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The Jam – That’s Entertainment / Down In The Tube Station at Midnight (live Version) (Metronome, 1980)
Paul Weller und The Jam haben eine ganze Reihe hervorragender Singles veröffentlicht. Die eine oder andere werde ich hier sicher noch vorstellen. Aber die beste von allen ist meiner Ansicht nach diese hier, die seinerzeit nur in Deutschland erschien. Der Song als solcher ist schon absolut großartig. So viel Abgeklärtheit und Weisheit liegt in diesen Lyrics eines gerade mal 22-jährigen. Das mag jetzt etwas pathetisch klingen, aber ich war und bin immer noch sehr beeindruckt und irgendwie mitgenommen von diesem Song. Aber auch die Interpretation, das Arrangement tragen viel zur Wirkung auf mich – und womöglich viele andere – bei. Diese Leichtigkeit der akustischen Gitarre, die den ganzen Track durchläuft. Die geniale tragende Basslinie, die clever gesetzten Snare Beats, Wellers wunderbar gefühlvoller Gesang, auch die Backing Vocals. Und dann natürlich der kleine Gimmick eines rückwärts laufenden Tapes, wahrscheinlich mit einer E-Gitarre. Die Singles von Paul Weller und The Jam waren für die Generation der um 1980 Jugendlichen mindestens so wichtig wie die von The Who, The Kinks oder The Rolling Stones für die Generation davor. Die enorm dynamische kraftvolle Live Version von „Down At The Tube Station At Midnight“ auf der B-Seite dieser Single legt davon beredt Zeugnis ab. Die vorliegende Single ist nicht sehr selten und sollte für 8-10 Euro zu bekommen sein.
Direct Hits – Modesty Blaise / Sunny Honey Girl (Whaam!, 1982)
Ein weiteres Kleinod, das auf dem legendären und kurzlebigen Whaam! Label erschien. Whaam! Records wurde von Dan Treacy gegründet, der sich allerdings wenig um Vertrieb und Werbung scherte. Das Logo des Labels war ein Ausschnitt aus einem Gemälde von Roy Liechtenstein. Aber es war letztlich nicht der Pop Art Künstler, der Treacy verklagte, sondern die Popgruppe Wham, die Namensrechte geltend machte, obwohl Treacy eigentlich der erste war, der den Begriff im musikalischen Kontext benutze. Ihr wisst, wie solche Verfahren ausgehen. Die teureren Anwälte setzen sich durch. Dan Treacy nannte sein nächstes Label Dreamworld. Er hatte Glück, dass es den US Medienkonzern da noch nicht gab. Und als dieser auf den Plan trat, war Treacy wohl schon im Regelvollzug. Aber das ist eine andere Geschichte. Die Direct Hits waren eine ganz famose Neo-Mod und Power Pop Band aus Großbritannien. Ein Trio, das nach dieser Single noch eine LP auf Whaam! und weitere EPs und Singles bei verschiedenen Labels veröffentlichte. „Modesty Blaise“ handelt von der aus dem gleichnamigen Comic und Film – hoffentlich – bekannten Agentin im Dienste der gerechten Sache (wobei sie selbst im Zweifel bestimmte, was gerecht ist). Eine faszinierende und auch ein bisschen geheimnisvolle Figur, natürlich auch eine sehr schöne Frau. Der Song über sie fängt das alles ganz wunderbar ein. Ein klassischer Modbeat Track, geführt von einem prägnanten Basslauf. Die Melodie steigt immer wieder wie in einem Kanon auf, kulminiert in einem Pete Townshend evozierenden Gitarrenbreak, um schließlich wieder zum Ausgangspunkt abzusteigen. Perfekt! Der wundervolle mehrstimmige Gesang unterstützt den tollen Gesamteindruck auf das Schönste. Auch die B-Seite ist überdurchschnittlich gut. Spontan denkt man an Paul Weller und The Jam. Aber der Song ist doch viel stärker noch im Sixties Mod Pop verwurzelt. Die rhythmischen Breaks und vor allem der leicht psychedelische Mittelteil rufen mir zumindest den Summer Of Love wieder herbei. Die A-Seite der Single ist letztlich aber um Längen besser. Perfekt eben! Wie alle Singles des Whaam! Labels ist auch diese selten und teuer.
