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Sonics Rendezvous Band – City Slang (mono) / City Slang (stereo) (Orchidé Records, 1978)
Auch zu dieser Single kam ich über zeitliche Umwege. Als Christoph Ellinghaus Anfang der 90er vom Organisieren der Tourneen für Sub Pop Bands die Nase voll hatte, beschloss er, mit dem verdienten bzw. gesparten Geld ein eigenes Label zu Gründen. Bei der Suche nach einem Labelnamen fiel ihm eine legendäre aber weitgehend auch unbekannte Single ein, deren Verursacher Fred „Sonic“ Smith schon lange zu seinen Helden zählte. Und so nannte Christoph sein Label City Slang. Als ich von der Geschichte kurz darauf erfuhr, weckte das meine Neugier. Wenn jemand wie Christoph, dessen Arbeit und Musikverständnis ich schon damals durchaus schätzte, sein Label nach einer Single benennt, dann muss ich die hören. Das Auftreiben der Original 7“ hat allerdings ein paar Jahre gedauert. Ich hab’ sie schließlich bei einem Punk und Power Pop Fan gegen eine handvoll anderer seltener Singles eingetauscht, von denen ich zumindest eine inzwischen wieder händeringend suche. So ist das Leben. „City Slang“ ist ein ganz formidabler Rocksong, der ein sonderbares Eigenleben entwickelt, wenn man ihn ein paar Mal gehört hat. Unvermutet hat man die ungewöhnliche Melodie, die eigentlich ohne echte Strophe/Refrain Abfolge auskommt, den treibenden, rastlosen Rhythmus plötzlich an der Supermarktkasse im Kopf. Oder nachts auf einsamer Landstraße im Auto. Ganz zu Anfang und dann wieder nach dem Break in der Mitte der fünfminütigen Aufnahme markiert ein erdiger Bass jeden zweiten Beat, bildet ein monotones und doch unverwechselbares Riff. Die Gitarren zerren und dengeln gnadenlos. Bis an die Schmerzgrenze. Grandios! Eine der besten Rock Singles, die ich kenne. Aufgenommen bei einer Session 1976 blieb sie die einzige offizielle Veröffentlichung der Band auf eigenem Label in einer auf 1000 Stück limitierten und nummerierten Auflage. Die Sonic’s Rendezvous Band entstand nach dem Auseinanderbrechen der MC5 um 1975/6 aus deren Asche sozusagen. Mit dabei war übrigens auch der Drummer der Stooges Scott Asheton. Eine Detroit Super Group also. Die Band ist heute Vorbild für unzählige Rock Combos der härteren urwüchsigen Sorte. Die schwedischen Hellacopters haben den Song im Repertoire und sogar eine sehr am Original orientierte Tributsingle veröffentlicht. 1976 spielte die Sonic’s Rendezvous Band in Detroit im Vorprogramm der Patti Smith Group. Zwei Jahre später waren Fred und Patti ein Paar. Die 80er verbrachten sie mit der Erziehung ihrer gemeinsamen Kinder, und sie traten kaum in der Öffentlichkeit auf. Fred starb leider viel zu früh am 5. November 1994.
Die originale Single ist kaum zu finden und wenn man sie denn findet, nicht ganz billig. Es gibt aber inzwischen zwei postume LPs der Sonic’s Rendezvous Band.
