Re: R’n’B: damals – heute

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herr-rossi
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wolleR&B 2 Buchstaben wie C&A oder H&M ? diese buchstaben standen einmal für die Musik derAfroamerikaner, für Rhythm *n’Blues -Rhythmus und Blues, schwitzendes Aufbegehren ,Schrei nach Befreiung,nach Selbstbestimmung,auch nach spirituellem Feeling in der Ekstase.

Ich weiß ja gar nicht, ob ich wirklich Lust habe, zu dieser Anhäufung von Vorurteilen was zu sagen. Ich schätze den RnB der 50er/60er genauso wie den neueren. Aber z.B. diese Reduktion auf „Schwitzigkeit“ und „Aufschrei“, das ist einfach Unsinn. Auch der klassische RnB kannte Eleganz, Raffinesse, Witz, Zynismus, die ganze Palette der Ausdrucksformen. Das war keine Musik zur Erfüllung von weißen Vorurteilen über angeblich wahres und authentisches „Schwarzsein“ (Stichwort „edler Wilder“).

die sich bei der Verleihung artig bei Mama, Papa, ihrem Manager und der Plattenfirma bedanken

Eine solche Einstellung hatten auch die klassischen Künstler, nur hatten sie noch nicht die Gelegenheit, sich bei Awardshows feiern zu lassen.

mit einem apparatemusikalisch wiederbelebten und kommerziell runderneuerten Soul vermischen sich am Computer erzeugte Beats. Ein Syndikat von irgendwelchen Starproduzenten beschäftigt ganze heerscharen von programmierern und sounddesignern. sehr ausgetüftlet udn raffiniert ,das alles , aber wo ist der GROOVE?

Ich höre in den besten Aufnahmen von Timbaland, Dr. Dre, den Neptunes oder Outkast – um nur einige zu nennen – eine Menge Groove. Aber davon abgesehen: Atlantic, Motown etc. waren auch Hitfabriken mit einem Stamm von Produzenten, Songschreibern und Studiomusikern. Spätestens seit dem Film „Standing In The Shadows Of Motown“ sollte bekannt sein, dass alle Aufnahmen des Labels von einer Studioband eingespielt wurden. Die einzelnen Interpreten waren alles andere als autark, sondern Teil eines größeren Ganzen.
Man kann die (teilweise verlogene) Independent-Philosophie der „weißen“ Musik seit den späten 70ern nicht als Maßstab nehmen, um hier Werturteile zu fällen.

Elektronische Musik mag nicht jedem gefallen, aber zu behaupten, dass sie per se schlechte oder emotionslose Musik, halte ich für reaktionären Unfug. Man sollte sich im Gegenteil bewusst, dass gerade schwarze Musiker in den 70ern und 80ern „open minded“ waren und die experimentellen Sounds von z.B. Kraftwerk aufgegriffen haben. Hiphop, moderner RnB und ebenso House und Techno haben hier ihre Wurzeln. Dies ist der Weg, den die (schwarzen) Künstler gehen wollten und es war die richtige Entscheidung. Ein Genre hat doch keine Zukunft, wenn es kreativ stagniert.

GLATT UND POLIERT und üppig präsentieren sich R&B: Puff Daddy der Lifestyleklamotten verkauft…..Mary J.Blige macht Jeanswerbung, Beyonce &Co tummeln sich auf ihren Alben aufreizend in protzigen Wohnlandschaften .Sex als Zeitvertreib der Reichen und Schönen dominiert dieTexte
Die Frau ist allseits verfügbares Lustobjekt für goldkettchenbehängte Testosteronprotze in Sportwagen.

Der offene Sexismus im RnB und Hiphop ist tatsächlich schwer erträglich. Aber immerhin: Er wird offen gezeigt. Dazu können sich weibliche Künstlerinnen kritisch ins Verhältnis setzen. Und das tun sie auch.
Die klassischen RnB-Künstler waren auch keine Ghandis. Autos, Villen, Juwelen, teure Klamotten etc., das gehörte immer schon dazu. Wieso nehmen wir unsere bürgerlichen, weißen, mitteleuropäischen Wertvorstellungen als Maßstab, das zu verurteilen?

In einer Gesellschaft wie der amerikanischen ist „Bling Bling“ einfach das Zeichen der Selbstbehauptung und der Selbstverwirklichung. Wenn man sich sowas leisten kann, dann kann das weiße Establishment einen nicht mehr ignorieren oder gar marginalisieren. Motown wollte in den 60ern den Sound des jungen Amerika schaffen. In den letzten 10, 15 Jahren haben es die RnB- und Hiphop-Stars erreicht, dass sie von der Jugend in der gesamten Welt als Idole betrachtet werden.

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