Re: Otis´ 7" Faves

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otis
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Faves #77

Beat, Beat, Beat
Vorweg: Ich bin Jahrgang ’53, habe also die Mehrzahl der folgenden Singles (63-65) heranwachsend nur nebenbei oder als Hits von gestern mitbekommen. Dennoch sind sie mir, bis auf zwei Ausnahmen, schon zu jener Zeit so sehr ans Herz gewachsen, dass ich sie heute gern einmal vorstelle.
Außerdem wird es heute ein Nine-Pack geben, ich konnte mich nicht entscheiden, welche ich weglassen sollte.
Nähere Infos über die Bands kann sich aus diversen gesicherten Quellen schnell zusammenklauben, wer mag, ich will mich hier auf das Nötigste beschränken.

The Dave Clark Five: Bits And Pieces / All Of The Time 1964 D-Columbia

The Dave Clark Five werden demnächst im zweiten Anlauf in die Rock ’n Roll Hall Of Fame aufgenommen. Ob Ehre oder nicht, in jedem Fall ein Beleg dafür, wie erfolgreich die Band in den Staaten war. Eine Zeitlang konnte sie dort gar die Fab Four ausstechen. Insgesamt hatten sie jenseits des Atlantik auch weitaus mehr Hits als im UK.
Die einzelnen Bandmitglieder hatten einiges an Erfahrung als Musiker, bevor sie als The Dave Clark Five die Beat-Bühne betraten. Sie konnten spielen und wussten zu unterhalten. Namensgebender Chef war ihr Drummer, jemand mit Jazzerfahrung als Kinderstube.
Dabei hatte ich genau mit diesen Drums mein Problem. Bei manchen ihrer Hits, den größten zumal, war der Chef sich nicht zu schade, ordentlich draufzuhauen. Das gab dann einen gehörigen Wumms, der mir selten behagte. Glad All Over, bumm bumm. Auch Bits And Pieces bleibt ganz und gar nicht davon verschont. Im Gegenteil.
Hier stampft und rockt es nämlich von Beginn an ganz gewaltig. Bass- und Basedrum-Power, Handclapping etc., immer feste druff. Live muss dieser Song das Publikum derart zum Rocken gebracht haben, dass Veranstalter um ihr Mobiliar fürchten mussten und sich mancherorts diesen Titel verbaten. Die „Röhre“ von Mike Smith tut ihr Übriges (ja, auch sie war nie so ganz mein Ding), denn Nuancen kennt sie kaum. Und der Song selbst verharrt gar auf einem Akkord.
Aber da ist ja auch noch die Titelzeile, jenes „I’m in pieces bits and pieces“, diese fein swingenden Worte im Vocals-Background mit Sax-Begleitung. Ein toller kommentierender Kontrast zu dem Stumpfbeat und den Gesangslinien des Sängers. Damit bekommt der Track die richtige musikalische Würze, was ihn für mich dann auch unwiderstehlich macht. So sehr es stampft und rockt, so genial ist der Swing dagegengesetzt. Einfachstes Songwriting, absolut wirkungsvoll umgesetzt.
Dass DC5 natürlich auch deutlich lockerer agieren konnten, zeigten sie z.B. in Catch Us If You Can und auf vielen Rückseiten. So auch auf dieser, die zwar einen einfachen durchgehenden Beat hören lässt, aber insgesamt recht locker daherkommt. Sie zeigt zudem, dass die Band sehr wohl in der Lage war, auch gesanglich zu brillieren, und lässt auch hier wieder einen ausgesprochen modernen Einsatz des Saxophons hören. DC5 war ja die einzige der großen Bands, die ein Sax im Line Up hatte.

Bits And Pieces bleibt mir ihre liebste Hitsingle und es bleibt auch das Gefühl, DC5 noch nicht so ganz erforscht zu haben. Es gibt viel zu viele ernst zu nehmende Ohren, die deutlich mehr von der Band halten als ich. Ich werde die meinen also weiter offen halten müssen.