The Seers – Lightning Strikes / Graveyard Of Love (Rough Trade, 1988)
Ich glaube diese Band und die Aufnahme hier sind immer ein Geheimtipp geblieben. Leider hab’ ich The Seers nie live gesehen. Sie sollen eine unglaublich dynamische, aufregende und energiesprühende Bühnenpräsenz gehabt haben. Vergleichbar vielleicht Social Distortion, The Flaming Sideburns oder Melrose. Aber die letzten beiden Bands kennt ja auch kaum jemand. The Seers sind Engländer. Ursprünglich eine Punk Band, die sich aber durch das Garage und Psychedelic Revival in den 80er Jahren mehr in diese Richtung entwickelt hat. Ihre zweite Single war denn auch ein Cover des Titels „Magic Potion“ von The Open Mind. Die erste und beste Single der Seers ist das hier. „Lightning Strikes“ ist eine Ausnahmenummer. Hier stimmt alles. Tolle Melodie, tolles Gitarrenriff, ein charismatischer Sänger mit einer herrlich klagenden Stimme. Die Produktion ist typisch für den Garagenrock der späten 80er. Drums relativ präsent und hart. Neben schweren Gitarren Clustern sorgen Keyboard Flächen hier und da für Sounddichte. Aber nie driftet das ins Seichte oder Süßliche wie etwa bei U2 oder später den Manic Street Preachers. Melodieführung und Gesang haben – dem Song angemessen – etwas trotzig Tragisches. Es geht hier nämlich um den authentischen Fall eines Kriegsveteranen, der zum Amokschützen wird. Die Single wurde von der BBC seinerzeit nicht gespielt, weil man Gewaltverherrlichung vermutete. Offenbar hat dort niemand das Werk wirklich angehört. Die B-Seite „Graveyard Of Love“ ist ein zeittypischer Garage Pop Song. Hübsch, aber längst nicht so aufregend wie die A-Seite. The Seers veröffentlichten neben zwei, drei weiteren Singles eine LP bevor sie sich Anfang der 90er mangels Erfolgs auflösten. Diese Single kam nur als 12“ in den Handel. 7“45 Exemplare gibt es nur ohne Pic Sleeve als Promos. Die 12“ taucht zwar nicht oft auf, ist aber auch nicht sehr teuer.
The Von Bondies – C’mon C’mon / Love Is Like A Drug (Sire Records, 2003)
Eigentlich mochte ich diese Band nicht so recht. Ihre Live Gigs in Berlin, deren Augen- und Ohrenzeuge ich war, fand ich unbefriedigend. Die Band arrogant, schlecht gelaunt und lustlos. Der Sound laut, breiig und eher nervtötend als betörend. Als ich dann diese Single das erste Mal hörte, war ich völlig geplättet. Das sollte dieselbe Band sein? Nun, um es kurz zu machen, die Single ist wohl eine Ausnahmeerscheinung, ein Glücksfall. Eine sehr gelungene, zeitgemäße, also aktuelle Garage Pop Nummer. Klasse Dynamik. Diese kleine Bassfigur, die den Track einleitet, ist wunderbar. Wenn Jason dann anfängt zu singen, legt er gleich alle Inbrunst alles Verlangen in seine Stimme. Eigentlich gibt es ja nur diese rausgeschrieene eine Strophe. Refrain? Nix da. Ich liebe diese vor Energie und Lebensfreude strotzende kleine Punk Hymne. Nach kaum mehr als zwei Minuten ist sie auch schon vorbei. So müssen Garage Punk Singles sein. Die B-Seite „Love Is Like A Drug“ ist dann typischer moderner Garage Rock, wie er von vielen Bands gespielt wird. The Von Bondies kommen übrigens aus Detroit. Die Band besteht aus zwei Frauen und zwei Männern. Sie entstammen wohl der gleichen Szene wie The Detroit Cobras und The White Stripes. Sofern man da von einer Szene sprechen kann. Die 7“45 ist bereits nicht mehr so leicht zu bekommen.
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Twang-Bang-Wah-Wah-Zoing! - Die nächste Guitars Galore Rundfunk Übertragung ist am Donnerstag, 19. September 2019 von 20-21 Uhr auf der Berliner UKW Frequenz 91,0 Mhz, im Berliner Kabel 92,6 Mhz oder als Livestream über www.alex-berlin.de mit neuen Schallplatten und Konzert Tipps! - Die nächste Guitars Galore Sendung auf radio stone.fm ist am Dienstag, 17. September 2019 von 20 - 21 Uhr mit US Garage & Psychedelic Sounds der Sixties!