Re: Pearl Jam -"S/t"

#2700375  | PERMALINK

justin-cognito

Registriert seit: 31.10.2002

Beiträge: 1,212

Und nun zu etwas völlig anderem….naja eigentlich nicht: Review von Plattentests.de

Die Ohrläppchen schnarren vorfreudig, das rechte Trommelfell nimmt noch hastig einen Schluck aus der Pulle, das linke zieht ein letztes Mal hastig an der dritten Kippe in Folge. Alle zittern aufgeregt. Denn der große Moment naht – die erste Begegnung mit dem heiß ersehnten, selbstbetitelten neuen Studio-Album von Pearl Jam, dem ersten seit „Riot act“ vor vier Jahren und dem Labelwechsel zu J Records. Es ist ein wenig wie die Wiederbegegnung mit der alten großen Liebe, zu der über einige Zeit der Kontakt in leisen Dämmerschlummer gefallen war. Haben die dazwischen liegenden Jahre sie verändert? Hat sie spannende Neuigkeiten mitgebracht? Knistert und kribbelt es noch? Erwartungsvolles Stirnkräuseln. Optisch verblüfft zunächst, daß ausgerechnet die Frucht exponiert auf schlichtem blau das Cover ziert, mit der Alf einst Raquel Ochmonek dazu trieb, sich mit selbstmodellierten Kartoffelbrei-Skulpturen ihrer Außerirdischenvision in Talkshows lächerlich zu machen: eine Avocado. Mit saftigem Fruchtfleisch und festem Kern. Vielleicht nicht oder auch gerade das, womit man in Anbetracht der immer wieder originellen Artworkgestaltung des Quintetts aus Seattle gerechnet hatte. Und musikalisch?

Gleich zu Beginn geben sie ordentlich Hackengas, fetzen uns rauhe Riffs entgegen, In „Life wasted“ radiert der Wechsel aus dampfgetriebenem Sturmlauf und verblüffenden Breaks schwungvoll den letzten Hauch von Schlafkrümelchen aus den Augenwinkeln. Mit der Single „World wide suicide“ legen sie gleich einen veritablen, straighten Rocker nach, bei dem Eddie so stark wie lange nicht mehr die Verbindung aus gepreßtem Keifen oder Fauchen und weit geschwungenen Melodiebögen seines Samtbaritons gelingt. Generell rappelt es wieder weit stärker im Karton auf „Pearl Jam“. Mit dem knapp-knackigen „Comatose“ rotzen sie gleich noch einen weiteren Riffrock-Brocken vor unsere Füße, mit „Severed hand“ packen sie ein Porch-Gedächtnis-Riff in neue Kleider, ergehen sich in vergnügten Selbstzitaten und ratschen sich in „Marker in the sand“ an „Whole lotta love“ das Knie auf.

Mit „Parachutes“ torkelt dann eine vordergründig zuckersüße Ballade mit warm glitzernden Wurlitzerklängen und hauchzarten Orgelschwaden ins Rampenlicht, die verschmitzt seltsame rhythmische Schlenker macht, mit einem herrlichen Refrain verzaubert und sogar einen leisen Hauch von Sirtaki versprüht. In „Unemployment“ packen sie nach vertrackt groovender Strophe einen poppigen Oh-oh-ooh-ooh-Refrain aus der Wundertüte, wirbeln mit „Big wave“ mit Vollgas über der Schotterpiste wolkenweise Staub auf, turnen durch halsbrecherische Breaks, kommen in Fledermausland von der Straße ab und bremsen scharf vor „Gone“, einer weiteren großen Rockballade, in der sich die Erinnerungen an „Off he goes“ und „Daughter“ zärtlich umschmusen.

Nachdem sie sich in der vorderen Hälfte ordentlichst ausgetobt haben, lassen sie es im letzten Drittel ruhig angehen. Zunächst schwelgt eine schüchterne Pumporgel in „Wasted reprise“ in Erinnerungen an den Opener. Im Hintergrund glitzert eine Spiegelkugel. Dann hüpft „Army reserve“ als Wolf im Schafspelz mit überraschend poppigem Gewand und fast schon U2-Gitarren durchs Schlaraffenland, ehe es die Krallen ausfährt, sich die Verkleidung vom Leib reißt und zwischenzeitlich sogar orientalische Skalen streift. Mit „Come back“ liefern Eddie & Co. dann abermals ein Bravourstück in punkto große Rockballade ab. Gemütlich groovende, angeblueste Strophen mit wehmütig wimmernden Gitarren und Weite atmenden Melodiebögen steigern sich exzessiv bis zum großen Breitwandgitarrensolo alter Schule. „Inside hob“ macht dann den siebenminütigen Kehraus, fegt mit sanftem Besenstrich den vorher aufgewirbelten Dreck zusammen und schließt zu sphärischen Streicherklängen am Ende die Tür zu. Hoffen wir: nur für diese Platte. Denn auch wenn Pearl Jam sich stärker als zuvor in Selbstzitaten und Anspielungen ergehen, so viel ungestüme Frische hätte man ihnen fast nicht mehr zugetraut. Sie beschränken sich aufs Wesentliche, auf ihre guten, alten Stärken. Zwar braucht die Platte ein wenig, ehe sich die vertraute Wärme wieder einstellt, aber dann ist man mit jedem Mal froher, ihr begegnet zu sein. Schön, Dich wiederzusehen

———————–

Also auch wenn ich wohl nie verstehen werden warum Reviewer Worte erfinden und vergleiche herbeiziehen bei dem einem schlecht wird…irgendwie trifft das schon zu.
Quintessenz: Subba Pladde!

--