Re: Electric Light Orchestra (ELO) – Jeff Lynne

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pelo_ponnes

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Morgan/Tandy – Earthrise(84/86) (91/2 CD Prestige Records)

Das Electric Light Orchestra hatte neben Jeff Lynne eine Reihe erstklassiger Musiker in seinen Reihen. Da Jeff Lynne das ELO als sein Projekt betrachtete und sicher immer genügend neue Ideen hatte, war wenig Raum für kreativen Input der anderen. Insbesondere konnten sie über ELO keine eigenen Songideen verwirklichen. Als ELO immer weniger tourten, nutzten deshalb viele der Musiker die Zeit für Sideline-Projekte. Sie hatten alle ihre eigenen Plattenverträge mit Jet Records etc. „Earthrise“ war ein Projekt, das schon lange im Raum gestanden hatte, aber erst in den Achtzigern realisiert werden konnte.

Richard Tandy/Dave Morgan – Earthrise

1. Allgemeine Albuminformationen

Studios: Vorwiegend Ridge Farm, Sussex, dazu kamen R.G. Jones, LOndon/Chipping Norton, Oxfordshire/Sarm East, London/Grimm Doo West, Birmingham
Komponist: Dave Morgan
Produzenten: Steve Lipson, Tandy, Morgan, Jon Miller (Princeton)

2. Vorgeschichte

Dave Morgan und Richard Tandy stammten beide aus der Birmingham-Szene der Sechziger und kannten sich schon lange vor ELO. In den Sechzigern hatten sie zusammen in Bands gespielt (zum Beispiel The Chantelles) und bewegten sich beide im Umfeld der Move. Tandy half dort gelegentlich aus, Dave Morgan betätigte sich vorübergehend gar als Songschreiber für die Birmingham-Supergroup.

Auch Jeff Lynne kannte Dave Morgan schon lange. In den Sechzigern spielten die beiden kurzfristig zusammen in den Chantelles, außerdem gehörten beide der sogenannten Homerecording-Gang an. Sie besaßen alle B&O-Rekorder und spielten sich ihre neuesten Kompositionen vor.

Mit ELOs Erfolg gingen die Wege etwas auseinander, wobei aber Richard Tandy immer den Kontakt zu Kumpel Dave hielt (der in den Siebzigern als Folksänger unterwegs war, aber auch in der Hardrockgruppe Magnum, und er schrieb für Wishful Thinking den Hit Hiroshima) und sogar für ihn produzierte. Und sie hatten auch Pläne für gemeinsame Projekte, sobald sich die Zeit dafür ergab.

Bekannte Songs von Dave Morgan mit The Move und Wishful Thinking
http://www.youtube.com/watch?v=RtiiJzgwqC4 (nicht von Looking On)
http://www.youtube.com/watch?v=fkBZxDZPJM0
http://www.youtube.com/watch?v=W2rHUbH-qOQ

3. Musiker und Mitwirkende
Das Album war im Wesentlichen eine Kollaboration von Richard Tandy und Dave Morgan.
Richard Tandy: Keyboards, Bass Guitar, Guitar
Dave Morgan: Keyboards, Vocoder, Guitar

Im Laufe der Sessions haben aber auch immer wieder Gastmusiker kleinere Beiträge geliefert, bei denen es sich oft um Freunde und alte Weggefährten handelte:
Haydon James (Jim) Simpson: Schlagzeug und Gitarre
(spielte später mit Tandy zusammen in der Trevor Burton Band)
Bob Wilson: Gitarre
Graham Preskett: Keyboards und Streicherarrangement
David Bellinger: Keyboards
Tony Clarkin: Gitarre (Ria)
Richard Bailey (Ex-Magnum; Whitesnake): Keyboards und Gitarre (Princeton)
Mike Giles: Schlagzeug (Princeton)
Brian Badhams: Bassgitarre (Princeton)
Kevin Peek: Gitarre (Princeton)
Shirley Miller: Gesang (Princeton);
Carl Wayne (vormals The Move): Gesang (als Gastmusiker)(Princeton)
Der spätere Mitstreiter in der Tandy Morgan Band, Martin Smith, wirkte wohl auch auf einem Track mit.

