Re: Mikkos 7" Faves

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mikko
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The Slickee Boys – Here To Stay / Porcelain Butter Kitten (Dacoit Records, 1981)

Über The Slickee Boys las ich das erste Mal in Gorilla Beat, dem Fanzine meines guten Freundes Hans-Jürgen Klitsch. Gegründet wurde die Band von Kim Kane und Marshall Keith in Washington (D.C.) ca. 1975. In der lokalen und regionalen Punk Szene erreichten The Slickee Boys einen gewissen Kultstatus wegen ihrer Kostüme und ihrer Liveshow. Kim Kane hatte als Sohn eines Armeeangehörigen und einer Koreanerin mehrere Jahre in Korea gelebt und war von der dortigen Kultur fasziniert. So fanden fernöstliche Elemente vor allem in die Bühnenshow und die grafische Präsentation der Band Eingang. Und auch der Bandname ist wohl von einer koreanischen Street Gang entlehnt. Die Musik der Band war nie wirklich Punk. Viel mehr waren sie stark von den Sixties beeinflusst, und ihre ersten drei EPs auf ihren eigenen Limp und Dacoit Labels boten noch vor allem Coverversionen von u.a. „Let’s Live For Today“ (The Rokes), „Psycho Daisies“ (The Yardbirds), „Glendora“ (Downliners Sect). Auf ihrer ersten EP sang noch Martha Hull, die die Band aber bald darauf verließ. Für sie kam Mark Noone als Leadsänger und Gitarrist dazu, der dann auch als Songwriter den Stil der Band stark mitprägte. „Here To Stay“, geschrieben von Mark Noone, war die zweite echte Single der Slickee Boys und ihre beste. Getrieben von Bass und Schlagzeug und den für den Spätsiebziger Power Pop typischen kurzen Achteln auf der Rhythmusgitarre entwickelt der Song ein unglaubliche Dynamik. Ohne echten Refrain entwickelt die Nummer dennoch einen fast hymnischen Charakter, der von den singenden und sägenden Gitarrenparts vortrefflich befördert wird. Eine klassische Power Pop Single eben. Die B-Seite bietet einen eher an Sixties Garage Pop orientierten New Wave Song aus der Feder von Kim Kane und Marshall Keith. Ich war seit 1978 Mitglied im Slickee Boys Fan Club und erfuhr so natürlich von ihren Veröffentlichungen und Aktivitäten. Generell waren ihre EPs und Singles aber damals kaum zu bekommen in Deutschland. Bekannter wurden sie erst, als Line Records eine LP Compilation ihrer Aufnahmen veröffentlichte, die übrigens das Cover dieser Single hier übernahm. Die Band kam Mitte der Achtziger auch nach Europa für einige Shows. Ihren einzigen Gig in Berlin verpasste ich damals leider, weil ich zu der Zeit in Finnland weilte. Diese Single hier ist wie alle frühen Platten der Band nur in kleiner Auflage erschienen und relativ selten. Extrem teuer ist sie aber wohl nicht, wenn sie denn mal auftaucht. So 15-20 Euro, schätze ich.

The Church – Unguarded Moment / She Never Said (Carrere, 1981)

Etwa zur gleichen Zeit gab es überall auf der Welt erste Anzeichen eines heimlichen Sixties Revivals. Im UK waren es The Barracudas, The Times, Mood Six u.a. in Österreich The Vogue, in den USA Bands wie The Slickee Boys und The Droogs und dann die Paisley Pop Szene in Kalifornien, die ihre Inspiration aus Nuggets, Pebbles sowie echten Artefakten des Golden Age of Pop Music bezogen. Und in Australien waren es u.a. The Church. Übrigens war das damals längst nicht so einfach mitzubekommen wie heute, dass es eine neue Band, eine neue tolle Platte, eine weitere Underground Entdeckung gibt. Die etablierten Musikzeitungen (zumindest in Deutschland) erwähnten viele dieser neuen Bands erst mal gar nicht. Im Rundfunk fanden sie höchstens mal bei John Peel oder ein, zwei weiteren engagierten DJs statt. Internet gab’s noch nicht. Man war also auf persönliche Kontakte und einschlägige Fanzines angewiesen. Aber zurück zu The Church. Ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr, wann und wo ich diese Single das erste Mal hörte. Ich weiß aber noch, dass ich völlig von den Socken war. Das ist der perfekte Pop Song im perfekten Power Pop Arrangement! Was bei den Slickee Boys und „Here To Stay“ im Vergleich eher roh und ungestüm – wenn auch mitreissend und packend – daherkommt, klingt hier absolut erhaben und sensationell perfekt! Der Unterschied ist der zwischen Rohdiamant und Feinschliff. Ich glaube, ich habe die Single damals nach dem Kauf mindestens 20 oder 30 mal hintereinander gehört. Und auch jetzt, da ich sie wieder und wieder höre, hat sie nicht das Geringste an Faszination und Schönheit eingebüßt. The Church waren in ihrer Heimat wohl schon relativ erfolgreich, als man sich bei Polygram in Europa entschloss, der Band auch hier eine Chance zu geben. Zahlreiche Singles und LPs hat die Band um Steve Kilbey und Marty Willson-Piper bis heute veröffentlicht. Ihre erfolgreichste Single war „Under The Milky Way“ (1988), aber ihre beste ist und bleibt diese hier. Sie erschien hier übrigens erst 1982. Die B-Seite ist ein sehr typische Neo-Sixties Garage Psych Nummer. Manche heutige so genannte Garage Band wäre glücklich über so einen Track als A-Seite. Die Single ist wohl nicht besonders selten und teuer. Ich denke, für rund 10 Euro sollte sie zu finden sein.

Virna Lindt – Attention Stockholm / Episode 1 (The Compact Organisation, 1981)

In gewisser Weise ist auch diese Single ein Produkt des damaligen Sixties Revivals. Agentenmusik wie aus den frühen Bond Filmen, dazu heftige Tremolo Effekte auf der Gitarre, eine kühle Blonde, die auch auf dem Titelbild der Vogue anno 1968 wunderbar gepasst hätte. Virna Lindt stammt aus Stockholm. Sie spielt hier elektrisches Piano und noch andere Keyboards und Synthesizer. Und sie singt natürlich und am Ende der A-Seite spricht sie sogar Schwedisch. Die Musik und das Arrangement stammen allerdings von Tot Taylor, dem Mastermind hinter der Compact Organisation. Der Mann versuchte mit dem Label, seinen Künstlern und seinen Veröffentlichungen seine distinguierte Vorstellung der Sixties zwischen Cocktail Bar, Motown und Agenten Thriller zu verwirklichen. Alles möglichst in Schwarz / Weiß. Was das geheimnisvolle Agenten Image und das Cocktail Bar Flair betrifft, ist mit dieser Debütsingle ein echter Coup gelungen. Sehr stylish, sehr eindrucksvoll und bis ins letzte Detail perfekt. Und die Melodie hat dazu sogar noch Ohrwurm Charakter. Was will man mehr? Die B-Seite ist eher eine verspielte instrumentale Übung in Filmmusik für den Hintergrund. Auch diese Single dürfte nicht so schwer zu finden sein. Mit 8-12 Euro ist man dabei.

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