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Der Umstand, daß in Deutschland vieles verklausulierter und viel mehr mit Symbolen aufgeladen daherkommt, wohingegen das amerikanische Volkslied eher direkt ist, mag auch an den jeweiligen politischen Systemen liegen. In den USA konnte man im Grunde immer schon alles sagen und singen, was man wollte (ja, auch die Sklaven auf den Feldern in den Südstaaten – Hauptsache, sie haben ihre Arbeit gemacht und nicht allzu offensichtlich gegen ihre weißen Herren aufgemuckt), so daß da auch vieles nicht so „durch die Blume“ hindurch gesprochen bzw. in diesem Fall ja eher gesungen werden mußte. In den deutschen Staaten und Fürstentümern hingegen mußte man immer aufpassen, daß man sich nicht den Zorn des Landesherren zuzog. (Auch die geographischen Dimensionen mögen da mit eine Rolle spielen: Wenn ich in Alabama sitze und ein Lied singe, in dem ich mich darüber beklage, daß der Präsident im fernen Washington nichts an meinem Leid ändert, dann wird dieses Lied wohl sehr wahrscheinlich nie seinen „Empfänger“ bzw. Adressaten erreichen. Wenn ich jedoch in Altena sitze und irgendwo in einem Gasthaus ein Hohn- und Spottlied auf den Grafen der Mark [heute Märkischer Kreis, NRW] singe, dann wird derjenige ja wohl viel eher davon Wind bekommen – und ich habe dann die Konsequenzen zu tragen. Also muß ich zusehen, daß ich meine Kritik irgendwie verpacke, damit sie nicht so offensichtlich ist.) Das deutsche Volkslied ist metaphernreicher, wohingegen das amerikanische (als ein Ableger vielfältiger Volkslied-Traditionen – denn die verschiedenen Einwanderergruppen [Deutsche, Briten, Iren usw. usf.] brachten ja ihre Musik mit in die Neue Welt… der amerikanische Folk Song ist also ein Amalgam aus verschiedenen „ursprünglicheren“ Volksliedformen) direkter zur Sache kommt, das mag wohl in den meisten Fällen so stimmen (auch wenn mir jetzt spontan ebenfalls eine ganze Reihe ziemlich „deutlicher“, um nicht zu sagen: anzüglich-derber deutscher Volkslieder einfallen würden), wie es hier behauptet wird – aber man muß dann auch eben die zeitgeschichtlichen Hintergründe mit berücksichtigen.
Auch daß das deutsche Volkslied per se unpolitisch und nur zur Festtagsbelustigung dagewesen sein soll, kann ich so nicht stehenlassen. Gerade aus der Zeit um 1848 herum gibt es eine ganze Reihe politischer Volkslieder aus sozialdemokratischen Kreisen, die aber, vor allem nach dem Scheitern der bürgerlichen Revolution, natürlich nur im „Untergrund“ zirkulierten. Gleiches gilt auch für die deutschen „Protest Songs“ aus der Zeit des Dritten Reiches.
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„Kreuzberg ist so hart, dass sogar die Steine sagen: Wir sind zu weich für die Strasse. So hart ist Kreuzberg.“ (Catee)