4. Albumentstehung und Aufnahmetechnik

Die grundsätzliche Idee für das Album stammte bereits aus der Phase der allgemeinen Mondbegeisterung rund um die Apollo-Missionen. Auslöser war laut David-Scott Morgan ein Foto in einer Zeitschrift , das vom Luna Expedition Module LEM aus aufgenommen worden war und den Erdaufgang zeigte (Möglicherweise das berühmte Foto von 1968). Morgan ging es wie den meisten Zeitgenossen, die von dieser völlig anderen Sicht auf den Blauen Planeten in höchstem Maße fasziniert waren. Der Musiker versetzte sich in die Situation eines Astronauten, spürte sowohl die Einsamkeit als auch Euphorie und verarbeitete all diese Gefühle in einem ersten Songzyklus, den er als Demo auf seinem alten B&O-Rekorder festhielt. Zu diesem Zeitpunkt hatte Dave bereits die Hälfte des Materials zusammen, welches später im Rahmen von „Earthrise“ das Licht der Welt erblicken sollte. In den späteren Siebzigern nahm der Songschreiber einige der Songideen erneut auf, diesmal auf einem 4-Spur- Teac-Rekorder im front room des Hauses von Sheila Tandy in Yardley. Als er Richard Tandy die Songkollektion eines Tages vorspielte, war jener sehr angetan und drängte fortan auf die gemeinsame Realisierung des Projekts. Zu diesem Zeitpunkt hatte Morgan allerdings noch nicht einmal einen Plattenvertrag, und durch ELOs Aktivitäten fehlte Tandy zunächst die Zeit, um mit seinem Kumpel an seinem Projekt zu arbeiten. Erst nach der Time-Tour 1982, an der auch Dave beteiligt war, kam es zu Studiosessions. Das Album wurde hauptsächlich in England in den Ridge Farm Studios im ländlichen Sussex aufgenommen. Da ELO 1983 nicht tourten, konnte im Sommer 1983 intensiver weitergearbeitet werden. Tandy war nicht bei allen Sessions anwesend, spielte aber als Ideengeber und für die Arrangements stets eine wichtige Rolle. Ende 1983 konnten die Aufnahmen fertiggestellt werden. Bereits 1982 war es auf Initiative von ELOs Keyboarder gelungen, einen Plattenvertrag an Land zu ziehen. Über eine Freundin waren die Demos in LA in die Hände des britischen Unternehmers Brian Leahy gelangt, der die Geschicke von Tandy und Morgan in die Hand nahm.

Obwohl das Gros der Aufnahmen in einem Top-Studio eingespielt wurde, bildeten die 4-Spurdemoaufnahmen von Morgan bei einer ganzen Reihe von Songs die Basis, indem sie auf eine 24-Spurmaschine zur Weiterarbeit aufgespielt wurden. Eigentlich wollte man alles komplett neu einspielen, doch es gelang oftmals nicht, das besondere „feel“ der Demos im Studio erneut nachzustellen. Viel ARbeit wurde im großen Studio aber noch auf die Gesangsparts gelegt: Die vielstimmigen Harmonien schichtete Dave Morgan abgesehen von den Gastbeiträgen ganz alleine mit seiner Stimme auf.

Nachdem es zeitweilig so aussah, als ob das Album auf einem Major Label erscheinen würde, kam es dann letztlich doch nur auf kleinen Labels heraus, zunächst in den USA (1984?) und dann auf FM Records 1986 in England. Im Juni 1992 folgte eine CD-Wiederveröffentlichung mit veränderter Titelreihenfolge (Prestige Records), danach wurde es sehr still um das Album, ehe im Frühjahr 2011 (siehe Extrakapitel)wie aus heiterem Himmel die Kunde von einer Special Edition im Fandom ankam.

5. Special Edition 2011

Ein Interview mit Rock Legacy, das letztlich den Stellenwert des Albums in manchen Kreisen hervorkehrte, gab letztlich den Anstoß dazu, das Projekt nochmals zu überarbeiten und in der bestmöglichen Form zu präsentieren. Es wurde bewusst neues Material hinzugefügt, dass damals schon für die Erstveröffentlichung vorgesehen war, aber dann weggelassen wurde. Insbesondere wurden die beiden Stücke Starclipse/Purpose und Wheels hinzugefügt, während Ria und Pictures In My Pillow aus dem eigentlichen Songzyklus herausgenommen, aber als Bonustracks (bei Ria allerdings als Semi-Instrumentalversion) angehängt wurden, weil David Scott-Morgan der Meinung war, dass sie nicht so gut in den Rahmen passten wie früher angenommen. Bei den „neuen“ Stücken wurden sogar noch einige Overdubs gemacht. Tony Kelsey spielt Gitarre auf Purpose.

6. Genre, Konzept und Klangbild

„Earthrise“ erscheint im Rückblick sowohl thematisch als auch musikalisch ein wenig wie ein naher Verwandter von ELOs „Time“. Dave Morgan hat zugegeben, dass Jeffs Herangehensweise ihn deutlich beeinflusst hat (andererseits kann man aber auch die Frage aufwerfen, inwiefern Lynne von Morgan zum „Time“-Konzept inspiriert wurde, zumal Morgan die ursprüngliche Idee schon in den Siebzigern hatte).

Ähnlich wie „Time“ waren die Songs von „Earthrise“ in ein futuristisches Gesamtkonzept eingebunden, das zudem in der ursprünglichen Form auch strukturell viele Parallelen aufwies. Im Mittelpunkt stand auch hier ein anonymer Held, der allerlei erlebt und sein Mädchen vermisst. Während der Schwerpunkt bei ELOs Werk aber auf einer Zeitreise liegt, geht es hier eher um die Reise durch das Weltall. Die Rahmenhandlung ist nicht so eng gesteckt, so dass es auch kein Problem darstellte, dass bei Wiederveröffentlichungen des Albums die Songreihenfolge verändert wurde.

