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Faves #81
Eine Handvoll Singles vom Ende der 60er Jahre, bis auf zwei Ausnahmen eher seltene Fundstücke.
Don Fardon: Indian Reservation /Hudson Bay 1970 D-Vogue
Sie hat einen langen Anlauf benötigt, ganze drei Jahre, bis die Zeit reif war und diese Single die Charts stürmte. 1967 aufgenommen wurde sie sowohl im UK als auch bei uns schon bald veröffentlicht, aber der John D. Loudermilk-Song stieß in der Version des ehemaligen Sorrows-Sängers Don Fardon zunächst auf wenig Gegenliebe.
Gehen wir der ganzen Geschichte etwas genauer nach. John D. Loudermilk beherrschte nicht nur die Language Of Love, sondern hatte ausgangs der 50s und Anfang der 60s neben vielen anderen immerhin zwei so grandiose Songs wie Tobacco Road und Sittin’ On The Balcony geschrieben. Seine Songentwürfe kursierten auf Demo-Azetaten in den entsprechenden Zirkeln. Man bediente sich. So auch Produzent Miki Dallon und seine Sorrows, denen das Bass-Riff und die Songdramaturgie von Loudermilks Lament Of The Cherokee Reservation Indian aufregend genug war, als Blaupause für einen eigenen Song und Hit zu dienen: Take A Heart (Faves #53 ).
Zwei Jahre später nahm der Sänger der Sorrows Don Fardon, der die Band inzwischen verlassen hatte, diese Solo-Single auf. Im Grunde eine Rolle rückwärts, bediente er sich jetzt doch völlig schamlos beim Take A Heart-Arrangement und stülpte ihm den Original-Song wieder über, mit einem grandiosen Ergebnis.
Eine in jedem Stadium spannende Metamorphose eines Songs und seiner Grundideen, den Loudermilk selbst erst Anfang der 70er in Singer/Songwriter-Manier auf Elloree offiziell veröffentlichte und als Reflektion über den Umgang mit den Cherokees verstanden wissen wollte.
Indian Reservation hat damals also recht lange gebraucht, bis sich seine Klasse für den Mainstream erschlossen hatte, dann aber beherrschte es mit seinem dumpfen, basslastigen Beat, den sparsam gesetzten Bläserfills und den langen Spannungsbögen doch noch die Charts der Welt. Immerhin dauert es anderthalb Minuten bis eine erste Klimax zu hören ist, und man muss diese musikalische Spannung schon spüren und hören wollen, wenn man den Track genießen will. Verständlich deshalb der lange Weg in die Charts, erstaunlich aber auch der Erfolg.
(·) Fardons Indian Reservation erschien aufgrund seiner Spätzündung in vier (!) Versionen hierzulande auf Single. Zunächst gab es ’68 eine Ausgabe auf Hitton, dann die obige auf Vogue. Als die Platte endlich zum Hit avancierte, folgte 1970 die häufigste Variante auf Youngblood mit einer anderen Rückseite (Hudson Bay). Bellaphon legte den Dauerbrenner 1972 noch einmal neu auf, wieder mit einer anderen Flip. Bis auf die Hitton-Ausgabe sollte die Single unter 10 Euro zu bekommen sein.
Gloria Jones: When He Touches Me / Look What You’ve Started 1969 D-Liberty
Als Soft Cells Tainted Love die Charts der Welt eroberte, wurde sein Siegeszug begleitet von Hinweisen auf die Originalversion von Gloria Jones, die damals kaum jemand kannte – weder die Sängerin, noch die Originalaufnahme. Diese Info hatte einen zusätzlichen boulevardesken Aspekt, war Gloria Jones doch die letzte Freundin von Marc Bolan gewesen, sie hatte bei dessen tödlichem Unfall am Steuer gesessen und war selbst nur knapp den Tod entronnen. Im UK mochte dies Alltagswissen gewesen sein, hierzulande war es das eher nicht. So bekam Tainted Love seine zusätzliche Mediengeschichte und auch ich wurde dadurch neugierig auf Gloria Jones.
Keine Frage, dass ich dann diese Single kaufte, als sie mir unter die Finger kam. Und auch keine Frage, dass sie ein recht seltenes Stück ist. Es handelt sich um die deutsche Pressung einer US-Single auf Minit, die damals nicht einmal im UK erschien, wenn ich richtig informiert bin.
When He Touches Me ist ein langsamer, intensiver Gospelsong, der Glorias stimmliche Qualitäten in dieser Hinsicht sehr schön demonstriert. Noch deutlich aufregender aber ist Look What You’ve Started. Es war A-Seite in den Staaten und zeigt Glorias warmes Timbre in einem schönen Mid Tempo-Song mit flirrenden Strings, feinen Backing Vocals und in einer ausgesprochen guten Produktion.
Look What You’ve Started klingt eher nach frühen 70s als nach ´68; in fast allen Internet-Diskographien finde ich die Platte denn auch ins Jahr 1971 datiert. Nur einige wenige, deutlich ernster zu nehmende Quellen siedeln das Minit-Original im Jahr 1968 an. Auch die Nummer der dt. Liberty-Single weist in dieses oder das folgende Jahr.
Obige Ausgabe ist ohnehin ein Unikum, da sie die originale A-Seite mit ihrem nicht unerheblichem Hitpotenzial auf die Flip verbannt und diese kurioserweise auf dem Cover noch falsch betitelt (s.o.). Der dort genannte Titel What You Want war die B-Seite von Jones’ erster Minit-Single, ebenfalls von ’68.
Diese Single ist jedenfalls für mich ein weiteres wunderschönes Belegstück dafür, dass die Suche nach guter Musik niemals aufhören kann, dass man sich nur locken lassen muss, um von A nach B und von dort in letzte Nischen des 7“-Pop-Universums zu gelangen, um dann fürstlich mit guter Musik belohnt zu werden.
(·) Zu Nachfrage und Preis kann ich kaum etwas sagen. In bestem Zustand ist diese dt. Pressung sicher extrem selten, aber teuer? Ich habe vor Jahren auf einer Börse keine 5 Euro bezahlt.
Thelma Jones: The House That Jack Built / Give It To Me Straight 1969 UK-Soul City
Ein interessantes Label, man sieht es auf Börsen eher selten, also habe ich gekauft. Ich kannte damals diese Version von The House That Jack Built nicht, jene von Aretha war mir natürlich ein Begriff. Thelma covert den Aretha-Hit aus dem Jahr zuvor, obwohl im Internet auch Gegenteiliges zu lesen ist. (Ich betone das hier, weil allein bzgl. der Faves heute z.T. sehr divergierende Infos im Netz zu finden sind. Don’t trust the net!)
Thelmas Version ist reichlich flotter als das Vorbild, mehr Groove und Kantigkeit, was dem Song gut bekommt (auch wenn ich kein allzu großer Fan davon bin). Interessant, dass beide Stimmen stellenweise zum Verwechseln ähnlich klingen.
Beiden Singles ist gemein, dass sie eine großartige Flipside haben, was sie für mich natürlich besonders attraktiv macht. Bei Aretha das wunderbare I Say A Little Prayer, bei Thelma Jones ein echter Floorshaker, der Leben in die Bude bringt. Stomping and funky. Wohl deshalb auch mit 30 Pfund im RRPG ausgepreist.
(·) Allzu selten scheint mir die Single nicht zu sein. Als ich letztens beim dt. Ebay interessehalber einmal nachschaute, war sie zum Festpreis für kleines Geld verfügbar. Im UK scheint sie nichtsdestotrotz recht gesucht.
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