Re: Miles Davis

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nail75Das ist mir zu pauschal. Nur um hier mal etwas Kontext zu schaffen: Miles Davis war der Sohn eines relativ wohlhabenden Zahnarztes und wuchs ab 1927 in East St. Louis, IL auf. East St. Louis war zehn Jahre zuvor Ort eines Rassenkrawalls gewesen, in dessen Verlauf 100 Afro-Amerikaner ihr Leben verloren.
http://en.wikipedia.org/wiki/East_St._Louis_Riot

Ein solches Ereignis prägt Menschen und es prägt vor allem Gemeinschaften. Man kann sicher sein, dass die Erinnerung an das Geschehen auch noch viele Jahre später gegenwärtig war. Das hat den jungen Miles Davis fraglos tief beeinflusst. (Wer mal ein Gefühl für den Rassismus der damaligen Zeit erhalten will, der sehe ich den „Reconstruction“-Teil von „Birth Of A Nation“ an.)

Selbst als Angehöriger einer wohlhabenden Familie war man als Afro-Amerikaner Angehöriger einer ständig diskriminierten Minderheit. Rassenschranken waren allgegenwärtig. Viele Afro-Amerikaner hatten verständlicherweise Angst von Weißen, denn alle gesellschaftlichen Machtinstrumente waren auf der Seite der Weißen und wer als Schwarzer dagegen aufbegehrte, tat das unter enormen persönlichem Risiko.

Im Fall von Miles Davis bezog sich die Kritik häufig auf rassitische Strukturen, beispielsweise die Benachteiligung und Ausbeutung schwarzer Musiker durch Plattenlabels. Wie schon angedeutet, hat er mit zahlreichen weißen Musikern zusammengearbeitet, nicht nur mit Konitz und Gil Evans. Er hat sie nie daran gestört, Weiße in seiner Band zu haben, aber hat den allgegenwärtigen gesellschaftlichen Rassismus bisweilen heftig angegriffen und sich auch über Weiße generell abschätzig geäußert.

Man kann sein Verhalten relativ leicht verständlich machen, wenn man bedenkt, dass er Jack Johnson verehrt hat, den ersten schwarzen Schwergewichtsweltmeister im Boxen. Johnson war ein mutiger Mann. Er umgab sich mit weißen Frauen, in einer Zeit, in der das höchst riskant und teilweise illegal für Afro-Amerikaner war. Dafür landete er sogar für ein Jahr im Gefängnis. Wie Johnson wollte Miles Davis die Weißen wissen lassen, dass er keine Angst vor ihnen hat, so wie viele andere Afro-Amerikaner. „I am black. They never let me forget it. I am black alright, I never let them forget it.“

Fazit: Wer vom legendären Hass von Miles Davis auf Weiße spricht, der sollte den legendären Rassismus der damaligen amerikanischen Gesellschaft nicht vergessen. Beides gleichzusetzen halte ich für bedenklich – ich würde mit Äußerungen, dass Davis ein Rassist war, sehr vorsichtig sein.

:bier: Chapeau Mr. Nail, besser hätte ich es nicht ausdrücken können. Wahrscheinlich hast Du seine Autobiographie gelesen, auf die man zumindest in dieser Frage immer zurückgreifen sollte. Es kommt viel von der alltäglichen Bedrohung durch den sozusagen institutionalisierten Rassismus der USA rüber.

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