Re: Evan Dando

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sebsemilia

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Evan Dando – Indie-Pop-Gott in Heidelberg

Ich war viel zu früh dran, noch ein wenig in Thompsons ‚Rum Diary‘ gelesen und irgendwann ging es dann auch los. Die Vorband war ein Sänger mit Gitarre. E-gitarre. Nicht berauschend. Dando dagegen sah schon mal göttlich geil aus.

Der ‚Schwimmbad Musik Club‘ ist recht klein und sieht aus wie ein Relikt aus den ´80 Jahren. Es scheint ein gut geführtes Kulturhaus zu sein. Kino, Kneipe, Disco und live Musik unter einem Dach. 4 cl Wodka Red Bull für 5,50. Ungewöhnlich und gemütlicher als manche Cocktailbar die sich als Veranstaltungsort tarnt.
Nicht mehr als 150 Leute wollten Dando sehen. Unter dem Publikum waren ein paar Amerikaner, die in Deutschland stationiert sind, oder deren Väter, einige waren noch zu jung fürs Militär. Sie positionierten sich direkt vor dem Mikrofon in der ersten Reihe. Bei der Vorgruppe wurde ordentlich rumgegrölt. Verstanden hat man nicht viel, musste man aber auch nicht. Es ging in die Richtung Möpse, Saufen & Party. „They are only trying to have fuuun“ entschuldigte sich Dando für sie.

Er war alleine auf der Bühne, nur mit seine acoustic Gitarre, keine Band. In der nächsten Stunde spielte er alle großen Lieder der Lemonheads, wahrscheinlich hatten sie aber nur gute Songs. Eine klare Stimme hat er, immer noch. Die Drogen und Nächte ohne Schlaf merkt man ihr nicht an. Das Publikum war begeistert. In den ersten Reihen sah man viele strahlende Gesichter, glückliche Augen verfolgten jede Bewegung von Dando, offene Münder sangen jede Zeile mit. Die Zusammensetzung war ungewöhnlich. Viele ältere Menschen, nicht das typische Konzert Publikum. Es fehlten die trendy Kids die ich noch vor ein paar Tagen bei Adam Green und Mando Diao gesehen hatte. Wahrscheinlich waren ein paar der Erwachsenen einmal diese Kids, Anfang der ´90, als die Lemonheads in die Charts einstiegen. Es liegt sicher auch daran, das Dando nicht mehr sonderlich bekannt und angesagt ist, die letzten Jahre ist es eher ruhig um ihn geworden. Da bleiben die hippen Indie Kids Zuhause. Die „großen“ Lemonheads Jahre sind vorbei. Oder ist Heidelberg schon Provinz ?

Da kaum ein Song länger als drei Minuten brauchte und auf Anmerkungen, danke-sagen und Gespräche verzichtet wurde gab es eine gute Stunde Musik. Zu beginn „All my Life“ von seiner letzten solo Platte, danach alle Höhepunkt der späten Lemonheads, ‚It´s a shame about Ray‘ ‚If I can talk I tell you‘ ‚It´s about time‘ ‚The Outdoor Type‘. Natürlich kein ‚Mrs Robinson‘.

Am Ende wurde, lange nachdem das Licht schon wieder an war und die Musik bereits lief, geklatsch. Er kam aber nicht mehr, ist mit einem Zuschauer ‚aneinander‘ geraten. Auf dem Weg von der Bühne Richtung Backstageraum kam Dando einer der Amerikaner nachgelaufen. Nach dem ersten drittel des Konzertes sind sie nach hinten abgezogen. „Puuussy“ plappernd liefen sie an mir vorbei. Vor dem Raum hatte er Dando fast eingeholt und wollte ihm eine frage stellen, „Can I ask youu a question“. Vielleicht sollte es um Bush und den verdammten Krieg gehen, wer weiß. Dando drehte sich um, schubste ihn mit beiden Armen drei Meter nach hinten und knallt die Tür zu. Der ‚Frager‘ stand verduzt da, Dando riß die Tür wieder auf, schrie und warf sie wieder zu.

Das war es. Er kam nicht mehr raus. Es wurde noch eifrig geklatsch und gejohlt, aber es half nichts. Die Vorgruppe ging zum Mischermann. Musik an, Licht an. Es wird schnell abgebaut, viel war es nicht. Zwei Gitarren, ein Mikrofon und ein Mini-Verstärker.
Auf dem Weg zum Auto schaute ich mich um. Wo liegt der Backstageraum, und wo kommt man raus ? Ein Kombi stand vor dem Ausgang und als ich schon ein Stück gelaufen war, kam Dando aus der hohen Eisentür gelaufen. Das Auto wurde beladen, abfahrt.
23:22 Evan Dando has left the Building, keine 20 Minuten nach dem letzten Akkord.

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Look out kid You're gonna get hit