Re: Otis´ 7" Faves

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otis
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Francoise Hardy: La Maison Ou J’ai Grandi / Tu Verras 1966 D-Vogue

Francoise schrieb ihre Lieder für gewöhnlich zwar selbst, aber es gibt auch einige Fremdkompositionen, die sie zu Hits machte. La Maison stammt aus Italien (u.a. gehen Credits an Adriano Celentano) und wurde dann international mehrfach gecovert. Francoises Version war wohl der größte Hit, aber auch Verdelle Smith (siehe Faves-Ausgabe #31) machte den Song als Tar And Cement im englischsprachigen Raum bekannt.
Es ist ein wunderbares Stückchen Musik, sich steigernd von Anfang zum Ende hin, mit einem melodischen Flow, dem man auf Anhieb folgen möchte, der dennoch auch nach dem x-ten Hören nicht langweilig wird. Perfekt. Das Highlight dieser Platte ist (neben dem Gesang der Hardy) das großartige Arrangement, das in seinem organischen Aufbau der Melodieführung wie angewachsen scheint. Ich habe einmal das italienische Original gehört und meine mich zu erinnern, dass das dort nicht annähernd so gut gelungen ist, da es wesentlich kantiger und vordergründiger produziert ist.

(·) Links oben die deutsche Single, sie ist nicht sonderlich häufig. Die entsprechende französische EP daneben ist leicht zu bekommen. Allerdings klingt die abgebildete Single deutlich besser.


The Jelly Beans: I Wanna Love Him So Bad / So Long 1964 D-Vogue

Anfang der Sechziger gab es Hunderte von Girl Groups. Manche mit nur einer einzigen Platte auf dem Markt, andere mit einem umfangreicheren Output. Die Jelly Beans stammten aus New Jersey und wurden von Leiber und Stoller für ihr neues Label Red Bird unter Vertrag genommen. Entsprechend hochwertig waren Song (Greenwich/Barry) und Produktion, die man ihnen dort zukommen ließ. Prompt gingen die Erwartungen auch in Erfüllung und I Wanna Love Him So Bad knackte immerhin die Top 10 der Billboard-Charts. Bald aber waren die Shangri-Las und Dixie Cups für Red Bird wichtiger und so wurden die Beans nach einer weiteren Single fallen gelassen. Schade. Sängerisches Potenzial war genug vorhanden, im Hintergrund gar ein männliches Mitglied der Gruppe.
I Wanna Love Him So Bad ist die klassische Geschichte der unerfüllten Liebe zu ihrem Jim, für den sie alles tun würde. So wunderbare Songzeilen wie „Would I look in his…“ Pause, dann der Chor, „ey-ey-eyes“ und noch mal das Gleiche „I could be in…“, Pause, „paradise“ kommen dabei völlig unkitschig daher. Keine Authentizität vorspielend, keine Gefühlsechtheit vortäuschend, begriff sich der Girlpop vielmehr als nimmersattes Rollenspiel, das die männlichen Hörer dadurch anstachelte, dass es diesen wahre Wunder von Liebe versprach, wo sonst im Allgemeinen nicht viel lief.

(·) Die Platte ist als dt. Vogue-Pressung nicht leicht zu bekommen und dürfte dann kaum unter 15 Euro zu bekommen sein.


The Ronettes: Be My Baby / Tedesco And Pitman 1963 B-London

Die Ronettes waren frecher, sie sangen nicht von „him“ und „Jim“, sondern von „you“ und „be my baby!“. Das war unmissverständlich an jeden gerichtet, der sich angesprochen fühlen wollte. Und so ist dieser Track sicherlich der ultimative Klassiker dieses Genres und sind die Ronettes die Inkarnation des Girl Group-Gedankens.
Der große Phil Spector bastelte so lange an diesem Track, dass für eine weitere Aufnahme keine Zeit blieb. Sie wäre auch Verschwendung gewesen. Deshalb enthält die B-Seite nur ein eher beliebiges, jazziges Instrumental mit einem recht seltsamen Titel. Swing, Vibraphon, nicht den Ansatz von wall of sound, keine Spur von dem Spector, dem die Welt schon die Teddy Bears und Crystals zu verdanken hatte.
Was er aber mit der A-Seite geschaffen hatte, schien dem großen Egomanen sehr wohl bewusst, ebenso wie er von Anfang an sicher war, dass er mit den Ronettes einen guten Fang gemacht hatte. Zusammen mit Greenwich und Barry schrieb er speziell für die unvergleichliche Stimme der Veronica Bennett diesen Song, schlich sich dann auch immer mehr ins Herz jener Dame und heiratete sie schließlich ´68, was diese dann zur Ronnie Spector machte. Ronnie allerdings hatte schon nach fünf Jahren die Nase voll von Kontrollfreak Phil und trennte sich von ihm.
Brian Wilson liebte Be My Baby und lernte viel von diesem Song. Angefangen von dem ebenso einfachen, wie großartigen Drums-Intro bis hin zum Sound der Instrumente, die man auf vielen Beach Boys-Platten wiederzuhören glaubt, ist der Track ein Lehrbeispiel für Spectors großartige Studioarbeit. Mag er mit den Crystals damals auch eine weitere hochkarätige Band produziert haben (mit deutlich mehr Erfolg übrigens), die Krone der Girl Groups gebührt dennoch den Ronettes mit dieser Single, ihrem einzigen Top 20-Hit.

(·) Oben abgebildet ist das Sleeve meiner recht seltenen belgischen 7”. Geradezu grotesk, dass die Flip auf dem Sleeve in gleich großen Lettern angekündigt wird wie die A-Seite. Die dt. London-Ausgabe hatte kein Pic-Sleeve.
Es ist nicht sonderlich schwierig, eine Copy von Be My Baby zu bekommen, in mint scheint die Platte allerdings kaum zu existieren.
PS: Ich besitze auch noch eine UK-Pressung und wundere mich, dass das Drums-Intro dort deutlich weniger wuchtig rüberkommt als bei der belgischen Ausgabe.

Today’s Tops:
1 Ronettes *****
2 Hardy ****1/2
3 Jelly Beans ****
4. Supremes ****
5 Flatmates ****
6 Ella ****

PS: Kommentare von Gastlesern gern auch an otis-online@gmx.de

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