Re: Mikkos 7" Faves

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mikko
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Moderator / Juontaja

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Curved Air – Back Street Luv / Everdance (Warner Bros., 1971)

Der Sommer 71 ist in meiner Erinnerung lang und heiß. Und er ist ausgesprochen hippiesk. Meine Haare waren nie vorher und nie wieder später so lang. Ein rotblonder etwas verwilderter Bart zierte mein Gesicht, und meine Kleidung bestand aus abgeschnittenen Jeans, Batikhemden und Jesuslatschen oder Clogs. Diese Single passt wunderbar dazu. Curved Air, die Band um die schöne Sonja Kristina und den Geiger Francis Monkman, entstand im Jahr zuvor und ist vielen Plattensammlern vor allem wegen der Picture Disc ihres ersten Albums „Airconditioning“ ein Begriff. Picture Discs waren damals noch etwas seltenes und besonderes. Die Musik schöpft aus Folk und Pop Traditionen gleichermaßen und gibt sich verspielt psychedelisch. Ein früher Synthesizer spielt bei Back Street Luv eine tragende Rolle, ohne zu dominieren oder unangenehm aufzufallen. Eine leichte beschwingte aber auch nonchalante Aufnahme ist das, bei der man einen trägen dösigen Sommernachmittag förmlich spüren kann. Die Rückseite ist etwas flotter und wird neben Sonjas bezaubernder Stimme von Monkmans Violine dominiert. Zumindest diese Single würde ich nicht unbedingt als Progrock bezeichnen. Die Alben der Band können jedoch diesem Genre zugeordnet werden. Back Street Luv war der einzige Single Hit von Curved Air. Die ersten drei Alben sind nicht nur für Progfans empfehlenswert. Trotz enormen Aufwands der Plattenfirma, schaffte die Band nie den großen Durchbruch und ist heute weitgehend vergessen. Schade eigentlich. Die Single dürfte nicht so schwer zu bekommen sein. Ob sie allerdings günstig zu haben ist, weiß ich nicht. Meine hab ich 1971 gekauft.

The Flamin’ Groovies – You Tore Me Down / Him Or Me (What’s It Gonna Be?) (Bomp Records, 1974)

Aus Gründen, die mir selbst nicht ganz erklärlich sind, habe ich die Flamin’ Groovies erst kennen gelernt, als sie zum zweiten Mal in England waren und kurioserweise im Zuge von Punk und New Wave zu kurzem aber nachhaltigem Ruhm gelangten. Heute zähle ich die Band zu meinen Lieblingsbands aller Zeiten. Wie es scheint waren sie fast immer zur falschen Zeit am falschen Ort. Auch diese Single hier macht da keine Ausnahme. Erschienen als erste Veröffentlichung auf Greg Shaws Bomp Label, das damals noch das „Who Put The“ von Gregs legendärem Fanzine Who Put The Bomb ganz klein im Logo hatte, fiel dieses kleine Meisterwerk des Folk-Rock-Power-Pop in eine Zeit, da Glitter und Glam auf der einen und bombastischer Stadionrock auf der anderen Seite die Popmusik dominierten. Noch immer fährt ein Kribbeln durch meinen ganzen Körper, wenn ich diese Aufnahme höre. Zuerst hörte ich sie wie gesagt irgendwann so um 1977/78. Die Single selbst habe ich sogar noch später gekauft. „You Tore Me Down“ ist wirklich ein Meisterwerk. Eine wunderschöne Melodie, perfekte Harmonien, jangelnde Gitarren, unterfüttert mit kraftvollen Drums, die sich jedoch nie in den Vordergrund drängen. Was bleibt dem betrogenen, verlassenen Liebhaber? – Ein Trost spendender melancholisch trotziger Song! Die Flipside ist ein relativ originalgetreues Cover des 1967er Hits „Him Or Me“ von Paul Revere & The Raiders. Ein Spur spröder, punkiger als das Original vielleicht. Ebenfalls gut, aber bei Weitem nicht so herausragend wie die A-Seite. Teuer ist diese Single nicht, aber auch nicht so leicht zu finden.

Kursaal Flyers – Little Does She Know / Drinking Socially (CBS, 1976)

Noch so eine Band, die eigentlich nie wirklich den ehrlich verdienten Erfolg ernten konnte. Die Kursaal Flyers gehörten zur britischen Pubrock Szene der mittleren 70er Jahre. Und straighten, schnörkellosen Pubrock spielten sie auch meistens. Diese Single hier ist da eine Ausnahme. Absolut over the top! In jeder Beziehung. „Hilarious!“, würden meine amerikanischen Freunde sagen. Ich weiß nicht, wie ich das am besten übersetzen kann. Die A-Seite – und um die geht’s hier natürlich – ist vollkommen überproduziert. Ganz bewusst so bombastisch wie möglich. Mit sich immer weiter steigernden Orchester Crescendi, Hallelujah Chören und Feuerwerk zum Ende hin, um dann mit einem gediegenen kleinen Streichquartett zu enden. Im Song geht es um eine etwas verquere Beziehung zu einer jungen Dame, die es offenbar schätzt, mit mehreren Herren zur gleichen Zeit – also nicht gleichzeitig – zu verkehren. Ihr versteht? Und dann spielt da noch ein Bikini, den der Protagonist in Rom für die Dame kaufte, eine tragende – äh nein, eine fallende – Rolle. Ich liebe diese Aufnahme. Sie ist so wunderbar grotesk. Auf der Rückseite singen die Herren in bewährter Pubrock Manier von ihrer anderen Lieblingsbeschäftigung. Der Drummer der Band Will Birch wird noch in anderen Zusammenhängen hier eine Rolle spielen. Die Single sollte relativ leicht und preiswert zu haben sein.

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