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The Yardbirds: Happenings Ten Years Time Ago / the Nazz Are Blue 1966 US-Epic
Die letzte Single der Yardbirds, die im UK gerade noch das Licht der Top 50 erblicken durfte, dann war mehr oder weniger Schluss mit Keith Relf und seinen Mates.
Klassischer R&B ist das längst nicht mehr, wie sie ihn etwas zwei Jahre zuvor in anderer Besetzung als Backing Band mit Sonny Boy Williamson aufgenommen hatten. Schwarz angehaucht kaum noch: Diese Happenings ten years time ago scheinen geradewegs in die Zukunft zu führen. Immerhin gingen hier mit Page und Jones zwei spätere Led Zeps zuwerke. Ein Jeff Beck war auch dabei.
Hard Rock, meinetwegen, aber keine Spur von Breitbein, nicht der Ansatz von Selbstbezüglichkeit. Und ein epochal neuartiges Gitarrensolo, das Hendrix’ Künste flankierte, wenn nicht vorwegnahm. Psychedelia im Jahr Null, später kaum getoppt.
Der Song ist einfach, das Arrangement nicht viel aufregender, aber das Ganze absolut umwerfend direkt und zupackend. Gitarrenschläge, die jede Schülerband hinbekommen würde, aber so präzise, so scharf gesetzt, dass es beim Versuch geblieben wäre. Ja, hier ist die Ausführung und produktionstechnische Umsetzung das Ganze. Dann dieses irrwitzige Solo in der Mitte, Page und Beck im Wettstreit, von Simon Napier-Bell dramaturgisch großartig inszeniert.
Im UK und bei uns war Happenings mit Psycho Daisies gekoppelt, in den Staaten jedoch mit Nazz Are Blue. Ein Blues-Boogie in Elmore James-Tradition, eine Lehrstunde von Jeff Beck für E-Gitarren-Freaks.
Man kann es heute vielleicht nicht mehr ermessen, aber was Beck seiner Stratocaster zu entlocken wusste, war stilbildend und epochal. Wie er hier z.B. fast eine Viertelminute lang und über acht Takte hinweg einen einzigen Ton zerdehnt, hatte man so noch nie gehört. Und es war kein Teil eines Endlos-Solos, in denen so etwas wenig später gang und gäbe wurde, sondern eine sorgfältig gesetzte Markierung innerhalb dieses eher unauffälligen Songgebildes. Ganz große Klasse. Wer brauchte da noch den 15-Minuten-Clapton oder einen Alvin Lee in der Folgezeit.
Eine meiner liebsten Singles der Yardbirds.
(·) Das Cover der dt. Single ist um einiges schöner als obiges. In bestem Zustand, auch als ebay-Schnäppchen, ist die hiesige Ausgabe kaum unter 60 Euro zu bekommen.
Die US-Single dürfte mit Sleeve noch deutlich seltener sein, obwohl die Platte dort nahe den Top 30 war. Ich habe sie dennoch in neuwertigem Zustand vor einigen Jahren für ca. 40 $ ersteigern können.
Chris Farlowe: Moanin’ / What Have I Been Doing 1967 D-Columbia
Obwohl sie natürlich in diesem Six Pack mehr als zu Hause sein müssten, verzichte ich heute auf die Stones, aber ein Buddy von ihnen sollte nicht fehlen. Jemand, der ihren Song Out Of Time im Sommer ’66 zur No. 1 im UK gemacht hatte, und jemand, der von früh an mit seinen Thunderbirds ein Teil der R&B-Szene im UK war: Chris Farlowe.
Als Moanin’ 1967 auf den Markt kam, war Farlowe mithin einer der Stars auf Andrew Loog Oldhams (immer noch recht jungem) Immediate Label und außerdem Psychedelia angesagt. Adderleys Moanin’, Farlowes kräftig voluminöse Stimme und dieses Arrangement waren eine einzigartige Mischung, der kaum Vergleichbares zur Seite steht.
Einigermaßen harmlos beginnt Monain’ nach einem Becken-Crescendo mit Sitar und Tabla-Geplänkel, dann dieses aufschreckende Bläser-Fill-In. Die Vocals und eine prächtig verzerrte Gitarre leiten über in einen Track, der mit seinem Bläserarrangement mehr und mehr einen typischen R&B-Drive bekommt. Immer aber präsent, gar dominierend bleibt die Sitar, begleitet von den vergleichsweise leichten Tabla-Rhythms.