(·) Die Single sollte recht günstig zu bekommen sein. Teurer dürfte das „Künstler-Loch-Cover“ sein, im Katalog-Deutsch „KLC“ abgekürzt. Solche gibt es von einigen Stars der damaligen Zeit, Elvis, Buddy Holly, Beach Boys, Beatles.

Manfred Mann: Do Wah Diddy Diddy / What You Gonna do? 1964 D- Electrola

Mike Smith’s etwas ungelenk wirkenden, sehr vollmundigen Vocals mochte ich bei DC5 nie so besonders, dafür Paul Jones’ bei Manfred Mann um so mehr. Sonderlich geschmeidig war sein Organ zwar nicht, aber es hatte ganz hinten irgendwo immer einen gewissen Schmelz, dieses zarte Zittern, dem ich mich nie entziehen konnte. Als er zu Zeiten von Just Like A Woman zugunsten von Mike d’Abo die Band verließ, fand ich das damals gar nicht toll, so wenig, dass ich mir die meisten der späteren Hits der Band innerlich schlecht hörte. Es gab da schließlich noch einige: Mighty Quinn, Ha Ha Said The Clown, Fox On The Run etc.

Manfred Mann gehörte zu jenen britischen Bands, die ihre frühe musikalische Motivation im R&B sahen. Und als solche hatte man zu jener Zeit mächtige Konkurrenz im Königreich. Da galt es, gute Songs mit schwarzem Touch zu finden, die man ver“beat“en konnte. So hatten die Exciters ihre Original-Version von Do Wah Diddy kaum veröffentlicht, als die junge Band sofort zugriff und eine gradlinigere, in sich deutlich geschlossenere Version dieses Barry/Greenwich-Titels auf den Markt brachte. Mit riesigem internationalen Erfolg.
Manfred Mann’s Orgel hält auf zurückhaltend eigene Weise alles zusammen, Paul Jones singt überragend und der Backgroundchor passt einfach besser als die Mädchen bei den Exciters. Eine ganz großartige Platte.
Übrigens: Ihre erste LP Five Faces Of Manfred Mann ist eine wunderbare R&B-Platte. Dringend zu empfehlen. Sie enthält auch die Flipside dieser Single, eine sehr bluesige Eigenkomposition mit tollen Soli der Musiker.

(·) Die Single dürfte relativ leicht zu bekommen sein.

The Swinging Blue Jeans: Hippy Hippy Shake / Now I must Go 1963 D- Electrola

Ah, welch eine Hassliebe verbindet mich mit diesem Gassenhauer. Kirmes-Musik, Halbstarken-Musik. Musik derjenigen, die später auf Rockkonzerten die Fäuste reckten und die Köpfe schüttelten. So empfand ich Hippy Hippy Shake damals schon. Das steckte für mich immer drin. Am meisten bewirkt durch die shouting vocals, dann durch den Titel, der schon Niederungen von Balla Balla anklingen ließ.
Auf der anderen Seite aber hörte ich auch immer ein ungemein treibendes Stückchen Beatmusik, fein gespielt, toll produziert gar, trotz aller vordergründigen Wirkung. Klasse, wie zu Beginn nur von Gitarre und Gesang diese grandiose Power ausgeht. Die Drums bleiben während des ganzen Stückes eher im Hintergrund, und dann ist da auch noch dieser fantastische Mittelteil mit dem absolut famosen Gitarrensolo.
Der Text jedoch war wirklich nicht mehr, als der Titel ankündigt. Wollte nicht mehr sein als Aufforderung zum Tanz. Shake it to the left, shake it to the right… Das alles in grandiosen 1:40 Minuten.
Ganz klar, die SBJ waren verdammt gute Musiker, und das zeigten sie auf dieser wie auf vielen anderen ihrer Singles. Die Rückseite enthält eine locker gespielte Eigenkomposition, auf der sie auch ihren Harmoniegesang zur Geltung brachten.

(·) Mit dem KLC und in sehr gutem Zustand dürfte die Platte gar nicht so häufig sein, abgespielt hingegen sollte sie auf jedem Flohmarkt für 50 Ct. zu bekommen sein.

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