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Jaja, der Spiegel hat Juristen, die das alles durchlesen können und die Formulierung dann so ändern, dass man juristisch niemandem einen Strick drehen kann. Ändert nichts an meinem generellen Eindruck des Artikels.
Als unangenehmsten Teil empfinde ich das hier:
Shaun White ist der meistgehasste Athlet der Winterspiele. Er hat seinen Sport an die Grenzen dessen getrieben, was Körper aushalten – die Rivalen bezahlen den Preis.
Manchmal dauert es eine Weile, bis angemessene Worte sich einstellen, die diplomatischen, die höflichen Worte, meistens sind ja die schnellen und spontanen Worte die ehrlichen. Auch wenn sie schmerzen.
„Kevin Pearce war ein begabter Fahrer“, sagt Shaun White, das sind seine spontanen Worte, Sekunden später sagt er: „Wir alle müssen halt im Rahmen unserer Fähigkeiten fahren.“Er grinst. Es ist jetzt still im Kaminzimmer.
Kevin Pearce ist Shaun Whites Rivale, oder er war Shaun Whites Rivale, bis vor fünf Wochen. Am 31. Dezember probierte Pearce einen Sprung, den White eingeführt hatte, den Double Cork; wer Gold in Vancouver gewinnen will, braucht den Double Cork.
Kevin Pearce liegt nun im Krankenhaus, mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma, aus dem Koma zwar erwacht, doch wahrscheinlich wird er nie wieder Snowboard fahren und womöglich behindert bleiben. Es dauert ein wenig, aber Shaun White merkt dann, dass seine schnellen Worte nicht ganz angebracht waren. Er ist 23 Jahre alt, hat gelernt, dass Lakonie und Lässigkeit in jeder Situation angemessen sind, weil es in seinem Sport im Kern um das Erreichen von Lakonie und Lässigkeit als Dauerzustand geht, doch die Geschichte mit Kevin Pearce ist anders, und White spürt das jetzt. Er macht nun eine Pause, und das Lächeln verschwindet, und er denkt ein bisschen nach und spricht dann von guten Wünschen und Mitgefühl, er sagt jetzt, was man so sagt.
„Ich hoffe, er wird gesund“, sagt Shaun White. „Ich wünsche ihm das Beste.“Ach ja?
[…][White] gilt darum als Verräter, und all die anderen würden ihn verdammt gern ignorieren, aber das erste Problem ist, dass er so gut ist. Schwerelos, scheinbar. Artistisch, offensichtlich. Und kreativ wie keiner seiner Konkurrenten.
Das zweite und wahre Problem ist, dass sie alle ihm nacheifern müssen, weil seine Sprünge der Maßstab sind; ohne seine Sprünge gewinnt niemand mehr, doch sie sind gefährlich. Es ist ein Sog entstanden im olympischen Jahr, und viele Riders, wie die Reiter der Hochgebirge sich nennen, verletzen sich. „Sie jagen sich gegenseitig auf Stufen hinauf, auf denen sie nicht mehr sicher sind“, sagt Kanadas Trainer Tom Hutchinson, „unser Sport wird zu Kunstturnen auf Eis. Bei den Spielen wird es darum gehen, wer überlebt.“
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.