und Trance-Beschallung — und jodelt dazu. In einer dieser Nächte, als er elektronische Beats mal wieder mit seinem gurgeligen Signalruf alpenländischer Ziegenhirten paarte, hatte Haglmo die Eingebung zu einem neuen Band-Projekt: eine Verbindung aus traditioneller Volksmusik mit Heavy Metal und Elektro- Sound. Headbanging statt Schuhplatteln. Krach in der Krachledernen. Einstürzende Musikantenstadl. Das Ganze im Zeichen einer Blume des Bösen, ein Symbol der dunklen Seite der Folklore: Edelschwarz. Heute um 20.30 Uhr präsentieren Haglmo und seine drei Mit-Schattengewächse ihre erste CD „Alpine Härte 1 von 2“ im Hansa 39. Anschließend tritt der Rap-Metal-Kreuzer Da Loco auf. Siegfried Haglmo jodelt zur Steirischen, dem Akkordeon mit Knöpfen statt Tasten, das im Klang mehr einer Mundharmonika als einem Klavier ähnelt. Dazu knallen die Trommeln, schrabbelt die heruntergestimmte Heavy-Gitarre, wallt und fiept ein Maschinenpark aus Sequenzern und Samplern. So könnten sich die Düster-Rocker Rammstein anhören, wenn Musi-Veteran Karl Moik sie dirigierte. Mit diesen harten Klang-Kombinationen geht Edelschwarz einen der wenigen noch nicht ausgetrampelten Pfade in der „Neuen Volksmusik“. Haglmo sagt: „Dass Volksmusik nichts mit Trachten und Tümelei zu tun haben muss, hat längst jeder gelernt. Was bislang fehlt, ist die Härte.“
Der Mann weiß, wovon er spricht. Aufgewachsen in einer musikalischen Familie auf dem Einöd-Haglhof in der Nähe von Dingolfing, lernte er schon als kleiner Bauersjunge vom Vater die „Ziach“, das Akkordeon zu quetschen. Heute spielt der 35-Jährige abseits von Edelschwarz bei den Mundart-Rockern Hundsbuam. Dazwischen liegen Auftritte in verschiedenen Formationen und in allen denkbaren Größenordnungen, vom Bierzelt bis zur Festival-Arena. Edelschwarz begann vor gut einem Jahr zu knospen, als die ziemlich abgerutschte Piste der Alpinszene von alten Branchengrößen frisch gebahnt und plötzlich ernsthafter denn je betrachtet wurde. Hubert von Goisern zum Beispiel meldete sich nach einer Sendepause ethnofreudig zurück, seine Ex- Mitjodlerin Zabine ging auf den Trip-Hop-Trip, brasilianisch-bayerisch spielte Bavario auf, archaisch blieb die Hohtraxlecker Sprungschanznmusi. Haglmo ist mit diesen Künstlern durch gemeinsame Auftritte — unter anderem beim „Schräg Dahoam“-Festival — und beim selben Label Blanko Musik verbandelt, füllt mit seinem Mäh-Thrash die Lücke, die die anderen an Volk’n’Fusion gelassen haben.
“Die Revolutionierung der Volksmusik ist seit Jahren gelaufen“, sagt Haglmo, „jetzt findet eine Ausdifferenzierung statt.“ Edelschwarz soll bewusst banal-brachial daherkommen. Die Texte sind voller Nonsens und prallem Rustikalhumor, handeln von brünftiger Unvernunft, Schmerz im Herz und dann wieder schlicht vom Gummibaum. Haglmo schreckt selbst vor strunzzünftigen Zeilen nicht zurück wie „Schädel voll Hopfensaft, des gibt a Kraft.“
Die Vereinfachung ist gut überlegt. Haglmo, der zurzeit außer an Edelschwarz-Versen an seiner Doktorarbeit über das Spektroskopie-Verfahren des Physik-Nobelpreisträgers Rudolf Mößbauer schreibt, will seiner Art „Neuer Volksmusik“ den Touch Stammtisch, Leutseligkeit und Alltagsstallgeruch zurückgeben, den das Genre seiner Meinung nach verloren hat. „Intellektuell sein ist das Muss der Szene geworden“, beklagt Haglmo. Deshalb betreibt er mit Edelschwarz absichtlich keine sozialdemokratische Gesellschaftskritik im Stile etwa der Kabarett-Kapelle Biermösl Blosn. Hart: die Musik umzudrehen. Vom Kopf auf die Füße.

JOCHEN TEMSCH

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