Re: Otis´ 7" Faves

#2456443  | PERMALINK

otis
Moderator

Registriert seit: 08.07.2002

Beiträge: 22,557


Barbara Lewis: Puppy Love / Snap Your Fingers 1963 D-Atlantic

Barbara Lewis entstammte einer Musikerfamilie und begann schon im Alter von neun Jahren Songs zu schreiben. Mit diesem Talent wollte ihr Vater sie dann auch in die Musikszene einführen, als er sie Ollie McLaughlin vorstellte, der Songs für Del Shannon suchte. McLaughlin war dann aber von ihrer samtweichen Stimme derart angetan, dass er schon bald mit ihr einige Aufnahmen produzierte. Der erste große Erfolg war Hello Stranger, schnell gefolgt von weiteren Hits. Die Debüt-LP enthielt nur Songs aus ihrer Feder, ziemlich ungewöhnlich zu jener Zeit, vor allem für eine schwarze Künstlerin.
Puppy Love war ihr dritter Chartserfolg und deutlich anders als Hello Stranger. War jenes vom Song her leicht adult oriented and sophisticated, so ist Puppy Love eher auf der Girlpop-Schiene anzusiedeln. Ein flotter, leichter Track, basierend auf einem locker jumpenden Rhythmusfundament, der das kleine Liebesabenteuer ohne Wehmut, dafür mit kessem Charme vorbeiziehen lässt.
Obwohl Barbara Lewis in den 60s mit ihren Songs und den Coverversionen davon große Erfolge verbuchen konnte, sah sie kaum Geld dafür. Die ganzen Tantiemen waren von der BMI fälschlicherweise an eine Barbara Lousie Mitnick überwiesen worden. Als die rechtmäßige Barbara Anfang der 70er(!!) schließlich ihre Ansprüche geltend machen wollte, war nicht mehr viel zu holen.

(·) Eine seltene Single, aber auch nicht sehr gesucht. In den letzten Jahren erst scheint sich bei uns ein Markt für die tollen deutschen Atlantic-Singles zu etablieren. Für die marktbeherrschenden Rock´n Roll- und Beatsammler waren diese Platten bis auf wenige Ausnahmen immer nur Zugabe. Ein musikalisch wunderbar lohnendes und auch für den Einsteiger noch recht günstiges Sammelgebiet.


Sanford Clark: The Fool / Lonesome For A Letter 1956 US-DOT

Manchmal erstaunlich, wie eher unauffällig die ganz großen Aufnahmen entstehen. The Fool ist ein solches Beispiel. Ein völlig unbekannter Sänger (Sanford Clark) trifft auf seinen alten Kumpel und Bandgitarristen (Al Casey), dieser stellt die Verbindung zu Lee Hazlewood her, der gerade einen Song (The Fool) fertig hat, den der seiner Frau Naomi Ford aus Vertragsgründen zuschreibt. Man nimmt diesen in dem kleinen Studio von Floyd Ramsey in der gemeinsamen Heimatstadt Phoenix auf und fertig ist eine der besten Aufnahmen der 50’s, obwohl oder vielleicht gerade weil er so anders ist als viele andere.
The Fool ist ein Midtempo-Rockabilly-Track, an dem zunächst einmal das Spiel der Gitarre gefangen nimmt. Al Casey bedient sich am Riff von Howlin’ Wolfs Smokestack Lighnin’, lockert es auf und hinterlegt die ganze Aufnahme damit. Hinreißend und keine Sekunde langweilig. Kaum weniger einnehmend der „Gesang“ Sanford Clarks. Gather round me buddies, hold your glasses high and drink to a fool, a crazy fool who told his baby goodbye. Sanford Clark weiß diese Geschichte mit einer unglaublichen Zurückhaltung vorzutragen, so sehr, dass sich die emotionale Starre des Protagonisten unweigerlich auf den Hörer überträgt und ihn in ihren Bann zieht. Da verzieht jemand keine Miene, obwohl er sich wie der größte Idiot aller Zeiten vorkommt. Absolut fantastisch.
Lonesome For A Letter ist ein schneller Rocker. Rockabilly at it’s best.
Zwei Jahre später wurde hier in Phoenix (war es nicht ebenfalls in Ramseys Studio?) ein weiteres Mal Musikgeschichte geschrieben, als Lee Hazlewood mit Duane Eddy in wenigen Stunden den Rebel Rouser produzierte, damit den Twang erfand.

