Re: Otis´ 7" Faves

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otis
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The Rolling Stones: Jumping Jack Flash / Child Of The Moon 1968 D-Decca

Lange war nichts von ihnen zu hören gewesen. Die letzte Single 2000 Lightyears hatte mich etwas ratlos gemacht, die Rückseite (She’s A Rainbow) entschädigte über die Maßen. Und nun im Vorfeld der Neuen hieß es, die Stones hätten wieder zur alten Power zurückgefunden. Sie sei ganz anders, von allererster Klasse.
Und dann hörte/sah ich sie zum ersten Mal im Beatclub. Etwas Schminke aus satanischen Zeiten war noch da, aber welch eine Kraft steckte hinter dieser neuen Platte. Das waren Sounds, wie wir sie noch nie gehört hatten, eine Produktion, die für sich in Anspruch nehmen konnte, absolut neuartig und gleichzeitig perfekt zu sein, und ein Song, der sofort in den Stones-Top 5 sich ansiedelte.
Das Ganze kommt ungemein dicht daher, die Lead-Gitarre im Hintergrund klingt scheppernd schrill, ein fulminant aufheulender Bass, von dem wir heute wissen, dass Keef ihn beisteuerte, Micks vocals, die sich förmlich in die Melodielinien des Songs hineinbissen, und eine hookline, der man sich auch heute noch nicht entziehen kann. Grandios.
Child Of The Moon ist aus ähnlichen Gründen ähnlich großartig.
Beide Tracks enstammen den Beggar’s Banquet-Sessions, hätten die Statik der LP aber gründlich ins Wanken gebracht. So ergaben sie „nur“ eine der perfekten Singles dieser Welt. Und wir Hörer waren nach diesen Geniestreichen bestens vorbereitet auf das neue Album.

(·) Preis ca. 10 Euro


The Rolling Stones: Honky Tonk Women / You Can’t Always Get What You Want 1969 D-Decca

Diese Single enthielt die mit Spannung erwarteten ersten Vorboten von Let It Bleed, obwohl der Titelsong dort völlig verändert als „Country-Honk“ wieder auftauchte und der wunderschönen Rückseite dieser seltsame, klassische London-Bach-Choir vorgelagert wurde. Und es war eine Platte des Übergangs, von Brian Jones zu Mick Taylor. Beide haben hier noch ihre Anteile. Veröffentlicht wurde sie am Todestag des soeben geschassten B. Jones (ein tragischer Zufall) und drei Tage später beim legendären Hyde Park-Concert gar am Eingang verschenkt.
Jetzt, zum Ende der 60er hatte sich so einiges verändert in der Musikszene. Neue Singles erschienen nicht mehr im Quartalsrhythmus, sondern ließen auf sich warten. LPs wurden immer wichtiger und mehr und mehr die eigentlichen Träger des musikalischen Outputs einer Band. Die Single begann ihre Bedeutung zu verlieren, und so ist es nur logisch, dass diese hier die vorerst letzte „klassische“ 7“ der Stones war, mit zwei non-LP Tracks. Brown Sugar erschien dann schon zusammen mit der LP, als Auskoppelung aus Sticky Fingers.
Natürlich ist Honky Tonk Women ein unglaublich großartiger Track. Dass er es aber wohl nicht in die Top 3 der Stones bei mir schaffen wird, hängt einzig und allein daran, dass sich der etwas vertrackte, leicht kantige, aber absolut perfekt in Szene gesetzte Grundrhythmus, der dem Track sein Gepräge gibt, bei mir nicht zwingend in Verbindung bringt mit dieser Hommage an die Prostituierten dieser Welt. Da gerade jene der Südstaaten angesprochen werden, fehlt meinem Ohr ein ganz klein wenig der swingende Southern-Flow. Aber das mag geschmäcklerisch sein, ansonsten ist es natürlich ein perfekter Track.
Die Rückseite habe ich von jeher mindestens ebenso geliebt.

(·) Die Single dürfte für 10 Euro noch gut zu bekommen sein.


Mick Jagger: Memo From Turner / Natural Magic 1969 D-Decca

In die Zeit von Honky Tonk Women fiel auch diese Jagger-Solo-Single, die einen Teil des Soundtracks für den Roeg-Film Performance ausmachte, in dem Mick eine der Hauptrollen spielte.
Der Track wird beherrscht von Ry Cooders großartiger Bottleneck-Guitar, und zwar in einer derart dominanten Weise, dass es mir damals zunächst etwas fremdartig vorkam. Auch Jaggers Sprechgesang und das Fehlen eines klassischen Refrains lockte nicht unbedingt die Käufer in die Läden. Wenig später aber schon faszinierte diese Aufnahme mich so sehr, dass diese Single eine der ersten „Stones“-7“s, nach der ich Ausschau hielt, als ich mit dem ernsthaften Sammeln in den 70ern begonnen hatte. Dabei ist der Stones-Anteil bis heute etwas umstritten und auch die Keef-credits auf dem Label sind nicht korrekt. Nicht er, sondern Jaggers Filmpartner Donald Cammell soll seine Finger beim Songwriting mit im Spiel gehabt haben. Sei’s drum. Memo From Turner ist für mich nach wie vor eine ganz überragende Stones-related 7“, auf der Micks vocals unglaublich intensiv daherkommen und das backing von allererster Güte ist.

(·) Ich habe die Preise für diese Platte wenig beobachtet. Sie schien mir lange Zeit ein wenig missachtet von manchen Fans. Ich denke, dass man für 10 – 15 Euro ein gutes Exemplar bekommen sollte.

Diese Ausgabe der Faves war mein Beitrag zur aktuellen Tournee, gleichzeitig eine schöne Vorbereitung auf „mein“ Stones-Konzert in der nächsten Woche. Aller Voraussicht nach werden sie dieses mit Jumping Jack Flash eröffnen. Ebenso wie mein erstes 1970. Aber nicht nur deshalb:

Today’s Tops:
1 Jumping Jack Flash
2 Honky Tonk Women
3 Memo From Turner
4 Have You Seen Your Mother
5 Little Red Rooster
6 We Love You

PS: Kommentare von Gastlesern gern auch an otis-online@gmx.de

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