Re: Otis´ 7" Faves

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otis
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The Beach Boys: California Girls / Let Him Run Wild 1965 US-Capitol

Die Hymne der Beach Boys auf die Mädels der Welt mit einem der schönsten Intros der Pop-Geschichte, welches allein ausreicht, diese Single in den All Time-Top100 zu platzieren. Unglaublich, was Brian Wilson in diesen gut zwanzig Sekunden geschaffen hat.
Das Intro ist völlig eigenständig und nimmt musikalisch nichts von dem späteren Song vorweg und dennoch mündet es ganz selbstverständlich und absolut notwendig in den Grundrhythmus und -gestus desselben. Dass darüber hinaus jeder Ton dieses Anfangs in seiner Sanftheit einer Streicheleinheit an das weibliche Geschlecht gleichkommt, zeigt nur die musikalische und produktionstechnische Genialität des Meisters, die nun völlig auf der Höhe ihres Schaffens war.
Aber da ist natürlich noch weit mehr zu hören. Der Song, der ganze Track atmen eine Leichtigkeit, die süchtig macht. Wunderbare backgroundvocals (whoo-aahh), das feine Orgelbreak kurz vor Schluss und unter allem der leicht wiegende Rhythmus, der sich im Intro so zögerlich angedeutet hatte. Besser kann eine Pop-Platte kaum sein.
Ein Kuriosum scheint das obige US-Sleeve zu der Single. Unverkennbar zeigt es die fünf in Berlin am Ku-Damm, eine Weltläufigkeit demonstrierend, die ja auch im Text zum Ausdruck kommt. Aber wo sind die Mädchen? Auf der Rückseite immerhin zwei Passantinnen, während die Boys dort im Straßencafe (Kranzler?) ihren Kaffee trinken oder ein Eis essen. Das alles bei arg unkalifornischen Temperaturen. Zudem ist das Sleeve so geschnitten, dass Let Him Run Wild (natürlich ebenfalls ein grandioser Track) als A-Seite sich anbietet.

(·) In Deutschland erschien diese Single mit einem 08/15-Cover, dem dennoch ausgesprochen gesuchten car-cover, das für viele Beach Boys-Veröffentlichungen verwendet wurde. Das US-Sleeve ist natürlich bei weitem interessanter. Beide Versionen dürften aber mit bestens erhaltenem Vinyl kaum unter 25 Euro zu bekommen sein.


The Soft Boys: I Wanna Destroy You / I’m An Old Pervert (disco) 1980 UK-Armageddon

Ganz anders als die amerikanischen Feelies, aber mit ähnlicher Attitüde, meldeten sich die englischen Soft Boys Ende der Siebziger zu Worte. Sie verpackten ihre musikalische Message zwar etwas konventioneller, zumal sie mit zwei großartigen Gitarristen (Robyn Hitchcock und Kimberley Rew) aufzuspielen wussten, ließen dafür aber textlich keinen Zweifel daran, dass sie mit den gemeinen Menschendingen nicht allzu viel am Hut hatten. Sie sangen deshalb von Seltsamkeiten wie jodelnden Staubsaugern, Wanderungen durch Ventilatoren und immer wieder von Krabben, Austern und anderem Getier.
1980 bewegten sie sich auf ihr LP-Meisterwerk Underwater Moonlight zu, das diese Single enthielt. Und irgendwie wurden sie hier plötzlich etwas deutlicher. I wanna destroy you mochte auf den ersten Blick eine jener bösen Geschichten a la Ugly Nora oder Sandra’s Having Her Brain Out sein, schien hier aber ernster gemeint und mag denn auch der eisernen Lady Thatcher gegolten haben.
Es ist eine grandiose Kampfansage. Mehrstimmig und in höchsten Tönen fällt sie gleich mit der Tür ins Haus und zieht den Hörer in ihren Bann. Da gibt es nicht nur keinen Zweifel an der Rechtschaffenheit des Unterfangens oder an seinem Erfolg, sondern das Ganze kommt derart hymnenhaft, dass man als Hörer gleich mit anpacken möchte, das destroying zu vollenden. Und dennoch: very british das alles. ;-)
Zwei Jahre später veröffentlichte Kimberly Rew seinen Kommentar zum Falkland-Krieg mit ähnlichen musikalischen Mitteln (Hey, War Pig! hier in den Faves schon besprochen).
Auf der Rückseite macht sich ein geiler, alter Penner an junge Mädchen heran. Böse und musikalisch gnadenlos wird diese Szene ausgespielt. Da und dort höre ich bei den Soft Boys sogar ein bisschen Cpt. Beefheart durch. Dies hier ist so ein Track. Und wer den netten Herrn Hitchcock einmal live gesehen hat, mag ihm solche textlichen und musikalischen Anwandlungen gar nicht so recht zutrauen.
Eine tolle Band, wie die Feelies reichlichst unterschätzt, deshalb beide heute hier mal wieder gewürdigt.

