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Originally posted by songbird@11 Jan 2005, 12:07
Das können Kante aber besser.
… oder vielleicht doch Bernd Begemann :
Der Frankfurter würde über Frankfurt schimpfen – zu hässlich, zu schattig im Sommer. Der Münchener würde über München schimpfen – zu teuer, zu viele Türsteher. Aber ein Hamburger würde niemals jemals über Hamburg schimpfen. Purer kindlicher Stolz lässt uns gar nicht erst auf die Idee kommen, an unserer Hanse herumzukritteln. Und die Zugezogenen sind sogar fast noch ein bisschen stolzer als die Alteingesessenen. Worauf genau sind wir eigentlich so stolz? Oh, es ist schön, unser Hamburg, wird dann gerne angeführt, solch eine schöne Stadt. Also gut: WAS MACHT HAMBURG SO SCHÖN, UM HIMMELS WILLEN? Tja … Stille in der Runde. Doch dann trägt jeder leise und bestimmt vor, was für ihn zählt: der Regenbogen der Alsterfontäne. Auf Stelzen mit der U 3 am Hafenrand entlangfahren. Das diesige Zwielicht über der Elbe nach einem nebligen, sonnigen Tag. Das quietschlebendige Galao-Gewimmel, sobald es etwas wärmer wird. Wie eine elegante, geheimnisvolle Frau betrachten wir die Stadt verstohlen und erkennen unsere uneingestandenen Wünsche.
Zuerst war es bei mir der Glaube, dass diese Stadt mich GUT machen wird. Hey, die Stadt hat die BEATLES gut gemacht, immerhin! Bevor die Liverpooler herkamen, waren sie bloß eine Schülerband. Als sie mit der Stadt fertig waren, oder besser, nachdem die Stadt mit ihnen fertig war, hatten sie genug gelernt, um sich die Besten nennen zu dürfen. So was in der Art auch für mich, bitte.
Ein paar erfüllte Verheißungen und interessante Enttäuschungen später macht mir der Vergleich mit anderen Städten Folgendes klar: Im Gegensatz zu jedem größeren Ort Deutschlands besteht Hamburg nicht aus Fragmenten, sondern aus einem Stück. Schon mal vom Stephansplatz nach St. Pauli spaziert? Durch das eiserne Tor bei der Eisdiele, entlang eines Entenweihers? Rechts oben ein exotisches Gewächshaus, das uns für umsonst durch Wüsten und Dschungel führt. Weiter über die alten Wallanlagen, die Hamburg schützten, als es nirgendwo sonst in Europa Schutz gab. Dann rechts das Gefängnis, danach das Gericht – falsch herum angeordnet, hahaha, in umgekehrter Reihenfolge. Direkt gegenüber das Gegenteil von irdischem Zwist und kleinlichen Streitigkeiten, die Musikhalle. Wir passieren alles in einer diskreten Senke, bereit für die nächsten Sensationen: eine Eislaufbahn mit Pop aus den Lautsprechern, verwinkelte Holzbrücken, liebliche Picknick-Hügel.
Oh, und dann ist es schon vorbei. Ein Schnitt. Park-Ende. U-Bahn-Station St. Pauli. Wir haben die halbe Stadt durchwandert und es nicht gemerkt. Von hier aus könnten wir uns in jede beliebige Richtung wenden, Hamburg würde sich freundlich enthüllen, ohne Eile, ohne abrupte Unterbrechungen. Ich werde niemals fertig sein mit Hamburg.
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Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben und den Mund halten.