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Nachfolgender Kritik ist nicht viel hinzuzufügen. Nachdem ich Calexico beim letzten Mal in Stuttgart ein wenig lustlos und übermüdet erlebt habe, waren sie vorgestern im Ulmer Zelt einfach grandios.
In der Besprechung fehlt der Hinweis auf Special Guest Chris Cacavas, der musikalisch aber eher überflüssig war. Beim ersten Song, an dem er mitgewirkt hat, musste die halbe Band Unterstützung leisten, damit er während des Songs sein Keyboard zum Laufen bringt.
Alles in allem aber ein wirklich tolles Konzert mit überraschend brilliantem Sound.
POP / Calexico trumpfen im Ulmer Zelt auf
Wenn die Wüste blüht
„Calexico“ jagten ihre durchaus zur Temperatur passenden Songs durch die Sommerhitze des Ulmer Zelts und rockten gegen Ende mächtig – von 900 Besuchern gefeiert.
UDO EBERL
Eine kleine Ode an „Calexico“ gefällig? Wenn schon das Puddingwort Crossover fallen muss, dann beim Gitarristen und Sänger Joey Burns und dem Drummer John Convertino. Sie sind die Motoren und Songwriter der Band aus Tucson in Arizona und stilistisch einfach nicht zu fassen. Zwischen Lo-Fi und Pop, Mexiko und New York, krachendem Rock und filigranen Arrangements bewegt sich das homogene Ensemble. Grenzen wollen sie überwinden, und es gelingt ihnen spielend. Jeden Abend wollen sie sich ein wenig neu erfinden, und das ist kein Infozettel-Schreiber-Gefasel.
Im Ulmer Zelt stehen sie vor Konzertbeginn lustig im Kreis herum, um plötzlich zu bemerken, dass sie noch gar keine Liederfolge für das Konzert parat haben. Andere Bands tüfteln und feilen an ihrer so genannten Setlist bis die Tastatur qualmt, „Calexico“ schütteln sie locker aus den Cowboy-Hemden, beginnen wie immer mit „Roka“ und Tex-Mex-Gebläse furios. Danach auf zum Freiflug. Das gut gestimmte Publikum wird die Musiker im Zweifelsfall schon auffangen.
Doch Bedenken sind unnötig. Der Sound ist glasklar. Der deutsche Multiinstrumentalist Martin Wenk, den man an der Trompete auch schon bei „Fink“ erleben durfte, sorgt zusammen mit Jacob Valenzuela an der Trompete, dem Vibraphon und den Keyboards für die Vielschichtigkeit. Da wird nicht nur los gerumpelt. Valenzuela deutet mit spitzem Ton und großer Technik an, wie viel Jazz in ihm steckt. Stark klingt das über breitwandigen Vibes und der feinsinnig gespielten Pedal-Steel-Guitar von Paul Niehaus, der einst für die Freunde von „Lambchop“ kunstvoll über die Saiten rutschte. Burns erzählt die Geschichte des Schneiders von Ulm, denn dessen Bild auf einer Ansichtskarte hat Burns zu einem Song inspiriert. Seine Deutung Albrecht Berblingers klingt eher nach einem fliegenden Faust, aber ganz wunderbar. Und wenn dann eine Violinistin zur Crew stößt, die augenscheinlich noch nicht viel mit den Herren proben konnte und sich dennoch bestens in die Musikergeselligkeit einfügt, spürt man ein wenig von dieser „Calexico“-Chemie, die alles möglich zu machen scheint.
Hier geht es nicht allein um mitreißend-melodiösen Mariachi, nicht um erdigen Rock n Roll, der immer mehr hoch gepeitscht wird, oder um Lo-Fi, der so staubtrocken ist, dass man nach seinem Wasser greifen möchte. Dieser Abend im Ulmer Zelt ist wie die Wüste nach einem Wolkenbruch. Die Musik lebt und blüht, gegen Ende fast zu überbordend. Da geht schon fast der Rock-Gaul mit den Cowboys durch, und die Lautstärke ist immens. Aber so sind sie. Eine feste Größe und doch nie berechenbar.
Erscheinungsdatum: Dienstag 04.07.2006
Quelle: http://www.suedwest-aktiv.de/region/swp_neuulm/ulmer_kulturspiegel/2293271/artikel.php
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I'm pretty good with the past. It's the present I can't understand.