Re: Coldplay/Ashcroft -Hamburg

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Hannoversche Allgemeine ZeitungDas gelbe Gefühl

Immer schön langsam: In Hamburg startete Coldplay seine Deutschlandtournee

Von Mathias Begalke
Der 25. August 2001 muss ein großer Tag gewesen sein für Coldplay. Die Band war der letzte Schrei unter den jungen traurigen englischen Gruppen und durfte im Vorprogramm von U2 bei deren Konzert am Slane Castle in der Nähe Dublins auftreten. „This is not a rebell song“, kündigte der junge, traurig wirkende Sänger Chris Martin den 80 000 U2-Fans den bis dahin größten Coldplay-Hit, die Regenballade „Yellow“, an. Die gleichen Worte, mit denen U2-Sänger Bono Vox früher mal den Protestsong „Sunday Bloody Sunday“ einleitete, verewigt auf der legendären Liveaufnahme „Under a blood red sky“.
Vielleicht haben sich die Musiker von Coldplay damals geschworen, eine Stadionrockband wie U2 zu werden und nur noch Songs wie deren mächtiges „One“ zu schreiben. Auf den Parkplatz eines Stadions haben sie es inzwischen geschafft. Dort, auf dem „Parkplatz Weiß“ genau vor der Hamburger AOL-Arena, starteten Chris Martin, Will Champion (Schlagzeug), Guy Berryman (Bass) und Jonny Buckland (Gitarre) am Mittwoch vor 10 000 Coldplay-Fans ihre Deutschlandtournee.
Auch wenn sich der Sänger für „Make trade fair“, „Make poverty history“, „Stop handgun violence“ und all die anderen guten Dinge einsetzt, als wär’ er Bonos kleiner Bruder: „Yellow“ ist nicht rebellisch, und Coldplay ist keine rebellische Band. Wie auch, wenn sie ihr drittes Album nach den Chromosomen „X&Y“ benennt. Das dritte U2-Album hieß immerhin „War“. Die drei bisher erschienenen Alben „Parachutes“ (2000), „A rush of blood to the head“ (2002) und „X&Y“ (2005) sind voll von schönen bis großartigen Popsongs über den Lauf der Dinge. Coldplay macht überhaupt nur schöne bis großartige Popmusik.
Doch beim Konzert scheinen diese vielen Herzen nicht in einem Körper zu schlagen, alte Hits wie „Everything is not lost“, „The Scientist“, „Clocks“, „In my place“ und die neuen „Speed of sound“, „White shadow“, „Fix you“: Es ist ein Rätsel, wieso die Band auf der Bühne so wenig daraus macht. Das mag daran liegen, dass die Gefühlslage bei Coldplay immer irgendwie „Yellow“ ist. Songs in einem sanften Gelb, abgespielt höchstens in Mondgeschwindigkeit.
Chris Martin markiert zwar den Stadionrocker, aber der Sänger scheint nicht schwitzen zu können. Er ist ständig „so süß“, und das ist nicht etwa die Aussage eines Caprisonne trinkenden Coldplay-Groupies, sondern eines männlichen Konzertbesuchers mit Freundin im Arm auf Parkplatz Weiß. Da stimmt doch etwas nicht.
Eigentlich muss jeder männliche Konzertbesucher doch Angst haben, dass der Sänger der angesagten Band ihm seine Freundin abschleppt. Vor dem süßen Chris, der Yoga macht, in Interviews viele mitklatschbare Sätze sagt wie „Je mehr ich über die Dinge nachdenke, um so weniger verstehe ich irgendetwas“ und der zusammen mit der Hollywood-Schauspielerin Gwyneth Paltrow eine wahrscheinlich süße Tochter namens Apple hat, muss sich niemand fürchten. Noch nicht einmal die Paparazzi.
Es wird wenig geschwitzt beim Coldplay-Konzert in Hamburg, nicht auf der Bühne und auch nicht davor. Ein bisschen ärgerlich sind einige darüber, dass die Band bereits nach 15 Songs aufhört und die alten Hits „Don’t panic“, „Shiver“ und „Trouble“ einfach weglässt. Das ist kein Stadionstandard. Noch ist Coldplay eine Parkplatzband. Für die Arena sind die Engländer noch zu schmächtig.
Weitere Konzerte: Köln – Fühlinger See (17. Juni), Berlin Wuhlheide (19. Juni), München – Coubertinplatz (9. Juli).

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