Re: Spliff

#3870503  | PERMALINK

rheinbogen

Registriert seit: 06.07.2007

Beiträge: 502

nail75Man sollte ja eigentlich glauben, dass Leute, die sich jahrzehntelang mit irgendetwas beschäftigen, an irgendeinem Zeitpunkt mal die Frage stellen, was sie da eigentlich tun, d.h. warum sie gewisse Musik gut oder schlecht finden.

Jahrzehntelang und durch tausende Veröffentlichungen hindurch immer nur wieder zu antworten, dass man das eben so mag und dass man darüber eigentlich nicht bereit ist, näher nachzudenken, das empfinde ich als extrem unbefriedigend.

Nicht jeder ist dazu geboren, über Musik zu schreiben. Wenn jemand sich das nicht zutraut und der Meinung ist, er könne es nicht, respektiere ich das. Was ich nicht mag, ist diesen unreflektierten passiven Musikkonsum zum Vorbild zu erklären und sich stolz auf den Standpunkt zu stellen, dass man wirklich überhaupt nicht nachdenkt, sich weigert es auch nur zu versuchen und das allen ernstes noch für eine Tugend hält. Solche Leute würden in allen anderen Fragen mit Begriffen bezeichnet, die wenig schmeichelhaft sind!

Nicht alle machen das, also das Schreiben über Musik, berufsmäßig. Wer das tut, muss natürlich irgendwie begründen, und sei es, er zieht etwas an den Haaren herbei. Das ist überall im Journalismus so. Es gibt Fakten – meist sind diese sehr dünn -, der Rest ist Interpretation, Kommentar, Einschätzung etc. Und immer, aber auch wirklich immer, gibt es viele, die diese Einschätzung nicht teilen. Das gilt für politische Kommentare, Sportkommentare und ganz besonders für alles, was mit Kunst zu tun hat. Klar, der Journalist hat, wie jeder andere Berufstätige auch, gerne das Gefühl, richtig zu liegen, aber er wird immer für viele falsch liegen, das liegt in der Natur der Sache. Deswegen soll er sich natürlich nicht weigern, überhaupt noch etwas zu begründen, aber er muss sich doch im Klaren sein, dass er nicht von allen Seiten Beifall bekommen kann.

Was du im ersten Absatz schreibst, unterschreibe ich nicht. Da bleibe ich dabei, dass man nicht alles in der Kunst erklären kann. Und selbstverständlich kann man Musik genießen, auch jahrzehntelang, ohne sich die Frage zu stellen, warum. Warum gefällt dir Sonnenschein besser als Regen (oder vielleicht ist es umgekehrt?)? Warum isst du lieber Rind- als Schweinefleisch? Warum gefallen dir Blonde besser als Dunkelhaarige? Als Philosoph kannst du dich daran machen, das alles zu „erklären“. Als „normaler“ Mensch ist es dir völlig wurscht. Und wenn du es erklärten willst, dann vermutlich weniger für dich selbst, als vielmehr für andere, die du davon überzeugen willst. Das ist ja auch gut so, aber mancher Spliff-Fan will vielleicht gar nicht überzeugen, und warum um alles in der Welt hast du damit solch ein Problem? Das hat doch noch lange nichts mit „passivem Musikkonsum“ zu tun, ein Begriff, den du jetzt nur wieder einführst, um Mitdiskutanten abzuwerten. Wir zwei schwafeln hier ständig im Kreis herum, wir versuchen beide ständig, unsere Standpunkte zu begründen, und dennoch wäre es vielleicht eher eine Tugend, jetzt mal langsam zum Ende zu kommen. ;-)

--

Shut up, I'm thinking...