Re: Johann Sebastian Bach

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gypsy-tail-wind
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Angeregt durch pinchs Post im Hörthread (die Cello-Suiten von Maisky) … hier mal ein paar Aufnahmen, die mir sehr gut gefallen:

Die schon oben im Thread erwähnten Einspielungen der Cello-Suiten von Pablo Casals waren mein Eintrittsticket in die Klassik. In Ergänzung dazu schätze ich Guido Schiefen und noch mehr die jüngere Einspielung von Ophélie Gaillard (2010, diese hier, ich glaube es gibt noch eine etwas ältere von ihr, die ich nicht kenne).

Die Einspielungen von Tortelier (ich habe die beiden für EMI von 1960 und 1982) habe ich noch nicht recht hören mögen, vom ersten Eindruck her überzeugten sie nicht recht, viel mehr gespannt bin ich auf Pierre Fournier, den ich über alles schätze (DG, auch von 1960).

Bei den Sonaten und Partiten für Violine ist der Fall für mich schwieriger, die Dinger sind so verdammt grossartig und es gibt so viele tolle Einspielungen … die allerliebste ist wohl die geschrammelte von Szigeti (1955). Ebenfalls sehr toll finde ich die Aufnahmen von Arthur Grumiaux (1960/61), Henryk Szeryng (ich kenne nur die für DG von 1967, die frühere für Columbia war mir bisher stets zu teuer, sie ist wohl seit einer Ewigkeit vergriffen), von Nathan Milstein gefällt mir die frühere (EMI 1960) ziemlich gut, die anscheinend bessere für DG (1973) habe ich noch vor mir (und freue mich darauf ähnlich auf Fournier mit den Cello-Suiten). Menuhin vermochte mich da bisher etwas weniger zu überzeugen (ich habe die Aufnahmen aus den Dreissigern sowie eine späte von 1973-75, beide EMI).

Was jüngere Einspielungen betrifft, so haben mich die Aufnahmen von Isabelle Faust (BWV 1004-1006 von 2009 und BWV 1001-1003 von 2011) neulich ziemlich umgehauen. Ich hatte sie schon einmal im Laden ausgiebig probegehört und war begeistert. Monica Huggett (Virgin, 1995) kommt mir dagegen sehr kühl und sachlich vor, ein interessanter Ansatz, der mich aber nicht packt (dies allerdings ist vermutlich auch nicht die Absicht bei Huggett). Die Einspielungen von Hélène Schmitt (alpha) möchte ich noch haben, die werden mancherorts in höchsten Tönen gelobt.

Thomas Zehetmair gefällt mir ebenfalls sehr – er steht wohl irgendwo zwischen den „Alten“ und den HIPstern. Eine schlanke, rasche (aber nicht hastige) Interpretation (Teldec, 1982).

Mit Orchesterwerken tat ich mich schwerer, die Violinkonzerte gefielen mir auf Anhieb (dazu vielleicht ein anderes Mal), aber die Orchestersuiten begreife ich bis heute nicht recht. Das Ensemble Café Zimmermann allerdings hat mir für die Brandenburgischen Konzerte, die Cembalo-Konzerte und Weiteres endgültig die Ohren geöffnet (vielleicht wird’s da mit den Orchestersuiten auch noch, Koopman funktioniert bisher nicht, am ehesten überraschenderweise die alten Aufnahmen von Adolf Busch). Die abgebildete Box enthält für CDs mit Konzerten für mehrere Instrumente, darunter die Cembalo-Konzerte (auch jene für zwei, drei und drei Cembali), die Violinkonzerte, Oboenkonzerte, die Brandenburgischen Konzerte (Nr. 2 fehlt) und die Orchestersuiten. Dieses Ensemble scheint buchstäblich auf das Zusammenspiel aus zu sein, die Musik wirkt unglaublich lebendig und präsent, wie spontan aus dem Augenblick geschaffen.

Die frühen Aufnahmen der Brandenburgischen von Busch fand ich übrigens hervorragend. Klar ist das ein ganz anderer Klang, als der, auf den man sich heute geeinigt hat – aber das Spielt der Musiker (neben Busch etwa Aubrey Brain, Marcel Moyse, Evelyn Rothwell, Rudolf Serkin) ist hervorragend. Die Menuhin-Aufnahmen mit dem Bath Orchester habe ich mir auch geholt (auf Empfehlung hier im Fourm hin), sie gefallen mir auch ganz gut, aber vermögen mich am Ende doch nicht so recht zu packen.

Überraschenderweise fand ich die ziemlich irren Einspielungen der Brandenburgischen durch Alfred Cortot ziemlich toll, wenngleich irgendwie auch ziemlich durchgeknallt. Soweit ich weiss handelt es sich dabei um die erste Gesamteinspielung der Konzerte (1933).

Das Klavierwerk ist wieder ein anderes Thema … die Goldberg-Variationen (Gould und Tureck, Hantaï und Rousset), die Inventionen und Sinfonien (Marcelle Meyer, Gould, Ciccolini) sind mir wohl bisher am wichtigsten, das Wohltemperierte Klavier ebenfalls (Gould, Gulda, aber auch die erste Einspielung durch Edwin Fischer, an HIPpem habe ich da bisher bloss Hantaï mit dem ersten Buch, das zweite gibt es von ihm noch nicht). Was hier als nächstes ansteht ist wohl, endlich mal ausgiebig Gould zu hören, die Partitas etwa, die Toccatas, die englischen und französischen Suiten … (manches wartet auch von Blandine Rannou, deren Goldberg-Variationen mich aber bisher eher etwas befremden).

Auch das Vokalwerk … ich habe mich neulich ein erstes Mal kopfvoran in die Kantaten gestürzt und einen ganzen Stapel CDs angeschafft. Das braucht noch Jahre, aber ein paar Favoriten können doch schon benannt werden: „Ich habe genug“ von Hans Hotter und von Janet Baker auf jeden Fall, und die CDs des Ricercar Consorts (mit Einzelbesetzung) finde ich herausragend.

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