Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Eine Frage des Stils › Blue Note – das Jazzforum › Miles Davis › Re: Miles Davis
Auf Wunsch von Mikko und Mick67 hier ein paar Worte zum Miles Davis Quintet mit John Coltrane und zum Jazz-Einstieg:
Zunächst: „Kind Of Blue“ gehört eigentlich schon in Miles Davis‘ „modale Phase“, in der das klassische Quintet mit John Coltrane, Red Garland, Paul Chambers und Philly Joe Jones an mehreren Positionen umbesetzt und erweitert wurde. Es ist eine fragile, sanft dahingleitende Musik. Eine Platte, die den Eindruck erweckt, als sei sie in Trance eingespielt worden und alles habe sich wie von selbst zum Schönsten zusammengefügt. Und sie verdient den Hype. Zum Einstieg ist sie allerdings nur bedingt zu empfehlen; entscheidend ist die Erwartungshaltung des Hörers.
Die Einspielungen des klassischen Quintets sind da bodenständiger. Die Rhythmusgruppe ist recht knackig, tight und groovt sehr lebendig. Der junge, ungestüme Coltrane drängt und sucht. Der Leader selbst benutzt seinen ätherischen vibratolosen Ton für coole Phrasen, die die Nervosität des Bop reduzieren und zugleich transzendieren. Und alles fügt sich zu einem äußerst homogenen und höchst inspirierten Ganzen.
Die Band ist natürlich historisch bedeutsam als Ausgangspunkt für weitere Innovationen der beiden Starsolisten und steht wie kaum eine zweite für den vorwärtsgerichteten Bop der Mittfünfziger. Aber eigentlich sind ihre Qualitäten völlig zeitlos.
Die wesentlichen Aufnahmen dieses Quintets für Prestige (Workin‘, Cookin‘, Steamin‘ und Relaxin‘) und Columbia (Round About Midnight) sind allesamt Klassiker (und wohl auch Forums-Konsens). Als CDs gibt es sie immer wieder für sehr wenig Geld bei Zweitausendeins. Wer sich dann noch was Gutes tun will, besorgt sich „Somethin‘ Else“ von Cannonball Adderley, bei dem ebenfalls Miles Davis mitwirkt.
Welches der geeignete Einstieg ist, hängt jedoch immer von den bisherigen Vorlieben des Hörers ab. Wer, sagen wir, die späten Talk Talk liebt, der sollte es ruhig mal mit „In A Silent Way“ versuchen (einer der ersten elektrischen Davis-Platten).
Wer etwa die Stones mag, keine Angst vor dem Blues hat und auch an 60s-Soul Gefallen findet, der hat nach meiner Erfahrung recht gute Chancen, dass ihm auch die folgenden Hard Bop/Soul Jazz-Klassiker zusagen:
Horace Silver: Song For My Father; Blowin‘ The Blues Away
Art Blakey: Moanin‘
Sonny Rollins: Saxophone Colossus
Kenny Burrell: Midnight Blue
Lee Morgan: The Sidewinder
Cannonball Adderley: Mercy, Mercy, Mercy
--
There is a crack in everything; that's how the light gets in. (Leonard Cohen)