Re: Musiker, mit denen ihr nichts anfangen könnt?

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canzione

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Herr Rossi Aber jetzt erklär mir mal, wieso Waits nicht Teil des „Musikbetriebs“ ist? Er ist so etabliert, wie ein Künstler nur sein kann und er wird seine Fans schwerlich in irgendeiner Weise noch vor den Kopf stoßen können.

Tom Waits ist zu populär (zu etabliert) – und genau das ist das Problem. Barney Hoskyns:

„Ich vermute, dass man die schlechten Kritiken an Waits´ letzten Alben an zwei Händen abzählen kann. Wenn überhaupt, dann ist er in der Musikwelt ähnlich wie Bob Dylan eine heilige Kuh geworden.“

Gerade bei Waits (Dylan) kann man das gut verfolgen: Welche Platten gut besprochen und welche schlecht besprochen werden, hat mit der Qualität der Platten eigentlich gar nichts zu tun. Das ist reine Saisonsache.

“ Warum und wie genau das geschehen konnte, kann man nur schwer erklären, aber es hat wohl damit zu tun, wie ehrfurchtgebietend – und natürlich immer noch lustig, faszinierend, liebenswert, etc. – er inzwischen wirkte. Mehr noch resultiert diese Wahrnehmung aus seiner starken Position in der Hierarchie zeitgenössischer Rockmusik, was sehr viel damit zu tun hat, dass er sich auch in Avantgardekreisen durchgesetzt hat. Damit hat sich wohl auch Kathleen Brennans Wunsch erfüllt, ihren Ehemann von der Karikatur eines Jazz-Bohemien in einen einzigartigen Arthouse-Exzentriker zu verwandeln. Obwohl man andererseits vermuten könnte, dass Waits mit der Zeit einfach das eine Establishment aufgegeben hat, um sich dem nächsten in die Arme zu werfen. So schrieb David Smay in einer exzellenten Studie über SWORDFISHTROMBONES, ´sein Status als vom NPR gesalbtes Nationalheiligtum droht, ihn mit kulturbeflissener Zustimmung regelrecht zu erdrücken´.
In gewisser Weise kann all das auf die Rolle zurückgeführt werden, die Robert Wilson im zweiten Akt der Karriere von Waits gespielt hat. Robert Christgau zufolge hat Waits ´mehr Allianzen mit der institutionalisierten Avantgarde geschmiedet´als etwa David Byrne. Und man sollte auch noch Lou Reed hinzufügen, einen weiteren Rockstar, der der Verführungskraft von Wilson erlegen ist. ´Waits ist – ein bisschen wie Wilson selbst – hervorragend in die Kunstszene eingeführt worden´ bemerkte David Kamp, Mitarbeiter von VANITY FAIR und Gründer des exzellenten ROCK SNOB`S DICTIONARY. Er ist unantastbar geworden. Das hat viel damit zu tun, dass Kathleen ihn neu erfunden hat.´ Der ehemalige ROLLING STONE-Redakteur Anthony De Curtis trifft den Nagel auf den Kopf, wenn er an Waits´jüngster Musik beobachtet, dass ´viele Kritiker nur ungern zugeben, dass selbst Experimentierdrang vorhersehbar werden kann und man unwillkürlich anfängt, das Unerwartete zu erwarten.´“

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