Re: Otis´ 7" Faves

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otis
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Faves #65


The Rolling Stones: Little Red Rooster / Off The Hook 1964 D-Decca

„Wie immer sich auch die Linie in der Musik entwickeln wird – die STONES werden dabei sein – swingend an der Spitze mit ihrer einmalig erfrischenden Kontribution zur populären Musik von heute.“
Der Schreiber dieser Zeilen, die auf der auf der Rückseite des dt. Sleeves dieser 5. Single der Stones zu finden sind, hätte sich sicher nicht träumen lassen, wie recht er mit seiner Voraussage auch noch nach mehr als 40 Jahren haben würde. Und viel mehr muss zu dieser Single auch gar nicht gesagt werden: „swingend“ und „einmalig erfrischend“ trifft es auf den Punkt. Vielleicht noch, dass Jagger/Richards ihre Off The Hook-Autorenschaft bei dieser Single hinter dem Pseudonym Nanker/Phelge versteckten. Für mich ein Indiz dafür, dass ihnen daran gelegen war, so authentisch und unverdächtig wie möglich auf der schwarzen R&B-Schiene weiterzufahren, die sie seit Beginn ihrer Bandgeschichte so erfolgreich beackert hatten. Da hätten sich ihre Namen als Credits womöglich nicht gut genug gemacht. (Tops weiß bestimmt die richtigere Erklärung dafür.) Dass Off The Hook in diesem Umfeld aber allerbestens abschneidet, damals gar eine echte Fortentwicklung und Bereicherung im Repertoire darstellte, macht diese Single nur um so wichtiger.
Über die Version von Willie Dixons Little Red Rooster müssen wir hier kein Wort verlieren. Ganz groß.

(·) Die frühen Stones-Singles in bester Erhaltung sind sehr gesucht. Viele gibt es mit mehreren Covervarianten. Obiges Cover mit Platte dürfte in Mint ca. 40 Euro kosten, das alternative Fünf-Köpfe-Cover eher das Fünffache.


The Rolling Stones: Have You Seen Your Mother, Baby, Standing In The Shadow? / Who’s Driving Your Plane 1966 D-Decca
Ein Track, der verdammt eigen und kompromisslos war, sich natürlich mittlerweile auch deutlich von den frühen R&B-Sachen abhob, keine Nr. 1 mehr wurde, aber weiterhin Freund von Feind trennte, möglicherweise mehr noch als zuvor. Wer diese Platte damals gut fand, war ein Fan, so habe ich es jedenfalls erlebt. Sie verlangte dem Hörer ein klein wenig mehr ab als Paint It Black und Mother’s Little Helper zuvor, belohnte ihn dafür aber wieder einmal mit einem Satz neuer Ohren.
Wir schreiben Herbst 1966, die Fab blockierten mit Yellow Submarine die Top-Position der Charts. Ja, es lebe der kleine Unterschied: Was war das für eine unerhört heulende Gitarre zu Beginn! Welch ein wild gewordener Song! Bläsersätze im Hintergrund, dazu dieser leicht grottige Sound, der jede Art von Lieblichkeit im Keim zu ersticken schien.
Wenn man bedenkt, dass der Track im Zuge der Buttons-Sessions aufgenommen wurde, gleichzeitig mit Back Street Girl und Cool Calm Collected, ahnt man, wie sehr dieses ungestüm Rohe, so dermaßen Kraftvolle dieser Single gewollt gewesen sein muss. Ein paar Wochen nach dem Erscheinen von Revolver eine mehr als adäquate Antwort.
Die Flip ist eher wieder im R&B der früheren Jahre angesiedelt, durch das recht eigentümliche vocals-Echo im Hintergrund dann aber doch wieder mit zeittypischen Ingredienzien.

(·) Auch hier gibt es wieder verschiedene Cover. Obiges ist das häufigere und mit Top erhaltener Single wohl ab 30 Euro teuer, jenes mit dem grünen Balken kostet etwas mehr.


The Rolling Stones: We Love You / Dandelion 1967 D-Decca

Mick und Keith kommen wg. Drogenmissbrauchs vor Gericht und werden zu Gefängnisstrafen verurteilt. Ein unglaublicher Schock für alle, aber es kam als warnendes und abschreckendes Beispiel zu spät. Wir hatten mittlerweile so viel mehr Vertrauen zu den Stones gefasst als zu einer Gesellschaft, die unsere Helden wegsperren wollte, dass wir gern in die Titelzeile einstimmen mochten in diesem Sommer der Liebe. Das Wort Establishment war auch für uns 14-Jährigen kein Fremdwort mehr, wir buchstabierten es rauf und runter und fühlten uns keineswegs als ein Teil davon. Auch wenn Drogen für die meisten unseres Alters 1967 noch keine Bedeutung hatten, auch wenn unsere Sympathie mit den beiden Knastbrüdern mit einer solchen für Drogen nichts zu tun hatte, aber die Welt, die diese großartigen Burschen deshalb wegsperren wollte, musste eine falsche sein.
Und so war We Love You, das damals gern als Solidaritätsbekundung an die beiden Inhaftierten gesehen wurde, für mich persönlich eine sehr wichtige Single, mit ihr bezog ich möglicherweise erstmals bewusst Stellung gegen die Gesellschaft als System, gegen das Establishment. Dabei war die Who-7“ Under My Thumb, nach dem zunächst harten Urteil (einige Monate Gefängnis für jeden) über Nacht aufgenommen und auf den Markt gebracht, weitaus mehr eine Reverenz und Protest gegen das Urteil als We Love You.
Mick und Keef saßen also im Knast, wenn auch nur für ein paar Tage, da sie bald gegen Kaution und unter strengen Bewährungsauflagen entlassen wurden. Die Grundidee zu dem Song hatten Jagger/Richards schon lange vorher gehabt, Brian Jones arbeitete ihn im Studio weiter aus. Und John und Paul sangen Background. Allen Unkenrufen zum Trotz, die zumindest damals auch gesellschaftspolitisch motiviert sein mochten, war der Track musikalisch toll, sehr schön auf den Punkt gebracht mit leichten Psych-Anklängen, am Ende ein Rückwärtsloop mit Fetzen von Dandelion. Eine Satanic durchgehend auf diesem Niveau hätte es seinerzeit sicher leichter gehabt. Aber We Love You blieb, wie die Rückseite, zunächst auf LP unveröffentlicht.
Dandelion entstammt den Buttons-Sessions und ist ebenfalls eine ganz wunderbare Nummer. Viel Melodie, viele feine Arrangement-Ideen und Instrumente, wunderbare background-vocals und überhaupt… einfach schön. Einzig der drum-sound scheint mir ein ganz klein wenig überdimensioniert.

(·) We Love You erschien in D nur mit diesem Cover und sollte für 15 – 20 Euro zu bekommen sein.

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