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Buddy Holly: Maybe Baby / Tell Me How 1958 D-Coral
Von Shreveport hinüber nach Texas ist es nicht weit, nach Lubbock in West Texas allerdings schon. Als Teen zu Beginn der 50er dort, in einem der hinteren Zipfel von Texas aufzuwachsen, lässt nicht gerade auf eine Weltkarriere schließen. Oder mag gerade das für die nötige Energie sorgen? Denn immerhin hat diese Stadt noch weitere so großartige Künstler hervorgebracht wie Butch Hancock, Jimmy Dale Gilmore, Joe Ely, Terry Allen, Mac Davis…
Schlägt man die Website dieser Stadt von immerhin 260 000 Einwohnern auf, so wird Buddy dort als größter Sohn der Stadt geehrt, was den Stadtvätern überdies ein Holly-Denkmal wert war. Ein weiterer Beleg für die unglaubliche Lebendigkeit und Wertigkeit der Popmusik im amerikanischen Alltagsbewusstein.
Maybe Baby war die dritte Single von Buddy Holly & The Crickets, nachdem That’ll Be The Day sich in oberste Chartregionen katapultiert und Oh Boy diesen ersten Ruhm der Band gefestigt hatte. Gleichzeitig hatte Buddy unter seinem eigenen Namen auch schon weitere Singles (u.a. Peggy Sue) veröffentlicht. (Man mag dieses „Durcheinander“ um die Brunswick- und Coral-Releases andernorts nachlesen). Maybe Baby schlug nicht ganz so ein wie die vorherigen, ist aber sicher kaum schlechter.
Der Titeltrack ist nicht ganz so locker, flott und überschwänglich wie z.B. Oh Boy. Aber kann es anders sein bei dieser noch unerfüllten Liebe? Dennoch zeigt es die hohe Kunst des Songschreibers Buddy Holly, auf knappstem Raum mit geringstem Aufwand auf den Punkt zu kommen. Mit meinen heutigen Ohren geurteilt, hätte es dem Track vielleicht gut getan, wenn der Background-Chor etwas zurückhaltender wäre, zumal er nicht von den Crickets stammt. Aber der Song und die zurückhaltend trockene musikalische Umsetzung der Band faszinieren stets aufs Neue.
Tell Me How hat rein musikalisch vielleicht mehr zu bieten als die A-Seite, mehr Abwechslung im Songaufbau, ein schönes Zwischenspiel, mehr Crickets und mehr Dynamik. Dennoch reicht es höchstens zu einem Unentschieden zwischen beiden Titeln, was diese Single als Ganzes natürlich zu einem Muss macht.
Meine obige dt. Pressung (man beachte: kein Hinweis auf die Crickets!) dürfte eine etwas spätere Pressung sein. Denn meines Wissens sind die ersten Ausgaben davon auch bei uns als Buddy Holly & The Crickets erschienen.
(·) Buddy Holly-Singles sind auch in D recht gesucht. Mint-Exemplare teuer, da sie wirklich selten sind. Leider wird oft als mint verkauft, was keinesfalls mint ist, weshalb ein Kauf manchmal Glückssache ist. Maybe Baby gibt es m.W. mit eigener Bildhülle, wovon letztens ein Exemplar für 300 Euro den Besitzer gewechselt haben soll. (Diese Info habe ich nicht verifizieren können, also Vorsicht bitte.) Schlechter erhaltene Holly-Singles sind natürlich weitaus häufiger und in erschwinglichen Bereichen angesiedelt.
Sir Douglas Quintet: Nuevo Laredo / Texas Me 1969 D-Mercury
In den 60s mag Doug Sahm mit seiner Band der bekannteste und erfolgreichste texanische Musiker gewesen sein. Nach She’s About A Mover (siehe Faves # 45) von 1965, was im UK als US-Ausgabe der Stones angekündigt wurde, besann er sich in der zweiten Hälfte der 60s mehr und mehr auf seine Wurzeln und lieferte mit Mendocino und Dynamite Woman Welthits ab, die dann auch als Vorlage für ungleich schlechtere Eindeutschungen (s. M. Holm) herhalten mussten, so dass bei uns sogar die Erinnerung an die Originale bei manchem Hörer verloren ging.
Nuevo Laredo war der dritte Hit in dieser Reihe, längst nicht mehr so erfolgreich, nichtsdestotrotz keinesfalls schlechter. Ich mochte es von den drei Singles sogar am liebsten.
