Re: Miles Davis

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sonny

Registriert seit: 09.04.2003

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Go1
Hier ging es darum, die Haltung und das Verhalten von Miles aus ihrem gesellschaftlichen Kontext (Rassismus) heraus zu verstehen, also zu erklären und einzuordnen. Nur so kann man auch die richtige Benennung finden. Gezeigt wurde: Was einigen als „Rassismus“ vorkommt, lässt sich auch anders erklären. Verlangt wurde, sich über die Verwendung des Rassismus-Begriffs Gedanken zu machen. Lässt er sich anwenden auf den Angehörigen einer unterdrückten Minderheit, der rebellisch auf den Rassismus der Mehrheitsgesellschaft reagiert? (Geklärt worden ist das nicht.)

Das hast Du schön auf den Punkt gebracht.
Ich versuche noch einmal meine Sichtweise darzulegen:
Miles Davis war Angehöriger einer unterdrückten Minderheit, das ist richtig. Allerdings innerhalb dieser unterdrückten Minderheit schon von Geburt an ein privilegierter Angehöriger. Das ändert überhaupt nichts daran, dass er – ich wiederhole mich – Angehöriger dieser Minderheit war und unter dem rassistischen Verhalten der „herrschenden Oberklasse“ zu leiden hatte. Seine „stolze“ Herkunft förderte aber (auch unabhängig von der Rassismus-Frage) extrem seinen egozentrischen Charakter. Nach allem, was ich weiß, hat Miles Davis nur sehr selten (und anderen Jazzmusikern, z. B. Bird, ging es da wesentlich schlimmer) wirklich schlimme Erlebnisse mit Weißen gehabt (die Geschichte mit der Arrestierung beim Taxistand ausgenommen). Gegenargument: Muss er allerdings auch nicht gehabt haben, um trotzdem unter den Verhältnissen zu leiden, weil es nicht immer konkrete Erlebnisse sein müssen, sondern die Unterdrückung im täglichen Leben jederzeit spürbar war. Auch richtig.
Die Frage, die ich nach wie vor stelle, ist, ob er nicht genauso die weißen Amerikaner über einen Kamm geschert und gehasst hat, wie die rassistischen weißen Amerikaner (und das waren auch nicht alle weißen Amerikaner!) es bei den Farbigen getan haben. Weiße Musiker, die er persönlich kannte und die für ihn gearbeitet haben, halte ich hierbei für kein gutes Gegenbeispiel. Da gibt es auch bei den Weißen Gegenbeispiele: Der farbige Nachbar, der einem einen großen Gefallen getan hat oder mit dem man als Kleinkind, das Rassismus noch nicht begreifen konnte, aufgewachsen ist, wird von dem allgemeinen Hass auf die Farbigen dann auch ausgeklammert.
Wenn MD als persönliche Weltanschauung auf das Verhalten der Weißen so reagiert hat, wie ich es gerade darzustellen versuche – ohne Zwischentöne – , ist das für mich ein rassistisches Verhalten.

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