Re: Otis´ 7" Faves

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otis
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T.J. Black: Gotta Turn Myself On, Babe / She Belongs To Me To Me 1965 D-Vogue

Eine Seltsamkeit par excellence. Oder kann man sich US-garage-folk-punk mit Oboe vorstellen? Wohl kaum. Dennoch geht es in diese Richtung. Songwriting, vocals, instrumentales Schrammel-backing sind archetypisches US-Lo-Fi aus jener Zeit, wie man es sich kaum schöner wünschen kann. Die Oboe garniert. Wieso gerade sie, mag nur T.J.Black selber wissen. Aber sie passt in ihrer Quengeligkeit wunderbar hinein in dieses Arrangement und gibt beiden Songs jeweils das unverkennbare Etwas, das sie zu Besonderem macht. Auch die A-Seite. Dylanesk keine Frage, viele Versatzsstücke, dennoch insgesamt herrlich eigenständig. Eine Ohrenweide.
She Belongs To Me geht noch einen Schritt weiter. Auf slow motion getrimmt schleicht sich der Track in die Gehörgänge. Die aufheulend verzerrten Orgelsounds, die hier die Oboen-Rolle der A-Seite übernehmen, bevor selbige dann doch noch zu Gehör kommt, hätten selbst einem Garth Hudson zur Ehre gereicht. Der schlurfend schlaffe Rhythmus mit der jangling guitar und der nölige Gesang könnten Zweifel daran aufkommen lassen, dass es für diesen Typ ein so wunderbares Mädel, wie es in Dylan’s Song erscheint, geben könnte, bis man erkennt: That’s really cool! 65er Coolness, die auch Dylan damals auszeichnete und die T.J. Black hier in ein paar Minuten Musik zu packen wusste.
Ich weiß schlichtweg gar nichts über diese Aufnahme oder den Interpreten. Aber er hat hier einen kleinen Edelstein veröffentlicht, der bislang in der interessierten Öffentlichkeit keine Anerkennung gefunden hat. Mag sogar sein, dass diese dt. Vogue-Pressung die einzige weltweit existierende ist, obwohl es Hinweise auf eine amerikanische 7“ auf Jubilee gibt. Die Produktion jedenfalls scheint mir definitiv von jenseits des Atlantik zu sein. Es wäre kein kleines Wunder, wenn Kontinentaleuropäer zu jener Zeit etwas in sich derart Stimmiges und selbstbewusst Reduziertes hinbekommen hätten.
Klasse Platte.
(·) Sehr selten.


Brian Diamond & The Cutters: Bid Bad Wolf / See If I Care 1965 F-Vogue

Brian Diamond gehörte nicht in die erste oder zweite Reihe der Beatmusiker im UK, aber, und da geht kein Weg dran vorbei, er hat dieses Big Bad Wolf geschrieben, einen klassischen Ohrwurm. In England sind für Brian Diamond vier Singles gelistet, allesamt weit über 20 Euro, diese ist demnach seine dritte. Ich kenne die anderen nicht. Aber es gibt noch mindestens eine weitere und sie ist ebenfalls bemerkenswert: die deutsch gesungene Fassung dieses Songs, welche als „Keine Angst Little Woman“ den Weg in die Welt der 1000 Nadelstiche fand.
Big Bad Wolf war 1965 sicher schon etwas unzeitgemäß, aber es hat eine so schöne Melodie, einen derart mitreißenden Flow, dass man ihm die Anerkennung nicht versagen kann. Man höre die Gitarre, die Vocals, die bridge. Allein sie lässt das Herz schmelzen. Nur der Rhythmus scheint etwas stumpf geraten, was dem Ganzen eine swing- und letztlich wohl auch charts-lose Existenz am Rande der Aufmerksamkeit bescherte.
Wie gesagt, eine klasse Melodie und wie gemacht für den deutschen Markt. Anlass genug also für eine dt. Version, die trotz des sperrigen Titels übrigens nicht allzu viel von ihrem originalen, etwas naiven Charme eingebüßt hat.

(·) Auch wenn die Besitzer von Kene Angst Little Woman diese gern als besonders rar zu kennzeichnen pflegen, so habe ich in meinem Leben schon eine Vielzahl davon gesehen, aber nur ganz vereinzelt diese Original-Version, die als frz. Pressung bei uns auf den Markt kam. Putzig das Sleeve: Hits U.S.A. Ca. 25 Euro.


The Walker Brothers: Love minus Zero / Lonely Winds 1965 J-Philips

Die schönste Coverversion eines der schönsten love songs des Meisters. Ein Track, den ich so liebe, dass ich ihn unbedingt auch auf Single haben wollte. Ich habe lange danach gesucht und schließlich eine in Japan gefunden (leider etwas unvollkommen, siehe die Aufkleber auf der Sleeve-Beilage, die sich jeder Ablösung hartnäckig widersetzen). Allerdings gehört diese 7“ für mich nicht in meine Top 100.
Wäre sie bei uns oder im UK als 7“ veröffentlicht worden, sähe die Sache anders aus. Da sie „nur“ ein Japan-release war, fällt sie raus. Seltsame Logik, aber so denkt der verbohrte 7“-Fan nun mal. Ansonsten könnte jede obskure thailändische Gimme Shelter kommen und einen Platz unter den 5 besten Stones-Singles beanspruchen. Das macht man nicht mit! ;-) Die Japaner jedenfalls verehrten diese Band und besonders Scott damals so sehr, dass es dort einige Singles der „Brüder“ mehr gab als andernorts.
Immer auf der Suche nach gutem Material hatten die Walkers damals also auch einen Song des seinerzeit hipsten Künstlers aufnehmen wollen. So gelangte dieser Track auf die erste LP und stach dort durch seinen folkigen Charakter etwas heraus.
Über Song und Walkers-Interpretation muss hier nicht viel gesagt werden, beide dürften den Interessierten bekannt sein. Wenn nicht, siehe den Eingangssatz. Herrlich die Vocals: Eine der schönsten Dylan-Melodien gesungen von Scott. Nuff said! Herrlich das Arrangement: Herzzerreißend schöne Strings auf einem leicht folkigen Fundament mit einem großartigen Gitarrensolo. Was will man mehr?!

(·) Japanische Singles hatten statt einer geklebten Bildhülle oft nur bedruckte Blätter als Beilage, diese sind heute in guter Erhaltung relativ selten. Dennoch sollte die Single, wenn man lange genug sucht, für ca. 25 Euro zu bekommen sein.

Today’s Tops:
(1) Walker Bros.
2 Noreen & Donna
3 Black
4 MPD Ltd.
5 Vacels
6 Diamond

PS: Kommentare von Gastlesern gern auch an otis-online@gmx.de

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