Insgesamt eine unglaublich gelungene Mischung aus den verschiedensten musikalischen Ingredienzien und perfekt produziert.
Indische Mantra-Seligkeit in Einheit mit diesem harten schwarzen Beat waren jedoch eine arge Herausforderung für den Mainstream-Markt und in dieser Kombination wohl zu ambitioniert, als dass es ein Hit hätte werden können. Im UK immerhin noch gerade in den Top 50, hierzulande kaum gespielt.
Die Flipside verzichtet dagegen völlig auf produktionstechnische Besonderheiten, heute würde man so etwas unplugged nennen. Eigentlich kaum mehr als akustische Gitarre, Orgel und ein wunderschöner Song. Unbedingt anhören.
(·) Für mein toll erhaltenes Exemplar habe ich ca. 10 Euro bezahlt, in meinen Augen ein absolutes Schnäppchen, zumal das weiße Sleeve nach 40 Jahren wohl immer seltener in einem derart guten Zustand zu finden sein dürfte.
The Boots: Gaby / Another Tear Falls 1966 D-Telefunken
Nun gestatte ich mir noch einen Abstecher nach Deutschland zu den Boots. Müssen sie doch, seit ich ihre Musik kenne (seit ca. 1978), als Aushängeschild für deutschen R&B herhalten.
Sänger und Aushängeschild war ein Holländer. Der Rest der Band in klassischer Besetzung plus Orgel.
Die Boots kamen aus Berlin, coverten zunächst Them’s Gloria, dann W. Picketts In The Midnight Hour, brachten eine erste LP voller R&B-Klassiker heraus und als vierte und vorletzte dt. Single diese Eigenkomposition, eine Hommage an das Mädchen Gaby, hier natürlich als Gäiby besungen.
Diese 7“ gilt als eine der allerbesten genuin dt. 60s-Produktionen, aber reicht das, um mit der starken Konkurrenz aus dem angelsächsischen Raum Singles mithalten zu können?
Nein. Wenn man die Flip hört, nie und nimmer. Eine unbeholfenere Version dieses Bacharach-Songs ist kaum vorstellbar, auch wg. der Vocals. Die Walker Brothers dürfen dabei gar nicht einmal als Vorlage mitgedacht werden.
Solche vollmundigen Vokale, die nicht klingen wollen, oder Melismen, die großenteils aufgesetzt wirken, kann ich einfach nicht überhören. Das Backing müht sich, eine lyrics-kongruente Moll-Stimmung aufzubauen, aber es rumpelt und poltert sich mehr schlecht als recht durch den Song. Da ist kein Flow, da ist kein Drive, das ist schlichtweg hölzern.
Gaby hat dagegen deutlich mehr zu bieten. Eher angesiedelt im US-Garage Punk als im UK-Beat oder UK-R&B weist der Track eine recht eigene Struktur auf. Eine brätzende Gitarre, ordentliche Leadvocals kommen hinzu, und das alles ohne vordergründig billige Kalkuliertheit und vor allem mit einiger Originalität. Zweifelsohne ein gut gedachter Track, aber ( Mikko, verzeih mir) auch hier wieder fehlt mir das gewisse Etwas in der Produktion. Der Beat, warum ist er zu Beginn nicht härter und zwingender? Warum sind die drums in den Hintergrund gemischt? Die Orgel hat auf der Flip schon reichlich Schaden angerichtet, so auch hier. Und wenn man es noch kritischer sehen will: Nach dem Boots-Hit Gloria musste ein weiteres Mädel mit „G“ herhalten. Und wenn Morrison G-L-O-R-I-A buchstabierend skandiert, so können es die Boots mit G-A-B-Y doch allemal.
Nun, hier geht es um meine „Faves“, diese Single ist dabei. Allzu viele deutsche Produktionen kommen hier nicht vor und unter diesen ist sie sicher eine einäugige Königin. Aber sie fällt in meinen Ohren deutlich z.B. gegen die fünf oben Vorgestellten ab, wie ich auch der Meinung bin, dass die Boots selbst in ihren besten Momenten mit der Direktheit, Attitüde und Finesse der UK-Bands nicht mithalten können. Manches aber mag, das will ich gern konstatieren, den deutschen Produzenten in die Schuhe zu schieben sein.
(·) Hervorragend erhaltene Exemplare dieser Platte dürften kaum unter 40 Euro zu bekommen sein.
Today’s Tops:
1 Them *****
2 Yardbirds *****
3 Pretty Things ****1/2
4 Farlowe ****1/2
5 Animals ****
6 Boots ***
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