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FranzKafka79
Ich schlage vor, dass man Musik nach ihrer Fallhöhe bewertet. Soll heißen ich frage nach der Intention der Musik, mit all den Schwierigkeiten die sich daraus ergeben, und höre mir dann an, was tatsächlich erreicht wurde.
Das ist zwar nicht ganz neu, aber hat zweifellos etwas für sich. Hinzufügen sollte man noch, dass der Hörer natürlich auch frei darin ist, die Intention des Künstlers zu bewerten und zu kritisieren. Außerdem entfaltet Musik manchmal Qualitäten, die jenseits ihrer eigenen Intention liegen.
Zm Beispiel „The Drift“. Etwas, das sich selbst so brutal ernst nimmt, begibt sich natürlich in schwindelerregende Fallhöhe. Gemessen daran ist die Platte ein Desaster.
Die Texte erinnern mich an den Bockmist, den ich mit 18 fabriziert habe und mir ganz furchtbar klug dabei vorkam. Dies in Verbindung mit einem extrem stilisierten Gesang streift mehr als einmal die Grenze zur unfreiwilligen Komik.
Trotzdem ist dies eine Platte, die mir ein Hörerlebnis verschafft, wie ich es sonst von nirgendwoher kenne. Musik, die einem regelrecht den Boden unter den Füßen wegzuziehen scheint. Besser, weil subtiler als jeder Horrorfilm.
Die Stärke sind eindeutig die Texturen, die durch die exzellente Klangqualität erst richtig zur Geltung kommen. Die Frage, ob das nun wirklich Substanz hat oder nur nach Effekten hascht, wird da uninteressant.
Obwohl ich „The Drift“ für keinen Geniestreich halte und auch nicht glaube, dass die Platte aufs Ganze gesehen ihren eigenen Ansprüchen gerecht wird, ist dies doch ein höchst bemerkenswertes Stück Musik. Ich bewerte es mit knapp ****.
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There is a crack in everything; that's how the light gets in. (Leonard Cohen)