Nick Nicely – Hilly Fields 1892 / 49 Cigars (EMI, 1982)
Wenn ich mich recht erinnere, war diese Single eine Empfehlung von Ehres, dem langjährigen Vinyl Verkäufer, Berater und guten Geist bei Zip Records in Berlin (den Laden gibt es schon seit Ende der 80er nicht mehr). Ehres ist heute ein Kollege von mir und ein guter Freund. Als ich die Single zum ersten Mal hörte, traute ich meinen Ohren nicht. Das sollte aktuell 1982 sein? – Nie und nimmer! Das ist doch Syd Barrett, Kaleidoscope (die englischen), Hole-In-My-Shoe-Traffic, „I’m The Walrus“ und alles, was sonst noch im Swinging London des Jahres 1967 neu und exaltiert war. Es ist einfach die perfekte Psych Pop Single! Erst wenn man genau hinhört, bemerkt man, dass da eine Rhythmusmaschine den Takt vorgibt. Und der eine oder andere Synthesizer neuerer Bauart kommt wohl auch zum Einsatz. Dennoch, es ist eine herrlich überspannte und in sich absolut stimmige Klangcollage mit rückwärts laufenden Tapeloops, verzerrten Stimmen, die plötzlich wie aus dem Hut gezaubert auftauchen und wieder verschwinden. Klanghölzchen, Geigen, Bratschen, ja sogar auch mal eine Gitarre kommen zum Einsatz. Natürlich gibt es eine sehr schöne durchaus Ohrwurm taugliche Melodie. Der Text ist eher geheimnisvoll, und im Grunde ist es auch egal, was ein gewisser C.G. Fields 1892 in den Hügeln angestellt hat. Schöner als dieser Track ist nur wenig Vergleichbares. Die B-Seite ist von genau dem gleichen Kaliber. Ich kann mich gar nicht entscheiden, welcher Track der stimmigere ist. „49 Cigars“ ist vielleicht sogar etwas zugänglicher mit seinem fast bis zum Ende durchlaufenden Groove. Heavy Flanging auf einem bis zur Unkenntlichkeit verzerrten Gitarrenriff. Unglaublich! Für die Tanzfläche ist dieser Track auf jeden Fall der geeignetere. Bekifft hebt man völlig ab bei dieser Musik. Aber auch ohne chemisch-biologische Hilfsmittel kann man dabei auf einen Trip geraten. Nick Nicely, der Schöpfer dieses Meisterwerks, ist ein eher unscheinbarer Eigenbrötler und Tüftler aus Südengland. Er hat das alles ganz alleine eingespielt und gemixt, bei sich zuhause. Dieses ist seine zweite von zwei Singles. Die erste ist noch etwas rudimentär und stärker am Elektropop jener Zeit orientiert. Vor ein paar Jahren erschien ein Album mit allem, was der Mann bislang aufgenommen hat. Aber diese Single, die dort auch enthalten ist, bleibt die Krönung seines recht übersichtlichen Gesamtwerks. Sie ist ziemlich selten und vermutlich auch nicht gerade preiswert zu haben.
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Twang-Bang-Wah-Wah-Zoing! - Die nächste Guitars Galore Rundfunk Übertragung ist am Donnerstag, 19. September 2019 von 20-21 Uhr auf der Berliner UKW Frequenz 91,0 Mhz, im Berliner Kabel 92,6 Mhz oder als Livestream über www.alex-berlin.de mit neuen Schallplatten und Konzert Tipps! - Die nächste Guitars Galore Sendung auf radio stone.fm ist am Dienstag, 17. September 2019 von 20 - 21 Uhr mit US Garage & Psychedelic Sounds der Sixties!