Re: Sonny Rollins

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Sonny Rollins Quintet Featuring Kenny Dorham (Prestige LP 186)
Kenny Dorham (t), Sonny Rollins (ts), Elmo Hope (p), Percy Heath (b), Art Blakey (d)
Hackensack, NJ, August 18, 1954

606 Movin‘ Out
607 Swingin‘ for Bumsy
608 Silk ’n Satin
609 Solid

Alle Titel auf:
Prestige LP186: „Sonny Rollins Quintet Featuring Kenny Dorham“
Prestige PR7958, (Jap)SMJ-6584, OJC 058, OJCCD058-2 [CD]: „Movin‘ Out“

607 auch auf: Esquire (E)EP198, Giants of Jazz CD53060 [CD]
609 auch auf: PR24004, Esquire (E)EP198, Bell (G)BLST6514, Giants of Jazz (It)CD53060 [CD]

Prestige (It)PRE4002-2 ist die zweite LP eines Sets Namens „Sonny Rollins – The Prestige Years, Vol. 2, 1954-1956“

Alle Titel auch auf: Prestige PR7433, P24096, (F)68.335, (Jap)SMJ-6584, (It)PRE4002-2, Esquire (E)20-080, 32-155, Barclay (F)84059, Bell (G)BJS40117, OJC 058, OJCCD-058-2 [CD], Prestige (Jap)SMJ-7439,
LPR-88024, VDJ-1666 [CD], VICJ-23608 [CD], VICJ-2036, Prestige 7PCD-4407-2 [CD]

Die Session vom 18. August 1954 zeigt Rollins in sehr guter Form, er bläst entfesselt, ein endloser Fluss von Ideen sprudelt aus seinem Saxophon im Titelstück, das auf den Changes von „Donna Lee“ (also genauer gesagt „Indiana“) beruht. Dorham folgt mit einem (beinahe) ebenbürtigen Solo und Elmo Hope zeigt, dass er eigene Klangvorstellungen pflegt, sein Solo passt aber sehr gut. Percy Heath und Art Blakey begleiten swingend und treiben die Band vorwärts. An Blakeys Sound fällt etwas auf: er klingt hier nämlich anders als sonst, und zwar weil er in dieser Session kein Hi-Hat zur Verfügung hatte. Die Geschichte dahinter weiss ich nicht mehr, möglich, dass sie in den Notes der Prestige-Box (die ich nicht mehr finden kann) oder den Liner Notes zum 12″ LP-Reissue „Movin‘ Out“ zu finden waren (wovon ich die OJCCD schon lange nicht mehr besitze).
Auch im zweiten Stück ist das thematische Material absolut sekundär, Rollins‘ 32-taktiges AABA-Stück „Swingin‘ for Bumsy“ besteht aus einer kurzen Phrase, einer Art call, der von Rollins jeweils mit improvisierten Phrasen auf acht Takte ergänzt wird, die Bridge ist von Rollins komplett improvisiert, Dorham ist hier zwar im call zu hören, aber eigentlich ist er auch hier auf sein Solo beschränkt, von einem Arrangement zu reden wäre hier übertrieben. Die Soli sind auch hier wieder toll, Hopes rumpelndes comping fällt besonders unter Dorham auf, Blakey rumpelt ganz schön, das fehlende Hi-Hat überspielt er recht geschickt mit dem Ride.
Mit „Silk ’n‘ Satin“ folgt eine wunderschöne Ballade, die fast allein Rollins gehört. Hopes Begleitung ist ökonomisch, sanft und dennoch recht speziell. Rollins gehört mit 24 jedenfalls bereits zu den ganz grossen Balladen-Künstlern! Nach einem kurzen Piano-Intermezzo legt Dorham Legato-Linien unter Rollins‘ letzte Takte.
„Solid“ ist dann zum Ende noch eine richtige, ausgearbeitete Komposition, wie alle vier Stücke von Rollins, mit einem head, der von ihm und KD gemeinsam gespielt wird und an Simplizität kaum zu übertreffen ist. Die zwölf-taktige Blues-Nummer variiert in der dritten Phrase (Takte 9-12) den Rhythmus ein wenig, es ist eine klassische Hardbop-Komposition, in der allerdings Blakey die typischen Hi-Hat Beats auf 2 und 4 eben nicht bringen kann… Rollins Solo ist relaxt, er scheint frei von jeglichen Hemnissen, kann jederzeit in jegliche Richtung lospreschen, was sein Spiel so völlig frisch und überraschend macht. Heaths Bass sticht in der Begleitung hervor, sein Sound ist wunderbar. Dorham steigt sehr stark in sein Solo ein, wirkt aber neben Rollins ein wenig fahrig und absehbar, bevor er sich nach ein paar Durchgängen fängt und stark endet. Hope folgt mit einem swingenden Solo. Blakey trommelt eine kurzes Solo und mit einem schönen Dialog von Rollins und Dorham geht diese gelungene Session zu Ende.