Die Senoritas aus der Grenzstadt Nuevo Laredo, gegenüber von Laredo/TX auf der mexikanischen Seite des Rio Grande also, stehen für die Anziehungskraft dieser anderen Kultur, die Musik versucht Annäherung und Vermischung. Ja, Mariachi-Trompeten kommen vor, aber sie sind nicht Kolorit, sondern elementarer Bestandteil der Musik, wie auch die spanisch gesungenen Textzeilen. Ein ganz eigenständiger Mix also, der dem Sir Douglas Quintett mittlerweile gelungen war, unglaublich einfach vom Arrangement her (die Band dennoch fantastisch mit dem unvergleichlichen Augie Meyers an der Orgel), extrem wirkungsvoll und in jeder Hinsicht originär. Tex Mex.
Bei Texas Me sind die Trompeten ersetzt durch Steel und Violine, das Tempo ist verlangsamt und so schlurft es als Hohes Lied auf Dougs Heimatstaat wunderbar cool ins Ohr. Melodisch ähnlich überzeugend, musikalisch noch stimmiger, ist es die zweite Seite einer –in meinen Ohren– Doppel-A-Seiten-Single, was das dt. Sleeve auch andeutet. Offenbar war man sich bei Mercury ebenfalls nicht ganz sicher, welcher Seite man den Vorzug geben sollte. Es mag dies auch der Grund dafür gewesen sein, dass diese Platte nicht mehr ganz so erfolgreich war, wie die beiden Vorgänger. Eine großartige Single.
Bemerkenswert noch, dass im UK nur She’s About A Mover zu Charts-Ehren kam, die späteren Singles von Sir Doug jedoch etwas untergingen.
(·) Nuevo Laredo ist deutlich seltener als die beiden o.a. Hits, dürfte dennoch in sehr gutem Zustand für höchstens 10 Euro zu bekommen sein.
Marty Robbins: El Paso / Running Gun 1959 US-Columbia
Marty Robbins kommt nicht aus El Paso, auch nicht aus Texas, sondern aus Arizona, seine Single aber hat dieser Stadt im äußersten Westen von Texas, ebenfalls an der Grenze zu Mexiko, einen zusätzlichen kleinen Stempel aufgedrückt. Hier nun beginnt endgültig der Westen und die Ballade von Robbins kündet davon.
In der Ich-Person erzählt Robbins von seiner dereinstigen Untat, den Nebenbuhler im Werben um die schöne Felina, a Mexican girl in Rosa’s cantina, in less than a heartbeat erschossen zu haben. Nach seiner Flucht in die badlands of New Mexico kehrt er nun aus Sehnsucht nach Felina in die Stadt zurück und stirbt, wie sollte es anders sein, getroffen von den Kugeln der Cowboys, die nur auf ihn gewartet haben, in ihren Armen.
Eine anrührende Geschichte, dennoch die eines Mörders. Eine Geschichte von Liebe, Eifersucht und Tod, archaisch und ohne jeden Anflug von Pathos. Das macht den Reiz dieser Ballade wohl aus, sie vermeidet jede Form von Gefühligkeit. Marty Robbins hat für die lange Story (die Single hat eine Spieldauer von fast 5 Minuten, damals ein ziemliches Unikum) eine musikalische Umsetzung gefunden, die unglaublich sachlich wirkt, obwohl er doch in der Ich-Person erzählt. Den Text singt er syllabisch zu einer ausgesprochen beweglichen Melodielinie, weshalb er beinahe ohne melismatische Verschleifungen auskommt, die emotionalen Färbungen hätten Vorschub leisten können. Die ruhelose Melodie ist Emotion genug. Einzig die fantastische spanische Gitarre gibt ihre Kommentare, allerdings ebenfalls ausgesprochen vorsichtig. So gerät auch sie nur wenig aus der Fassung, als der Widersacher tot am Boden liegt.
Gunfighter Ballads and Trail Songs hieß das epochemachende Album, dem diese wunderbare Single entnommen war. Beide wurden Welterfolge.
(·) Obige Single dürfte in bestem Zustand für ca. 15 $ zu bekommen sein.
Today’s Tops: (schwer heute)
1 Dale Hawkins
2 Marty Robbins
3 Buddy Holly
4 Bobby Charles
5 Sir Douglas
6 Irma Thomas
PS: Kommentare von Gastlesern gern auch an otis-online@gmx.de
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