Re: Mikkos 7" Faves

#3431123  | PERMALINK

mikko
Moderator
Moderator / Juontaja

Registriert seit: 15.02.2004

Beiträge: 34,399

The Ones – Lady Greengrass / Love Of Mine (Star Club, 1967)

Das hier ist wohl die schönste, die beste psychedelische Beat Single aus Deutschland. Die Band aus Berlin hat ihre Lektion des „Summer of Love“ sehr sehr schnell gelernt. „Lady Greengrass“ ist britischen oder amerikanischen Popsike Singles des Jahres 1967 absolut ebenbürtig. Verträumt, verspielt mit den passenden Effekten auf Gitarren und Gesang. Ein leichter Sommer Song über eine Lady, die alles das tut, was der unbedarfte Beatfan von einem Hippie Mädchen erwartet. „She lifts her dress and floats to dreamland… she lets her hair hang down, as the weeds go around… pop, the trees turn tangerine! The sky is suddenly green! Her eyes reveal her state of mind, she’s beginning to fly!” Bloß gut, dass die Verantwortlichen des öffentlich rechtlichen Rundfunks den Text gar nicht verstanden haben. Genützt hat es allerdings nicht. Die Single ging vollkommen unter. Heute ist sie eine der rarsten und gesuchtesten aus Deutschland. Unter anderem auch deshalb, weil der Gitarrist der Band, Edgar Froese, schon im folgenden Jahr selbst tangerine turnte, Tangerine Dream. Die B-Seite ist eine eher der Mod Kultur nahestehende R&B Nummer. Auch sehr gut und weit über dem Durchschnitt dessen, was sonst in Deutschland möglich und üblich war. Es blieb die einzige Veröffentlichung der Band, die übrigens im zweiten Halbjahr 1967 als Hausband auf dem Anwesen Salvador Dalis in Spanien engagiert war. Das Cover Foto der Single entstand vor dem Schloss Charlottenburg. Den Slogan „Music for Hippies“ hat wohl die Plattenfirma ausgesucht. Ich selbst kannte damals weder die Band noch die Single. Erst im Zuge meiner Forschungen zur deutschen Beat Musik stieß ich so um 1976 auf The Ones. Die Single ist wie gesagt eine der rarsten und leider auch teuersten des Genres und der Zeit. Man muss schon einen dreistelligen Betrag kalkulieren.

The Syn – Flowerman / 14th Hour Technicolour Dream (Deram, 1967)

Eigentlich war “14th Hour Technicolour Dream” die heimliche A-Seite. In Deutschland erschien die Single mit einem anderen „blumigeren“ Pic Sleeve. Das hier ist eine französische Single. Eine Rarität schon für sich genommen, denn meist erschienen in den Sixties in Frankreich nur EPs mit vier Tracks. The Syn waren eine der vielen tollen jungen innovativen Beat Bands, die im Zuge der musikalischen Entwicklungen – nicht zuletzt durch die Veröffentlichung von Revolver der Beatles ausgelöst – in Swinging London wöchentlich neu ins Radio oder in die Clubs kamen. „Flowerman“ ist eine noch relativ konventionelle Beatnummer. Sehr poppig, mit einem gewissen Mitschunkel Charakter. Aber bereits mit ein paar neuen Soundeffekten. Das Thema ist im Sommer von Flower Power logisch, oder? Der zweite Song ist eine Hommage an ein Festival, ein Event, das im Frühjahr 1967 in London stattfand. Und es ist eindeutig der viel schönere und psychedelischere Track. Klasse Gitarrensounds, fetter treibender Bass, tolle Dynamik und diverse Breaks und rhythmische Finessen. Dazu eine wunderschöne Melodie mit überragenden Vokalharmonien, die den Beach Boys alle Ehre gemacht hätten. Im UK erschien noch eine weitere Single der Band. Ein Hit war wohl keine der beiden. Kennen gelernt habe ich The Syn erst in den frühen 80ern durch das damals einsetzende weltweite Sixties Revival. Die Band hat sich vor zwei Jahren in London weitgehend in Originalbesetzung reformiert und tritt gelegentlich in England auf. Es gibt wohl auch neue Aufnahmen sowie eine Compilation mit ihrem Gesamtwerk. Ob sich das lohnt, kann ich nicht beurteilen. Diese oder die deutsche Single kosten mit Sicherheit inzwischen einen dreistelligen Betrag.