In musikalischer Hinsicht nannte Dave Morgan damals als seine größten Einflüsse Beatles, ELO und The Police. Weiter gibt es Anklänge an Alan Parsons, Jean Michel Jarre oder Klaatu. Doch auch seine Vergangenheit als Folksänger fand zweifellos seinen Niederschlag, insbesondere im Gesangsstil und der Folkgrundierung einiger Songs zumindest. Der Oberbau des Albums allerdings wird durch eine ganze Palette von elektronischen Keyboards geprägt. Dabei kommen einerseits Synthesizer zum Einsatz, wie sie Tandy damals auch bei ELO benutzte, z. B. von Oberheim. Es gibt aber auch einige Modelle, die die beiden Musiker ganz spezifisch für dieses Projekt verwendeten, wie zum Beispiel ein kleines KORG Poly Six Keyboard mit seinen ganz spezifischen Klangfarben (entsprechend der Philosophie ‚Jeder Synthesizer steht für einen spezifischen Klang‘). Ein weitere Synthie, der eine wichtige Rolle spielte, war eine Korg Trident – Maschine. Vocoder und Synthesizer klingen manchmal noch dominanter als bei ELOs Time. „Earthrise“ klingt auch nicht ganz so entrückt und bombastisch. Das Klangbild ist voll, versprüht aber stellenweise durchaus noch den einfachen Charme der Heimaufnahmen von Dave, die am Anfang der Produktion standen. Auch Morgans Stimme hebt sich deutlich von der von Jeff Lynne ab und erklingt auch stärker im Vordergrund. So ergibt sich insgesamt doch ein durchweg eigenständiges Klangbild innerhalb des gesteckten Rahmens des futuristischen Synthiesounds der frühen Achtziger.

7. Songs und Soundbeispiele:

Die Titelreihenfolge 2011:

Spaceship Earth
Under The Blue/Asteroid
Starclipse/Purpose
Escape From The Citadel
One Thousand Worlds
Third Planet
Suddenly
Princeton
Wheels
Caesar Of The Galaxy
The Secret
Zero Zero
Pictures In My Pillow (Bonus)
Ria (Backing) (Bonus)
Starclipse (Outmix)

Bei den früheren Versionen gab es bei Princeton noch einen längeren Schlusspart mit Nachhall (1986), die gesungene Version von Ria und eine vocodergesungene Version von Caesar Of The Galaxy (1986).

http://www.youtube.com/watch?v=027eVO4reFA Spaceship Earth
http://www.youtube.com/watch?v=Kisf1yNx0Zw&feature=related Under The Blue -Asteroid
http://www.youtube.com/watch?v=0iDPQvOv3V8&feature=related Zero Zero
http://www.youtube.com/watch?v=1fdPSmcD7ss&feature=related Pictures In My Pillow

Und nicht auf diesem Album, aber auch klasse Tandy/Morgan :

Action (produziert von Jeff Lynne)
http://www.youtube.com/watch?v=GwYosR9HMn8
Berlin/This Is The Day
http://www.youtube.com/watch?v=EuO2HKOGCPs

7. Fazit

Als ein Fan einmal Richard Tandy das Album zum Signieren hinhielt, meinte letzterer in etwa, dass er erstaunt sei, das überhaupt jemand ein Exemplar des Werkes besitzt. Die Tatsache, dass das Album in den Achtzigern entgegen ursprünglicher Hoffnungen dann doch nur bei kleinen Plattenfirmen herauskam, hat bis dato verhindert, dass „Earthrise“ einen Stellenwert erlangen konnte, der seiner künstlerischen Leistung gerecht wird. Vor allem in Prog-Kreisen wird es allerdings schon seit längerer Zeit als kleiner Geheimtipp gehandelt. Aus Perspektive eines ELO-Fans ist es in jedem Falle eines der interessantesten Nebenprojekte. Bleibt zu hoffen, dass mit der Special Edition 2011 der Bekanntheitsgrad des Albums noch deutlich steigt.

8. Quellen

Die wichtigste Quelle ist die Ausgabe 12 des ELO-Fanzines „Face The Music“ aus dem Jahre 1992 (mit Interviews und kurzer Albumbesprechung). Weiter sehr informativ ist Dave Morgans Buch „Patterns In The Chaos“, welches über seine Homepage heruntergeladen werden kann. Hinzu kommen dann noch die aktuellen Interviews zur Special Edition 2011, wie sie zum Teil schon über die unten angegebene Website abrufbar sind, und der FTM Germany Newsletter 231 vom September 2011.

Internetpräsenz: http://www.earthrise-tm.com/

Updates:
06.08.09: Soundbeispiele ergänzt
04.08.11: Soundbeispiele ergänzt; Websiteaddresse hinzugefügt, weitere Ausführungen
07.08.11: Genre und Konzept ausgeführt, Quellenangaben
02.09.11: Albumentstehung beschrieben
15.10.11: Infos zur Special Edition und Fazit ergänzt

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