Die vier Stücke wurden, ergänzt von „More Than You Know“ von der nächsten Session, später auf dem bekannten 12″-Album „Movin‘ Out“ neu aufgelegt.

Die nächste Session fand Rollins wieder im Studio mit Monk – und diesmal unter einem wesentlich besseren Stern! Monks Anwesenheit war aber ungeplant – Rollins wollte erneut mit Hope am Piano aufnehmen, der wurde aber gemäss Robin D.G. Kelley (S. 180, weitere Angaben unten) wegen Drogenbesitz verhaftet. Die Veröffentlichung der Session ist so chaotisch wie bei einigen der oben besprochenen Aufnahmen. Nach der ursprünglichen 10″-LP wurden die Stücke getrennt, die ersten beiden erschienen auf einer LP unter Monks Namen, mit Rollins als Co-Leader, während die meisterhafte Ballade das Album „Moving Out“ vervollständigte.

Sonny Rollins and Thelonious Monk (Prestige LP 190)
Sonny Rollins (ts), Thelonious Monk (p), Tommy Potter (b), Art Taylor (d)
Hackensack, NJ,October 25, 1954

630 I Want to Be Happy
631 The Way You Look Tonight
632 More Than You Know

alle Titel auf:
Prestige LP190

630 auf:
Prestige LP7075, LP7169, PR7656, P24096, (Jap)SMJ-6627, LPJ-70019, (Du)PPR081, Esquire
(E)EP148, 20-050, 32-115, Barclay (F)BLP84080, Bellaphon (G)BJS40144, OJC 059, OJCCD-059-2 [CD]
Milestone M47064, (G)0081.130: „Thelonious Monk Memorial Album“ (2 LP Set)

631 auf:
Prestige LP7075, LP7169, PR7656, P24096, (Jap)SMJ-6627, LPJ-70019, (Du)PPR081, Esquire
(E)EP148, 20-050, 32-115, Barclay (F)BLP84080, Bellaphon (G)BJS40144, OJC 059, OJCCD-059-2 [CD], Prest PR24004, Bellaphon (G)BLST6514, Giants of Jazz (It)CD53060 [CD]

632 auf:
Prestige PR7058, PR7433, P24096, (Jap)SMJ-6584, Esquire (E)20-050, 32-155, Barclay (Jap)SMJ-6584, Esquire (E)20-050, 32-155, Barclay (F)BLP84059, Bellaphon (G)BJS40117, Prestige (It)HB6003, OJC 058, OJCCD-058-2 [CD], Prest (Jap)VICJ-2036 [CD], PRCD-5703-2 [CD]

Prestige LP7075, OJC 059, OJCCD059-2 [CD], (Jap)SMJ6627, LPJ-70019, alle: „Thelonious Monk/Sonny Rollins“

Prestige (Du)PPR081: „Thelonious Monk – Work“

Alle Titel auch auf: Prestige (F)68.335, 68.366/68, (It)PRE4002 („Sonny Rollins, The Prestige Years, Vol. 2“), Prestige (Jap)SMJ-7439, LPR-88024, VDJ-1666 [CD], VICJ-23608 [CD], VIJC-2052 [CD],
Prestige 7PCD-4407-2 [CD], Prestige 3PRCD-4428-2 [CD]: „Thelonious Monk – The Complete Prestige Recordings“

Robin D.G. Kelley schreibt in seinem Buch zu diesen drei Stücken folgendes:

It was a familiar gathering – veteran bassist Tommy Potter and Sonny’s pal from Sugar Hill, drummer Art Taylor – all musicians Monk liked and respected. The relaxed setting produced a real jam session atmosphere; they laid down three sides, all standards or pop tunes. Rollins, who had a penchant for old show tunes, first called Vincent Youmans‘ „I Want to Be Happy“ at a swinging tempo. Monk threw his reputed minimalism out the window and comped busily behind Rollins, which didn’t faze the saxophonist at all. They then followed with a rollicking revision of Jerome Kern’s chord changes, prompting Weinstock to retitle the song „The Way You Blow Tonight“. They closed the session with another old Broadway hit by Youmans, the romantic ballad „More Than You Know“ (1929). Nearly eleven minutes in length, it is the session’s masterpiece. Monk’s accompaniment is more about embellishing Rolins’s melodic statements than laying down a harmonic framework, producing a unique musical marriage that is at once stately and full or surprises.