(·) Die Single dürfte einigermaßen leicht für ca. 10 Euro zu bekommen sein.


Love: 7 And 7 Is / No. Fourteen 1966 US-Elektra

Mit Forever Changes lieferten sie ihr musikalisch leicht verspieltes Meisterwerk ab. Ein Jahr zuvor aber standen Love mit dieser Single noch ganz in der Spur der rauen Garagenbands und präsentierten der Welt hiermit ihre wildeste, gleichwohl bis ins Letzte unglaublich präzise Aufnahme.
Ein umwerfender Sound, ungemein dynamisch und direkt, mit selten gehörter Power. Allein für den Einstieg sollen sie viele takes gebraucht haben, bis sie ihn so hinbekommen haben, wie er heute zu hören ist. Es ist eine Tour de Force in jeder Hinsicht mit unglaublicher Rasanz. Lee’s schmetternde Gitarre, ein Bass, dessen Präsenz und stürmische Glissandi kaum aufzuhalten sind, und wirbelnde drums, die die zwei Minuten zu einem nimmermüden Sprint zu machen scheinen. Im Pulverrauch einer slow motion cannon ball kommt man endlich zum Luftholen und die ganze Hektik löst sich in harmlosem, nichtsdestotrotz griffig passendem Gitarrengeplänkel auf. Musikgewordener Wahnsinn.
1971 kaufte ich meine erste Love-LP, die dt. Pressung der 2. LP Da Capo. Sie enthielt 7 And 7 Is. Ich war hin und weg und bin es heute noch. Allerdings: In dieser Wucht erlebe ich den Titeltrack nur auf der Single.
Was den Song selbst anbelangt habe ich mir noch nie die Mühe gemacht, den Titel bzw. die lyrics auf ihren tieferen Gehalt hin zu ergründen. Vor allem auch nicht den Bezug zu No. Fourteen, der B-Seite, die von einer ganz anderen Art ist, dennoch ähnlich erbarmungslos in ihrer Eigenheit. Wabernd tremolierende Gitarren, hohle Geräusche aus irgendeinem atavistischen Blasrohr, überspannte vocals und ein unruhiges Rhythmusgefüge lassen Einflüsse diverser Substanzen erkennen. Dennoch schaffen die Musiker es hier und in der Folgezeit noch, absolut stringente musikalische Meisterwerke abzuliefern. Wenn auch die Rückseite der LP Da Capo damals schon Böses für die fernere Zukunft ahnen ließ.

(·) Mir sind bei dieser Single mindestens drei verschiedene Versionen des Elektra-Lables bekannt. Ich weiß nicht, welches das Original ist, nehme an, jenes schwarz-gelbe, auf der Arthur Lee nicht gesondert als Sänger genannt ist. Falls jemand mehr weiß, bitte melden.

Today’s Tops

1 Beach Boys
2 Love
3 Feelies
4 Ovations
5 Human Beinz
6 Soft Boys

PS: Kommentare von Gastlesern gern auch an otis-online@gmx.de

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