Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Eine Frage des Stils › Blue Note – das Jazzforum › Handpicked Treasures Of Jazz › Re: Handpicked Treasures Of Jazz
Ein Text von captain kidd
Album #21
Branford Marsalis Quartet – Eternal
(Marsalis Music/Rounder)
Branford Marsalis – Saxophones
Joey Calderazzo – Piano
Eric Revis – Bass
Jeff „Tain“ Watts – Drums
Recorded October 7-10, 2003 at Tarrytwon Music Hall, Tarrytown, NY.
1. The Ruby and the Pearl
2. Reika’s loss
3. Gloomy Sunday
4. The lonely Swan
5. Dinner for one please, James
6. Muldoon
7. Eternal
Ziel dieses Threads ist es ja nicht unbedingt, (vermeintliche) Klassiker des Jazz darzustellen. Vielmehr sollen persönliche Geschichten, persönliche Wege durch den Jazzdschungel anhand von ausgewählten Alben skizziert werden. So hab ich es wenigstens verstanden. Nun bin ich gerade beim Jazz ein Liebhaber der Klassiker. Jazz, das findet für mich eigentlich nur zwischen den Jahren 1920 und 1960 statt. Spätere Sachen (der Fusion Kram der 70er, M-Base und das Traditionalisten Revival in den 80ern und der neue Elektrojazz Unfug) haben mich nie besonders Interessiert. Bis ich die Platte „Requiem“ vom Branford Marsalis Quartet hörte. Aufregende, traurige (Pianist Kenny Kirkland verstarb während der Aufnahmen), romantische, aufwühlende Musik war das. Traditionell und doch irgendwie auch modern. Technisch brillant (kann ich natürlich nicht wirklich beurteilen) und immer mit Seele (kann ich sicherlich für mich beurteilen). Und war diese 1999er Platte schon gut, sind die neuen Aufnahmen vielleicht noch eindringlicher.
Dabei weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll. Denn eigentlich ist zwar Branford der Starsolist; aber vor allem der Pianist Joey Calderazzo stiehlt im so manche Show. Schert sich in seinen stillen und stilvollen Soli nicht um Taktgrenzen, baut subtil Verweise auf andere Stücke ein und klingt einfach himmlisch. Man höre ihn nur im letzten Stück, dieses an eine Spieluhr gemahnende Tupfen. Ein Traum. Natürlich begeistern auch die anderen Musiker. Den ansonsten hart rockenden Jeff „Tain“ Watts hat man selten so verspielt, so sorgsam zart gehört. Und auch Bassist Eric Revis spielt songdienliche, anmutig groovende Basslinien, was zusammen ein traumwandlerisches Rhythmusfundament ergibt, auf welchem sich Branford graziös und voller Gefühl bewegen kann.
Für mich herausragend auf diesem Balladenalbum dabei drei Stücke. Der Opener, der Klassiker und der Schlusspunkt. Ersteres Stück, lose zwischen Bossa und Bolero pendelnd, fließt mit ruhigem Feuer und setzt einen starken Startpunkt. Vor allem Branfords Sopranspiel verzaubert. Aber eben auch Calderazzo. Wie er z.B. beinahe aus dem Nichts auf einen alten Schlager verweist und sanft mit seinen Tasten „I love you, I love you, I love you“ ausflüstert (3.40). Wunderschön. Den Klassiker „Gloomy sunday“ spielen die Musiker langsam, zerdehnt, mit immer neuen Einfällen und ziehen das Stück damit aus dem Klischeesumpf. In Kraft und Lyrik nur mit Billie Holidays Version zu vergleichen. Der Abschlusstrack bildet dann vielleicht den höchsten Höhepunkt des Albums. Nach einem sehr ruhigen, an Garbarek gemahnenden Anfang steigern sich die Musiker zuhörends. Zuerst kaum merklich, dann immer intensiver bis schließlich sogar Watts einen ‚richtigen’ Beat auftischt (11.50). Lange währt diese Euphorie jedoch nicht. Wenig später hält die Traurigkeit wieder Einzug. Immer wieder spielt Marsalis Phrasen, die das Ende bedeuten könnten. Doch er macht weiter. Hoffnung? Aber nahe an der Verzweiflung. An der absoluten Traurigkeit. Doch mit dem reinen Klang seines Saxophones bietet Marsalis halt immer auch eine Hoffnung an. Eine ewige Hoffung.
Keine Ahnung, ob mich dieses Album auch noch in Jahren begeistern wird. Aber im Moment ist für einige Tränen, einige Schauer und einige Schmunzler gut. Was will man mehr. Nichts ist ja für die Ewigkeit. Außer vielleicht dies eine Coltrane Solo…
(captain kidd)
--
Hey man, why don't we make a tune... just playin' the melody, not play the solos...