Re: (Proto-)Punk Rock

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bender-rodriguez

Registriert seit: 07.09.2005

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Sonic Juice
Schön dass man auf diesem indirekten Weg mal ein paar Bands kennenlernt, die Du offensichtlich tatsächlich magst, und nicht nur die Musik, die Du abgrundtief verabscheust und verdammst!;-)

Insbesondere die Bowie-B-Seite ist für mich interessant, weil ich den hochverehrten Herren auch immer schon bezüglich Proto Punk auf dem Radar hatte, aber noch kein perfekt passendes Stück kannte, das den Verdacht erhärten konnte. Ist die zufällig irgendwo wiederveröffentlicht worden als Bonus Track oder so?

Aber mal was anderes: Das schlimmste Vorurteil zum Thema, das heute unter gefährlich Halbwissenden (auch gerade diejenigen, die sich als Punks bezeichnen) vertreten wird, ist ja, dass Punk Rock so wie die Sex Pistols klingen muss und alles andere – was nicht auf 3 Akkorden, 3 Instrumenten und metalartigen Riffs basiert und mit rotziger Stimme die Queen anschreit – habe automatisch damit nichts zu tun… Diese stilistische Selbstlimitierung, die sich viele prominente Vertreter des Genres sowieso selbst nie auferlegt haben (mit Ausnahme etwa der Sex Pistols), hat meines Erachtens zu einer zunehmenden Verblödung und Trivialisierung geführt.

So, das Echo mit Verspätung – aber Urlaub dazwischen ist auch mal ganz kommod…

Ach, geh! Den x-ten „Tadel“ von wegen, ich würde hier nur über Musik schreiben, die ich nicht mag ist rhetorischer kalter Kaffee… Das dem nicht so ist, sollte bei den Herrschaften, die mir permanent solches vorwerfen so langsam auch mal angekommen sein… Und, im Übrigen, selbst wenn’s so wäre, daß ich 100% Kritik hier loswerden würde, wär’s auch rechtens. Besser als gar nix…

Aber schön, daß ich dir ein paar Sachen mitgeben konnte. „Holy Holy“ findest du als Bonus-Track auf der „The man who sold the world“-CD in der EMI-Reissue-Edition von 1990. Oder auf der „Rare“-LP von 1983.

Allerdings kann ich deine Beobachtungen zum Thema „Punk und die gefährlich Halbwissenden“ nicht bestätigen. Für (Nicht-)Musikhörer, die den in China bereits Rente beziehenden Spruch „do geht de Pank ab“ nutzen, ist Punk ohnedies kein Thema! Bei solchen Leuten „geht de Pank“ bereits bei Deppenkirmesdisco a la SCOOTER „ab“. Mir bekannte Leute, die einschlägige „Punk“-Tonträger ihr Eigen nennen, ist sowieso sonnenklar, daß die SEX PISTOLS als alleingültige Referenz keinen Bestand haben. Beim besten Willen nicht! Und die „Hardcore“-Punks, quasi die anachronistische „Bier & Randale“-Fraktion – sollte diese mal einen seltenen luziden Moment haben, und sich tieferschürfend um Musik zu kümmern – einigt sich lediglich darauf, daß die Band egal ist, die ihnen gerade die stereotypen drei Akkorde um die Ohren (und den benebelten Verstand) jagt. Wenn diesen Job für diesen Moment TOKIO HOTEL machen würden, wär’s denen auch recht…

Wo und wann natürlich die von dir angesprochene „Verblödung“ und „Trivialisierung“ eingesetzt hat, ist ziemlich eindeutig zu bestimmen. Dieser Keim ging schon gleichzeitig auf, an dem die gerne legendär bezeichnete „Punkexplosion“ stattfand. Der „Spirit of 77“ (nehmen wir ihn als EINEN Anfang) wäre ohne sein schon absehbares Ende nicht möglich gewesen. Ich sage nur: „No Future“. Und genau dieser „Future“ in musikalischer Hinsicht verweigerten sich extrem viele Punks der SEX PISTOLS-Ära. Diese Leute sind Geschichte und wirklich nicht erwähnenswert in dem Thema, das wir hier behandeln. Beispiel: Das vielzitierte „Markthallen“-Festival in Hamburg („In die Zukunft“). Alle Bands, die nicht gerade aus Hamburg kamen und auf hundertprozentiger Linie des Prollimages des damals schon konservativ werdenden Punk sich bewegten, wurden vom Publikum gnadenlos niedergemacht. Musikalische Aufbruchstimmung, z.B. von den EINSTÜRZENDEN NEUBAUTEN waren bei den Fans von Dreiakkordwundern mit Alkoholproblem a la KFC verpönt. Und da hört für mich die musikalische Geschichte des Bilderbuch-Punkirokesen auf. Das dem Genre auch danach durchaus geholfen wurde – und das Ganze aus heutiger Sicht auch differenzierter sich darstellen kann (nicht nur SEX PISTOLS-Fans…) ist eine der positiven Entwicklungen der Musikhistorie. Ich verweise nur mal auf Bands wie z.B. THE RAKES oder BLOC PARTY. Und wenn heutzutags solch eine dusselige Popcountryschnepfe wie Shania Twain im RAMONES-T-Shirt rumläuft, dann kann ich nur mal trocken auflachen. Solch einen Schmarrn hatten wir doch schonmal, oder…???

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I mean, being a robot's great - but we don't have emotions and sometimes that makes me very sad