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Mal abgesehen von Euren durchaus unterschiedlichen Meinungen zum Thema „wie ausführlich und profund muss ich meine Sterne Werferei begründen?“, ich finde Pinch hat alles Wesentliche zum Thema Spliff geschrieben. Und Bender hat dann nur noch ergänzt.
Ich habe Spliff damals direkt miterlebt, und ich kannte die Musiker auch persönlich ganz gut. Man ist sich hier in Westberlin damals halt ständig über den Weg gelaufen. So riesig war die Szene ja nicht. Und die Spliff Musiker gingen selbst oft auf Konzerte und hingen in den einschlägigen Kneipen und Clubs rum. Abgesehen davon kannte ich auch schon die Lok Kreuzberg gut, und Reinhold Heil ging auf die gleiche Schule wie ich.
Es gab schon damals imgrunde zwei – eigentlich sogar drei – weitgehend parallel laufende Szenen. Da war die in erster Linie international orientierte „coole, hippe“ Szene, die beim Zensor und bei Sun oder Zip wöchentlich die Import Platten hörte und kaufte. Die zu den ersten Gigs der Vibrators, Ramones, Wire, Blondie, etc. ging. Die alles Deutsche eher argwöhnisch betrachtete, vor allem wenn es eben sehr „Deutsch“ rüberkam. Berliner Bands wie PVC, Tempo, Ffurs, The Wall, später White Russia u.a. zählten eher zu dieser Szene.
Dann gab es die ndW Szene, die sich weder so nannte, noch mit dem, was später unter nDW vermarktet wurde, etwas zu tun hatte. Also Din A Testbild, P1/E, Neubauten etc. Diesen Leuten gemeinsam war, dass sie zwar von der neuen Musik aus dem UK und aus New York angefixt waren, aber sie entwickelten daraus ihr ganz eigenes, letztlich dann sehr eigenständiges Ding, das ohne besondere deutsche Umstände und Geschichte nicht hätte entstehen können.
Und schließlich gab es Leute wie die Musiker von Spliff, Ideal, Bel Ami u.a., die alle schon vor 1976/77 Musiker waren und eigentlich mehr oder weniger Deutschrock gemacht haben. Die sind dann auf den ndW Zug aufgesprungen. Das war keine so bewusste Entscheidung nach dem Motto, wir hängen uns da jetzt mal dran. Die fanden sicher auch zum Teil ganz spannend, was da Neues aus dem UK und New York kam. Schließlich traf man diese Leute auch ständig im Kant Kino, im Quartier Latin, seltener in der Music Hall. Die „Deutschrocker“ haben einfach versucht, Deutschrock zeitgemäßer und hipper zu gestalten. Bei Ideal ist das für einen kurzen Moment und ein paar Titel gelungen. Bei Bel Ami z.B. blieb es immer altbackener Deutschrock, und bei Spliff wirkte das schon damals unheimlich aufgesetzt und gewollt. Das war so eine Mischung aus Muckertum und „wir sind ja so verwegen und hipp“. Die haben versucht Pop zu machen, ohne wirklich Pop zu sein. Interessanterweise ist ihnen das als Produzenten für die ersten Singles von Nena ja gelungen. Da hatten sie aber auch nicht diesen intellektuellen Anspruch, wie bei ihren eigenen Sachen.
Spliff war immer uncool. Und so gerne ich mit Manne, Herwig, Potsch oder Reinhold gelegentlich beim Bier über Gitarrensound, Studiotricks oder einfach nur das Wetter geredet habe, immer wenn wir auf aktuelle Musik zu sprechen kamen, habe ich gemerkt, die ticken vollkommen anders als ich. Die haben Pop nie wirklich verstanden. Manne vielleicht noch am ehesten.
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