Tomorrow – Revolution / Three Jolly Little Dwarfs (Odeon, 1967)

Und es gibt noch eine Steigerung. Mühelos sogar! Das ist eine meiner Top Singles des Jahres 1967! In der Rückschau jedenfalls. Tomorrow waren eine der live angesagtesten und hippesten Bands im Summer of Love in London. Ihre Bühnenshow muss phantastisch gewesen sein, traut man den Augen- und Ohrenzeugen Berichten in einschlägigen Fan- und Sammlermagazinen. Nun, wenn ich mir ihre Tondokumente – gerade auch die Live Aufnahmen, die es gibt – anhöre, will ich das gerne glauben. Zur Band gehörten John „Twink“ Alder (drums), John „Junior“ Wood (bass), Steve Howe (guitar) und Keith West (vocals). Sie kamen allesamt aus der britischen Beat und R&B Szene und hatten z.T. bereits in anderen Bands gespielt. „Revolution“ war ihre zweite Single. Ihre erste „My White Bicycle“ war ein kleiner Hit, vor allem durch häufiges Airplay der Pirate Radios. Schon die erste Single war klasse! Unbekümmerter britischer PsychPop. Aber „Revolution“ ist ihr Meisterstück! Eine richtige kleine Psych Pop Oper! D.h. der Begriff „Oper“ trifft es nicht wirklich. Es ist wie ein Theaterstück in mehreren Akten – in drei Minuten und 48 Sekunden. Die Revolution, die da gefordert wird, ist in erster Linie eine kulturelle. Und sie wird bei der Aufnahme bereits verwirklicht. Der Track beginnt mit heftigem Phasing auf verzerrtem Sprechgesang. Break. Revolution Now! Break. Vorwärts stürmende Pop Melodie. Break. Zwischenspiel mit Geigen und Bläsern. Break. Revolution Now! Und rückwärts das Ganze. Die Produktion, das Arrangement sind phantastisch! Was die Beatles bei Sergeant Pepper oft allzu überspannt bis bräsig gestalteten, das wird hier zu wahrhaft subversiv anarchistischer Revolution geführt. Revolution Now! Im wahrsten Sinne des Wortes! Die Aufnahme hat Drive, Dynamik, Power und zeugt von unbändiger Kreativität! Ein Jammer, dass die Öffentlichkeit so wenig Notiz nahm. Aber die Karriere von Tomorrow wurde überschattet von Keith Wests Solo Erfolg, der mit „Excerpt From A Teenage Opera“ einen Riesenhit hatte im Sommer 1967. Und als sich die EMI endlich entschloss, die längst fertige LP zu veröffentlichen, war die Karawane der Blumenkinder bereits weiter gezogen und die Band quasi aufgelöst. Steve Howe wurde später Gitarrist von Yes. Twink trommelte u.a. bei den Pink Fairies. Und Keith West versuchte noch ein bisschen, seine Solo Karriere voranzutreiben. Die B-Seite der Single „Three Jolly Little Dwarfs“ könnte übrigens ohne weiteres ein Syd Barrett Song sein. Text und Melodie tragen überdeutlich seine Handschrift. Ich stieß auf Tomorrow und diese Single so Mitte der 70er Jahre auf einer der ersten Berliner Plattenbörsen. Heute ist das hier auch ein dreistellige Euro Angelegenheit.

--

Twang-Bang-Wah-Wah-Zoing! - Die nächste Guitars Galore Rundfunk Übertragung ist am Donnerstag, 19. September 2019 von 20-21 Uhr auf der Berliner UKW Frequenz 91,0 Mhz, im Berliner Kabel 92,6 Mhz oder als Livestream über www.alex-berlin.de mit neuen Schallplatten und Konzert Tipps! - Die nächste Guitars Galore Sendung auf radio stone.fm ist am Dienstag, 17. September 2019 von 20 - 21 Uhr mit US Garage & Psychedelic Sounds der Sixties!