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Faves #69
The Kingsmen: Louie Louie / Haunted Castle 1963 D-Vogue
Der Punk hat viele Geburtsstunden. Diese ist eine davon. Nun ist es ja nicht so, dass Punk ein rein musikalisches Phänomen wäre, derart rüde, rau und ungestüm spielten Hunderte, wenn nicht Tausende von Bands, damals wie heute, mal mehr, mal weniger gekonnt, mal mehr, mal weniger gewollt. Das Spannende an dieser Aufnahme war, dass sie zu einem derartigen Hit werden konnte. Die pure archaische, wenn nicht gar anarchische Energie fand den Weg in die Charts der Welt, womit diese Art von musikalischer Urwüchsigkeit zu einem kulturästhetischen Phänomen wurde. Punk eben. Oder Garage. Oder Rock’n Roll, wie er sich von Beginn an immer mal wieder neu erfindet.
Dabei gab es im Nordwesten der Staaten noch einige Gruppen mehr, die sich unter diesem Etikett wohl fühlten, so die Wailers oder die unvergleichlichen Sonics. Aber nur The Kingsmen erreichten damals internationale Bekanntheit, so sehr, dass dieser Klassiker der Garagenszene auch in Deutschland als Single veröffentlicht wurde. Und etwas Glück war wohl auch dabei, dass gerade ihre Aufnahme dermaßen einschlug, war doch dieser Richard Berry-Song von 1956 unter den Bands im Nordwesten überaus angesagt.
Louie Louie ist auf seine Art die Blaupause für vieles andere und wurde tausendfach gecovert. (Ein kalifornischer Radiosender soll den Song 64 Stunden lang hintereinander in verschiedenen Versionen gespielt haben.) Es ist in seiner Machart derart „anstößig“, dass die Single gar wg. ihrer obszönen Texte geschasst wurde, obwohl nichts Obszönes zu hören ist, wenn man denn überhaupt etwas versteht. Nein, es ist diese naive Urgewalt, das Fehlen von musikalischem Anstand und professioneller Feinheit, was hier so radikal wirkt. Der Sänger kann nicht singen, durfte es nach dieser Single auch nicht mehr, die Aufnahme klingt nach billigstem Equipment, ist extrem direkt, völlig ungeschminkt. Es poltert und prasselt, dass es eine wahre Pracht ist. Perfekter hätte das alles nicht sein können. Das ist Singles-Musik par excellence. Für mich eigentlich undenkbar, eine Kingsmen-LP aufzulegen.
(·) Als dt. Single sicher nicht häufig, auch erschien sie wohl nicht mit Pic-Sleeve. Ein US-Original sollte für 10 $ leicht zu bekommen sein.
Herman’s Hermits: I’m Into Something Good / Your Hand In Mine 1964 D-Columbia
Herman’s Hermits haben keinen allzu guten Ruf. Dabei ist diese Manchester-based Gruppe um Peter Noone, zur Zeit dieser Aufnahme gerade mal 16 Jahre alt, allemal den meisten Beat-acts der Zeit ebenbürtig, wenn nicht gar überlegen. Und dass sie in den Staaten gar Beatles-ähnliche Erfolge verzeichnen konnte, ist Grund genug, diese ihre erste Single einmal auszugraben.
I’m Into Something Good ist ein Goffin/King-Song, dem die Band hier ein überaus locker flockiges Arrangement verpasst, was mit der unverbraucht klingenden, aber überaus präzisen Stimme Noones aufs Beste harmoniert. Your Hand in Mine ist etwas straighter in seiner Attitüde. Beat pur. Wundervoll leichtfüßiges Musizieren, wie wir es auch von den Searchers kennen.
Ich habe die Band damals sehr gemocht (zumal eine Namensverwandtschaft bestand ,-)) und einige ihrer Singles sind für mich nach wie vor absolut hörenswert.
(·) Im UK war I’m Into Something Good die einzige No.1-Single der Band, was man angesichts des Welthits No Milk Today kaum glauben mag. Bei uns wurde dieses Debüt damals wohl etwas übersehen. Aber das kann niemals den viel zu hohen Eintrag im deutschen Single-Preiskatalog von über hundert Euro für obiges Exemplar rechtfertigen.
The Four Seasons: Rag Doll / Silence Is Golden 1964 D-Philips
Wenn Frankie Valli singt, geht die Sonne auf. Wenn Rag Doll beginnt, erst recht. Wunderbar dieses vielstimmige Intro. Die hohe Kopfstimme des Leadsängers im Verbund mit den harmonies der anderen war das Markenzeichen der Band, dennoch hatte Valli auch eine durchaus zupackende, ja leicht beißende Stimme, was gerade in Rag Doll besonders schön zur Geltung kommt. Ein Geniestreich aus Beach Boys, Phil Spector und ureigenen Zutaten. Ein Song, der auch von seinen Backgroundchören lebt, die gleich beim ersten Hören derart ins Ohr gehen, dass man sie fürs Leben nicht mehr missen möchte.
Von Rag Doll gibt es eine recht gute dt. Version der Five Tops auf Philips.
Silence Is Golden ist das Original des späteren Welthits der Tremeloes. Alles, was diesen dann an publikumswirksamen Ideen ausmachte, ist hier schon vorhanden, und noch ein bisschen mehr. Lohnend zu studieren, warum jener der Hit und dieser nur eine Flip.
(·) Ein Pic-Sleeve zu dieser dt. Single kenne ich nicht. Was sie derzeit am Markt kostet, weiß ich leider nicht. Mit 10 Euro sollte man aber schon rechnen.
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