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Album #14
Bennie Wallace – Sweeping Through The City
Enja 4078
rec. März 1984, New York
Bennie Wallace (ts)
Ray Anderson (tb)
John Scofield (g)
Mike Richmond (bass) / Dennis Irwin (bass)
Tom Whaley (dr)
Pat Conley (p)
The Wings Of Song (voc) = Pat Conley / Maybelle Porter / Cora Hill / Frances Jenkins
Eight Page Bible
On Radio 5
Trouble And Woe
Someone Might Think We're Dancing
Refrain
The Bread Man
Sweeping Through The City
(all titles by Bennie Wallace)
Bennie Wallace (ts) – geb. 1946 – hat es nie ganz geschafft in den Jazz-Olymp zu gelangen. An sich ist er auch „nur“ einer von vielen exzellenten Coltrane-Jüngern, die es zu jeder Zeit auf der Welt gibt. Und das wäre er für mich auch geblieben, hätte er nicht Anfang der 80er mit 2 Alben etwas ganz Besonderes probiert. Das ganz Besondere steht in Zusammenhang mit seiner Herkunft aus Tennessee. 1985 nahm er auf Blue Note das Album Twilight Time auf, unterstützt von z.B. Dr. John und Stevie Ray Vaughn. Und 1 Jahr zuvor auf Enja das Album Sweeping Through The City. Überhaupt war Bennie Wallace Anfang der 80er Kritikers Liebling und wurde häufig in einer Reihe mit Dolphy, Hawkins oder Webster gesehen.
An sich ist Sweeping Through The City, auf dem ausschliesslich Eigenkompositionen sind, keine Standards, ein ganz normales Bebop-Album. Aber zugegebenermaßen eines auf dem der Tenorsaxophonist ungeheuer dynamisch, kraftvoll und bissig auftritt – so wie es eben seine Art ist. Aber auf 2 Titeln kommen auf einmal die Wings Of Song hinzu!. Bevor mir diese ein Begriff waren, kannte ich Mr. Wallace nur von (vor 20 Jahren) „Bennie Wallace plays Monk“ und stolperte in ein Jazz-Festival hinein und erwartete mir auch …. plays Monk. So ähnlich gings auch die ersten 15 Minuten los. Aber auf einmal kamen völlig unerwartet 4 dunkelhäutige Damen aus dem Hintergrund. Alle in weiss gekleidet mit roten Lackschuhen, und jeweils gut 120kg Körpergewicht – mindestens – auf die Bühne bringend. Und sangen Gospel zu Bebop ! Hä ? Es funktionierte ! Hybride Musik vom Allerfeinsten. ! Happening-Atmosphäre !
In der Retrospektive war dies aber leider nur ein einmaliges Projekt. Warum weiss ich nicht. Bedauerlich bedauerlich. Auf dem Album sind auch nur 2 Tracks mit den Wings Of Song, nämlich „Trouble And Woe“ und der Titelsong „Sweeping Through The City“. Ansonsten ist oft Ray Anderson ziemlich raumeinnehmend, was mir durchaus gefällt und in gleicher Weise John Scofield mit seiner klinisch-sterilen Gitarre, was mir weniger gefällt. Ich hätte mir so sehr gewünscht, Bennie Wallace hätte mit diesen Ideen der Verbindung der Südstaaten mit Bebop weitergemacht. War wohl nichts. Warum auch immer. Kommt mir irgendwie vor, als hätte er seinen Marathonlauf Ende der 80er nach 10 km mit Seitenstechen beendet. Aber auf den ersten 10 km hinterließ er einen „bestechenden“ Eindruck. In den 90ern hörte man wenig von Bennie Wallace – er widmete sich in dieser Periode wohl hauptsächlich Filmmusiken. Seit 4 Jahren (2000) wiederum kein Lebenszeichen. Schade. Hintergründe sind mir unbekannt.
In Sternen ausgedrückt kommt das Album bei mir „nur“ auf 4 Sterne. Die Abwertung von 5 Sternen runter liegt nur an der Gitarre von Scofield, die auf mich seit jeher zu kopfgesteuert wirkt.
Aber allein wegen den 2 Stücken, die Gospel mit Bebop verbinden, ist das Album berechtigt in die Handpicked-Kategorie aufgenommen zu werden. Kenne niemand, der das sonst gemacht / gewagt hat.
Nachtrag: Obwohl der letzte Treasure Curtis Fuller (tb) war und nach den Slickaphonics hier Ray Anderson (tb) schon zum zweitenmal auftaucht, bin ich kein Posaunenfetischist. Ist Zufall.
(Ach ja: direkt gekauft beim Festival Jazz Ost West in Nürnberg am 7.7.84 – 18 DM)
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