(·) The Fool erschien zunächst auf dem regionalen Label MCI, wurde dann auf DOT zum landesweiten Hit. Die MCI-Single dürfte bei ca. 100-150$ liegen, das abgebildete DOT-Original sollte man für ein Viertel des Preises bekommen können.
Ich habe schon zwei ausgesprochen gut erhaltene Exemplare besessen, noch keines war aber vom Sound her ganz ideal. Weiß jemand, ob das pressungsbedingt ist?


The Rip Chords: Gone / She Thinks I Still Care 1963 NL-CBS

Wellenreiten, heiße Reifen und scharfe Girls. Westcoast-Klischees. Der Soundtrack kam von den Beach Boys und Hunderten weiterer Bands. Surf und Hot Rod hießen die musikalischen Trends. Weltweit erfolgreich, wie man weiß.
The Rip Chords waren keine dieser Bands, sie waren eher ein Studioprojekt um zwei „Original“-Mitglieder, den Sängern Ernie Bringas and Phil Stewart. Den Ton gaben jedoch Terry Melcher und Bruce Johnston an, beide im engen Kontakt mit den Beach Boys. Johnston gar ab Mitte der 60er als Ersatz für Glen Campbell assimiliertes Mitglied der Band. Terry Melcher (von seiner Mutter Doris Day bei Columbia untergebracht) begann sich Anfang der 60er einen Namen als Produzent zu machen und versuchte da und dort Brian Wilsons Arbeit zu kopieren (siehe Faves # 70: Pat Boone: Beach Girl). Mit Bruce Johnston veröffentlichte er auch unter dem Namen „Bruce & Terry“ einige Singles.
The Rip Chords war eines ihrer ersten gemeinsamen Projekte. Erfolgreich, denn die dritte, bestverkaufte Rip Chords-Single Hey, Little Cobra schaffte Platz 4 der US-Charts. Davor war Gone erschienen, welches von den dreien die geringste Resonanz fand. Zu recht?
Im Intro macht das Girl seine Ansage und braust mit der Harley davon. Gone. Es folgen noch 1:40 Musik. Dabei von Song zu sprechen, scheint fast übertrieben, zumal das fade out auch noch einmal eine halbe Minute für sich in Anspruch nimmt. Dennoch hat das Ganze einen mitreißenden Drive und nimmt nicht mehr für sich in Anspruch, als eine knallende zeitgemäße Popnummer zu sein. Und das gelingt überzeugend. Stimmlich überzeugt in erster Linie Johnston, wenn ich ihn recht identifiziere.
Die Rückseite enthält den Country-Klassiker She Thinks I Still Care, der hier zu einer Surfnummer mutiert mit einer schrill aufspielenden E-Gitarre. Da wollte Melcher wollte Fuzz-Effekten vorgreifen, die als solche noch nicht verfügbar waren.

(·) Die obige holländische Pressung ist vor allem mit Hülle sehr selten. Preislich müsste sie bei ca. 25-30 Euro liegen. Ich suche schon lange die Hey Little Cobra, habe sie bislang noch nicht mit Sleeve gefunden, obwohl sie bei uns eigentlich häufiger sein sollte als Gone.

Today’s Tops:
1 Clark
2 Ramrods
3 Dion
4 Lewis
5 Gilmer
6 Rip Chords

PS: Kommentare von Gastlesern gern auch an otis-online@gmx.de

--

FAVOURITES