~ Robin D.G. Kelley, Thelonious Monk: The Life and Times of an American Original, 2009, S. 180

Rollins‘ Ton klingt auf „I Want to Be Happy“ anfangs etwas verhangen. Das Stück beginnt mit einem kurzen Tenorsax/Drums-Dialog, bevor die ganze Rhythmusgruppe das Thema loskickt. Monk schafft mit seinem four-to-the-bar comping streckenweise eine altmodische Swing-Atmosphäre und begleitet in der Tat sehr viel dichter als gewohnt. Rollins lässt sich nicht im geringsten beirren und spielt munter drauflos, lässt aber auch Raum, setzt gekonnt Pausen in den wieder einem scheinbar endlosen Fluss von Ideen. Rollins ist hier wohl so gut wie er bis dahin noch nie gespielt hat, umso schöner, dass er eine Rhythmusgruppe hinter sich weiss, die für einmal ohne Fehl und Tadel agiert (keine fehlenden Hi-Hats, keine Nachwuchs-Trommler). Monks Solo ist kurz, auf den Punkt, sparsamer fast als seine Begleitung, die sofort wieder dicht wird, als Rollins sein zweites, kürzeres Solo beginnt.
Auch „The Way You Look Tonight“ wird im medium-up Tempo gespielt, Rollins hat von Anfang an alles völlig unter Kontrolle, schon seine Präsentation des Themas ist absolut überzeugend. Wieder betten zwei seiner Soli ein kurzes Solo von Monk ein, der hier etwas sparsamer agiert und seine Eigenwilligkeit stärker durchseinen lässt sowohl in der Begleitung wie im Solo.
„More Than You Know“ ist in der Tat grossartig. Monk agiert sparsamer, und wie Kelley schreibt spielt er nicht so sehr die Akkorde des Stückes aus (was auch langweilig geworden wäre während elf Minuten), die Musik wird dadurch viel offener und Rollins nutzt das zu einem grossartigen Solo, in dem auch seine schnellen doubletime-Läufe nie die balladeske Grundstimmung stören. Sein Ton ist wunderschön. Percy Heath fällt hier wieder sehr positiv auf – Monk lässt mehr Platz für ihn und das langsamere Tempo lässt seinem Ton mehr Raum, nachzuschwingen. Monk steuert hier ein langes, sparsames und grossartiges Solo bei, bevor Rollins zum zweiten Mal soliert und das Stück dann im Rubato beendet. Dieses eine Stück ist wohl neben der Session mit Miles der bisherige Höhepunkt in Rollins‘ Schaffen!

Die ersten beiden Stücke erschienen in der 12″-Ära auf dem obigen Album, zusammen mit „Friday the 13th“ von der ersten Session von Monk und Rollins und zwei Monk Trio-Stücken von der Session vom 22. Septebmer mit Heath und Blakey. Ein sehr schönes Album (pardon, Compilation)… aber für einmal sind die ursprünglichen 10″-Releases hier sehr viel sinnvoller, weil sie meist aus einer kompletten Session bestehen, während die viel bekannteren 12″ LPs meist Stückwerk sind und verschiedenes zusammenwürfeln.

Wer übrigens an den Monk Prestige-Aufnahmen interessiert ist, ist mit dem 3CD-Set sehr gut bedient. Peter Keepnews‘ Liner Notes sind sehr gut und die Aufnahmen sind mit dem K2-Verfahren (ich weiss dazu keine Details, aber die 24Bit/K2-CDs von Fantasy scheinen recht anerkannt und begehrt zu sein) gemastert worden und klingen in der Tat hervorragend! Auf CD1 kriegt man zum Auftakt die Coleman Hawkins Session vom 19. Oktober 1944, dann die Trios vom Oktober und Dezember 1952 mit Gary Mapp und Blakey bzw. Max Roach, sowie die Friday the 13th-Session (s.o.). Auf CD2 findet sich die Quintett-Session mit Ray Copeland und Frnak Foster (vom 11. Mai 1954), die Trio-Session vom 22. September mit Heath/Blakey, sowie die grad besprochene grossartige Rollins/Monk-Session, und auf CD3 ist die komplette Session von Miles Davis und den Modern Jazz Giants zu hören (Miles, Monk, Milt Jackson, Heath und Kenny Clarke, am Heiligabend 1954). Mit diesem tollen 3CD-Set wird auch klar, dass die oft eher stiefmütterlich behandelten Prestige-Sessions von Monk sehr gute Musik enthalten, zum Teil sogar hervorragende, die keineswegs übersehen werden sollte!

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba