Startseite › Foren › Die Tonträger: Aktuell und Antiquariat › Das Vinyl-Forum › 7″ Faves › Otis´ 7" Faves › Re: Otis´ 7" Faves
Wilbert Harrison: Kansas City / Listen, My Darling 1959 US-Fury
Jerry Leiber und Mike Stoller waren das größte Songwritergespann der 50s. Zwei Weiße, die ganz dem R&B verfallen waren, und schon als Zwanzigjährige Hound Dog (für Big Mama Thornton) geschrieben hatten, was Elvis drei Jahre später, 1956, dann noch einmal vergoldete.
Die Zusammenarbeit mit dem King, für den sie in seinen besten Jahren die wichtigsten Songlieferanten waren, brach urplötzlich ab, als Colonel Parker allzu unverschämt wurde und von ihnen erwartete, dass sie ihm einen Blanko-Vertrag unterschrieben. Das mussten sie sich nicht mehr antun. Denn längst hatten sie den 50s mit ihren Songs, die den R&B pop-kompatibel gemacht hatten, einen ureigenen Stempel aufgedrückt.
Noch vor Hound Dog hatten sie Kansas City geschrieben und als KC Loving mit Little Willie Littlefield auf den Markt gebracht. Ein Hit wurde dieser Song aber erst mit dieser Aufnahme im Jahre 1959, danach allerdings noch zig-mal gecovert (Little Richard, Brenda Lee, Beatles…).
Wilbert Harrison spielte Kansas City für das kleine New Yorker Fury-Label ein. Es wurde ein später, aber nichtsdestotrotz absolut großartiger und durchaus originärer Rock’n Roll-Klassiker. Weniger rockend als rollend ist er eine Hommage an die käufliche Liebe in Kansas City. Dabei lebt der Track nicht so sehr von dem gemächlichen Fats Domino-Style, den man zu Beginn zu hören glaubt, sondern vielmehr von den scharf durchgeschlagenen Beats, die einen Typen erkennen lassen, der ziemlich genau weiß, was er will. Das Gitarrensolo von Wild Jimmy Spruill gehört ebenfalls zum schärfsten, was die 50s in dieser Hinsicht zu bieten hatten. Große Klasse.
Auf Listen, My Darling, einer Ballade, kann Spruill eine ganz andere Seite seines Spiels zeigen, denn er kehrt hier ausgesprochen hörenswert eine Art Jimmy Reed heraus. Ein feiner Track.
(·) Diese Platte müsste für 15-20$ zu bekommen sein.
The Coasters: Poison Ivy / I’m A Hog For You 1959 D-London
Smokey Joe’s Café mit den Robins war nach Hound Dog der zweite große Hit von Leiber und Stoller in der ersten Hälfte der 50s. Die Band war von Johnny Otis entdeckt worden und nannte sich ab ´56 The Coasters. Von da an folgten vierundzwanzig Chartserfolge, allesamt aus der Feder der beiden Songwriter, viele davon Klassiker.
Für damalige Zeiten recht cool von den Texten her, selbstironisch und frech, fanden Songs wie Yakety Yak oder Charlie Brown ein dankbares jugendliches Publikum. War Yakety Yak ein flottes leichtes Etwas (ganz großartig natürlich und mit einem fantastischen Sax-Solo von King Curtis), so ließ Poison Ivy schon die kommenden 60s erahnen.
Der Song handelt von einer Giftpflanze, die arge Hautreizungen hervorrufen kann. Damit war natürlich ein entsprechendes Mädchen gemeint, dem man besser aus dem Weg ging, das einen dennoch bis unter die Bettdecke verfolgte. Der Text mag also noch typisch für die Fifties gewesen sein, aber die Aufnahme selbst weist schon in die 60er. Sie hatte einen deutlich langsameren und kräftigeren Beat als frühere und die Vocals waren sehr schön eingebettet in eine Art Band-Arrangement. Kein Wunder also, dass das Arrangement sich einige Jahre später fast unverändert als Beatnummer präsentieren konnte (Manfred Mann, Lords…). Ein Standard auch in den Sixties.
