Re: Mikkos 7" Faves

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mikko
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Moderator / Juontaja

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Wipers – Romeo / No Solution (Trap Records, 1982)

Die Wipers waren eine Punk Band aus Portland, Oregon. Gegründet im Jahr 1977 von Greg Sage. So steht es bei Wikipedia. Wenn man unter Punk eine Haltung, eine Lebenseinstellung versteht, dann ist Punk zutreffend. Gegründet als Trio bestand die Band aber doch im Wesentlichen aus Greg Sage, der fast alles allein macht(e). Nicht zuletzt das Veröffentlichen von Platten. Der Sound der Band ist hart, messerscharf, von Feedback geprägt, minimalistisch und vor Energie förmlich explodierend. Auf die Gitarrenbands der späten Achtziger von Dinosaur Jr. bis Nirvana hatte das einen prägenden Einfluss. Die rund 10 LPs der Band kenne ich nicht alle, aber vor allem die ersten beiden „Is This Real“ (1979) und Youth Of America“ (1981) sollte man gehört haben. Die beiden Tracks der Single hier entstanden während der Sessions für „Youth Of America“. Aber Greg befand, sie passten nicht ins Konzept des Albums. Also wurden sie wenig später als 7“ veröffentlicht. „Romeo, he walks the city at night, the tall dark buildings cast their ghostly shadows into his burning eyes. – Oh Romeo – roam Romeo! – Around the corner there’s nothing there! Nothing there! – Juliet!!!” Die Story von Romeo und Julia aus der Sicht eines Punks der Generation X. Atemloser Sprechgesang, eine heftig verzerrte, gnadenlos schneidende Gitarre, rastlose Drums und Bassläufe. Der Track vermittelt vortrefflich die Situation, in der ein zwischen Hoffen und Verzweiflung schwankender Romeo durch nächtliche Straßen hastet. Die schneidende Leadgitarre wird gedoppelt von Bläsern, die im Gesamtsound nur zu erahnen sind, aber die Wirkung dennoch verschärfen. Auf der B-Seite „No Solution“. Auch hier korrespondiert die Musik mit der Botschaft auf’s Schärfste. „There’s no solution, no I don’t see one.” Und dann ganz leise geflüstert: “I’m waiting for the revolution to come”, als ob der Sänger sich davor fürchtet, sie anzusprechen. Dies hier ist die Originalpressung der Single (ein späteres Re-Issue hat lediglich ein zweifarbiges Cover in schwarz/grün). Über den Wert kann ich nichts Genaues sagen. Aber rar ist sie, und ganz billig dürfte sie auch nicht sein.

Dolly Mixture – Everything And More / You And Me On The Sea Shore (Respond Records, 1982)

Eine der besten Girl Pop Singles aller Zeiten! Dolly Mixture waren drei Mädels aus Cambridge, die um 1978 begannen gemeinsam Musik zu machen. Ganz im Do-It-Yourself Spirit des Punk und mit den Sixties Girl Groups The Shangri-Las oder The Shirelles als Vorbild. Aber auch The Undertones (deren Musik die Mädels liebten) und The Damned (mit denen sie sich anfreundeten) dienten als Vorbilder. John Peel unterstütze die drei nach Kräften. Und Paul Weller nahm sie für sein eigenes Label Respond unter Vertrag. Dies hier ist ihre zweite Single für das Label und ihr absolutes Meisterstück. Produziert von Captain Sensible und Paul Grey (von The Damned) ist vor allem die A-Seite eine wundervoll locker, beschwingte, Sixties Pop inspirierte und unerhört bezaubernde Angelegenheit. Makellos und federleicht! Die Songs schrieben die drei Frauen selbst. Und selbst die im Vergleich fast experimentell zu nennende rein instrumentale B-Seite der Single ist noch immer eine ausgesprochen gelungene stimmige Sache. „Everything And More“ indes legt man auf – und man drückt die Repeat-Taste bzw. man setzt die Nadel immer wieder an den Anfang. Dieser Track macht süchtig! Rachel Bor, die hier Gitarre und Cello spielt und natürlich singt, und Captain Sensible haben drei gemeinsame Kinder, sind aber nicht verheiratet. Debsey Wykes, die hier Bass und Piano spielt und natürlich singt, schloss sich in den 90er Jahren der Gruppe St.Etienne an und gründete mit Paul Kelly (von St.Etienne) Ende der 90er die Gruppe Birdie. Hester Smith spielt hier Schlagzeug und Timpani und singt natürlich. Was sie inzwischen macht, ist nicht bekannt. Alle Platten von Dolly Mixture sind relativ selten und gesucht. Da macht diese hier, obgleich sie die wohl erfolgreichste war, keine Ausnahme. 30-40 Euro muss man schon anlegen, vermute ich.

The Smiths – Heaven Knows I’m Miserable Now / Suffer Little Children (Rough Trade, 1984)

Es gibt Leute, die halten The Smiths für die beste und wichtigste Band der Achtziger. Und Morrissey ist für sie quasi Gott. Oder zumindest ein fast gottgleiches Wesen in Bezug auf seine musikalischen und lyrischen Qualitäten. Ich gehöre definitiv nicht zu diesen Leuten. Aber ich muss zugeben, diese Band ist schon etwas Besonderes. Dabei ist ihre Musik zunächst an mir vorbei gegangen. Ich habe The Smiths lange Zeit mehr oder weniger ignoriert. Ich weiß nicht warum. Es geschah nicht mal absichtlich. Ich besitze bis heute längst nicht alle ihre Platten. Selbst bei den Singles habe ich Lücken, die es noch aufzufüllen gilt. Und dabei mag ich alles was ich kenne von der Band eigentlich ganz gern. Sogar Morrisseys Solo Platten finde ich inzwischen ganz passabel. Die ich kenne zumindest. Das hier ist jedenfalls ganz wunderbarer Gitarrenpop. Eine großartige Melodie, sehr feine Gitarrenparts. Morrisseys Gesang passt ganz vorzüglich zu dem etwas larmoyanten Text, mit dem der Sänger seinen Weltschmerz, sein Leiden an der Oberflächlichkeit seiner Umgebung, kund tut. Morrissey ist Moralist. Und das ist auch gut so. Manchmal kann so etwas ganz schön anstrengend sein. Dass in seinen Songs auch eine gewisse Ironie oder gar Zynismus enthalten ist, wie manche behaupten, vermag ich nicht zu sehen bzw. zu hören. Auch die B-Seite der Single ist nicht weniger als großartig. Morrissey verarbeitet hier die Geschichte von Kindermorden, die in seiner eigenen Kindheit einen starken Eindruck auf ihn machten. Verständlicherweise muss man sagen. Der Song löste damals eine heftige Kontroverse in der britischen Öffentlichkeit aus. Näheres dazu kann man bei Wikipedia nachlesen. Diese Single war eine der erfolgreichsten Singles der Smiths. Und sie ist dementsprechend nicht sehr selten oder teuer. 8-10 Euro für ein ladenneues Exemplar muss man aber schon ausgeben.

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