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nail75Wer Dylan nicht mag oder nicht schätzt, dem entgeht ein integraler Bestandteil der heutigen Popmusik.
Der Erkenntnis hab ich mich vor einiger Zeit auch gestellt. Früher hatte ich ja auch diese „toller Songwriter, schrecklicher Sänger“-Attitüde. Frühe Begegnungen mit Dylanologen, die nicht den Hauch eines Verständnisses für Popmusik, wie ich sie schätze, hatten, dafür jederzeit gewitzte Weisheiten aus des Meisters Fundus rezitieren konnten, waren nicht gerade hilfreich. Daher möchte ich Dylan zunächst auf musikalischer Ebene verstehen und die Textegese zurückzustellen. Natürlich gehört das Textverständnis dazu und Kenntnisse des historischen Zusammenhangs, in dem diese Musik entstand und wirkte.
Mit „Nashville Skyline“ und „Blonde On Blonde“ hab ich dann den Einstieg gewagt. Nicht, dass die Musik völlig an mir vorbeiginge, im Gegenteil, aber es ist für mich Arbeit, seinen Vortrag (der klassische Dylan-Stil auf BOB) nicht als überheblich, abweisend und wenig variabel zu erleben. Diese manierierte Betonung und Dehnung der Endsilben, die muss man wohl wirklich lieben, bevor man Dylan verfallen kann. Da war „Skyline“ schon sehr aufschlussreich, Dylan mal ganz anders zu hören.
Arbeit ist es für mich auch, mich auf die langen Traktate wie „Sad Eyed Lady …“ einzulassen. Zum Glück gibt es auf BOB ja auch anderes zu hören und ich meine nicht nur „I Want You“. Am meisten nervt mich immer noch die Harp, das ist ein Instrument, dem ich wirklich nichts abgewinnen kann, ich versteh auch nicht, was sie den Tracks hinzufügt. Deswegen hab ich auch Bedenken, was den frühen Folk-Dylan angeht.
Eine Distanz ist da immer noch und wird wahrscheinlich auch bleiben, aber ich bleibe am Ball. Diesen Aufwand werde ich aber definitiv nicht für jeden als essenziell geltenden Künstler treiben, dafür gibt es zuviel Musik, die mich unmittelbarer anspricht und die noch gehört werden will.
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