(·) Als obige dt. London in bester Erhaltung sicherlich recht selten, ansonsten wohl leichter zu finden.
The Johnny Otis Show: Willie And The Hand Jive / Ring-A-Ling 1958 D-Capitol
Obschon griechischer Abstammung wuchs Johnny Otis in LA in einer schwarzen Umgebung auf und war, wie Leiber und Stoller, dem R&B verfallen. Mit dieser Musik feierte er in den 50ern selbst große Erfolge als Produzent, Songwriter, Bandleader etc. Er entdeckte die Robins (Coasters), Etta James, Esther Philips, Big Mama Thornton und viele Namhafte mehr, indem er sie in seiner Johnny Otis-Show präsentierte und singen ließ. Einer der größten Hits dieser Johnny Otis Show war Willie And The Hand Jive von 1958, musikalisch eine schöne Hommage an Bo Diddley. Wenngleich textlich eher bescheiden, hatte die Nummer einen mitreißenden Drive, der sie sogleich zum Millionseller machte. Dabei weiß J. Otis hier allemal auch als Sänger zu überzeugen.
Ring-A-Ling ist eine überschäumend schnelle Rock’n Roll-Nummer, die von der Produktion her allerdings nicht annähernd mithalten kann und eher wie eine billige Live-Aufnahme klingt.
Oben habe ich ein altes, recht seltenes deutsches Capitol-Firmencover abgebildet, das eine Anleitung zum Umgang mit den Mittelstücken der Singles bei entsprechenden Plattenspielern zeigt. Gemessen an den herausgebrochenen Tri-Centers besaßen damals leider wohl viel zu viele Leute einen „Plattenteller mit dickem Zapfen“. Ich nehme aber an, dass die Hülle etwas älter sein dürfte als die Platte selbst. Weiß jemand mehr? Wir warten weiter sehnsüchtig auf das dicke Buch zur Geschichte der deutschen Firmenlochcover. ,-)
(·) Die Single muss sich in D ganz gut verkauft haben, dürfte von daher nicht allzu teuer sein.
Today’s Tops:
1 Sam Cooke *****
2 Price ****1/2
3 Harrison ****1/2
4 Coasters ****
5 Johnny Otis ****
6 Don and Dewey ****
PS: Kommentare von Gastlesern gern auch an otis-online@gmx.de
Notizen:
Johnny Otis, der Mama Thorntons Hound Dog aufgenommen hatte, verlor den Prozess, in dem er versuchte an den Autorenrechten dafür beteiligt zu werden.
Autorenrechte waren in den Fifties ohnehin Handelsware. Elvis und Parker waren an den Tantiemen durchweg beteiligt, obwohl sie natürlich keinerlei Autorenschaft vorweisen konnten.
Art Rupe glaubte, Ansprüche auf You Send Me geltend machen zu können, weil Sam den Song noch während der Vertragslaufzeit geschrieben hatte. Das wurde mit der Zuschreibung auf den Bruder umgangen.
Bei Specialty war Sonny Bono Produzent (er könnte auch die obige Don & Dewey-Single produziert haben). Das war mir neu. Ich hatte mich immer etwas über das erhebliche Selbstbewusstsein Bonos gewundert, gerade in der Zusammenarbeit mit Cher. Aber er war eben ein alter Hase und mit allen musikalischen Wassern gewaschen.
Erst bei den Recherchen habe ich Wild Jimmy Spruill kennengelernt und registrieren müssen, dass er an den Aufnahmen von so einigen meiner Fave-Singles beteiligt war.
Wikipedia meldet: In 1956, Stoller survived the sinking of the SS Andrea Doria. After his rescue, Leiber greeted him at the dock with the news that „Hound Dog“ had become a hit for Elvis. His reply was „Elvis who?“
--
FAVOURITES