Re: Morrissey · Ringleader Of The Tormentors

#3889443  | PERMALINK

sal-paradise

Registriert seit: 26.03.2005

Beiträge: 188

kramerWas mich ich meiner Ahnung, dass Morrissey ein Meisterwerk abgeliefert hat, ein wenig bekräftigt, ist die Tatsache, dass nicht wenige großartige Alben, die heute Klassiker sind, zunächst mit ähnlicher Skepsis und Kritik begrüßt wurden, oder gar gänzlich ignoriert wurden.

Die Ahnung habe ich auch noch aus anderen Gründen.
Mir kommt jeder Vergleich von Ringleader mit einem früheren Morrissey oder Smiths Album absolut belanglos vor(mit jedem anderen zeitgenössischen Album sowieso). Anfangs war auch mein Gedanke: „Es ist kein Stück mit der Klasse von `Now my heart is full`dabei, auch nicht mit der von `The First of the Gang to die`, also kann es deshalb schon gar kein Meisterwerk sein.“
Dass dieses Kriterium hier nicht anwendbar ist, ist mir zuerst an Einzelheiten aufgefallen. Die sogenannten Rockismen(bspw. bei „In the future…“), die Kinderchöre oder die Percussioneinlagen(„The youngest…“ oder „You have killed me“) sind keine Stilmittel, die gerade so durchgehen. Es sind großartige Momente des Albums, die mich bisher immer wieder gespannt machen, auf die ich mich jedes Mal sehr freue.
Dieser Eindruck bestätigt sich mir, wenn ich das Album komplett höre. Die zwölf Songs sind als Aneinanderreihung unheimlich interessant und nicht nur das, sie sind auch sehr schön. Sie geben sich allerdings anfangs bescheiden, ebenso die Texte.
Lyrisch ist wenig dabei, was auf den ersten Blick genial wirkt. Die Texte des Albums sind eher auf einfache, nicht auf seichte, Art perfekt. Sie haben Pompöses oder besondere „Volten“ auch kaum nötig. Ich glaube, Morrisseys Absicht war es, auf ROTT möglichst wenig Text stilistisch zu verschleiern. Es gibt fast keine Andeutungen oder Wortspiele. Der Titel des Albums ist vielleicht noch der größte Manierismus. Ich kann auch nur empfehlen den Text von bspw. „Life is a pigsty“ mal im Vergleich mit den anderen Texten des Albums zu betrachten. Das müsste genug Kontrast ergeben.

Obwohl ich meine, einiges von der Klasse des Albums inzwischen erkannt zu haben, habe ich doch noch lauter Fragen und könnte auch noch lange nicht die Produktion von Visconti sachgerecht einschätzen. Er macht jedenfalls überhaupt nichts kaputt, sondern gibt den Songs viel Frische. Sperrig wirkte die Produktion für mich nur beim ersten und zweiten Hören, ab dem dritten hat sie sich als großer Reichtum offenbart.
Mein kleiner Kritikpunkt ist „I just want to see the boy happy“. Den Gitarrenpart finde ich hier einfach zu durchschnittlich. An dem Platz hätte ich lieber „I knew I was next“ oder „Good looking man about town“ gesehen(und wer weiß, was noch für B-Seiten kommen). Möglicherweise ist es die Thematik, die für „I just want…“ den Ausschlag gibt.

--