Re: Otis´ 7" Faves

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otis
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Faves #61


Elvis Presley: (Marie’s The Name) His Latest Flame / Little Sister 1961 D-RCA

1960 wurde Elvis aus der Army entlassen. Allen Unkenrufen zum Trotz, der Rock’n Roll sei längst tot, glückte ihm auf Anhieb mit der grandiosen LP “Elvis Is back” ein glänzendes Comeback (mit so tollen Tracks wie Fever oder Reconsider Baby). Das hielt ihn gleichzeitig und in der Folge aber nicht davon ab, mit sehr balladesken Titeln wie It’s Now Or Never (O Sole Mio), Are You Lonesome Tonight, Wooden Heart oder Surrender in den Charts ganz oben mitzumischen. Ein Jahr später, im Spätherbst ´61, gelang ihm mit obiger Single dann auch in musikalischer Hinsicht wieder ein ganz großer Charts-Erfolg.
Es ist meine zweitliebste Single von ihm. Sie enthält zwei der besten Tracks, die der King jemals aufgenommen hat, und ist deshalb als Single kaum zu toppen.
Hinter dem kühlen und völlig unbeteiligt, fast mechanisch wirkenden Arrangement von His Latest Flame verbirgt sich eine Eifersuchtsgeschichte, die sich auch in Elvis’ Gesang nur ansatzweise widerspiegelt. Das aber macht gerade den Reiz dieser Aufnahme aus.
Die Drums spielen unbeirrt ihren locker leichten, wenn auch sehr eigenen Rhythmus, sie werden begleitet von einem Minimum an Gitarre und Bass. Als offenkundig wird, dass der Sänger gerade seine geliebte Marie an einen alten Freund verloren hat, kommen noch ein paar Pianotöne hinzu, ebenfalls extrem reduziert, zusätzlich leicht verfremdet klingend.
Ja, hier verbirgt jemand seinen Schmerz, muss jemand sein Gesicht wahren angesichts der gerade erlebten Katastrophe. Und plötzlich hört man die musikalische Maske als Kaschierung einer großen Verletzung und die harmonische Schwebe, in der große Teile des Songs fest hängen, als eine Art Starre, aus der der von seiner Marie so enttäuschte Sänger sich nicht zu lösen vermag. Herzzerreißend schön.
Little Sister dagegen ist ein Rocker mit straightem Rhythmusfundament und einer grandios twangenden E-Gitarre. Hier gibt Elvis den Starken, hier spielt er seine Coolness aus, auch der kleinen Schwester gegenüber, an die er sich hoffnungsvoll heranmacht, als Ersatz für die große Schwester, die sich mit anderen herumtreibt, mit den Jim Dandys dieser Welt.
NB: Die Figur des Jim Dandy taucht zum ersten Mal in zwei Hits von LaVern Baker aus dem Jahre 1956/57 (Jim Dandy und Jim Dandy Got Married) auf. Dass Little Sister Bezug darauf nimmt, veranlasste LaVern Baker, noch im gleichen Jahr, 1961, einen „Antwortsong“ aufzunehmen: Hey Memphis. Ich habe diese Aufnahme vor Monaten hier vorgestellt.

(·) Obige Single sollte noch einigermaßen leicht zu bekommen und nicht allzu teuer sein.


The Who: My Generation / Shout And Shimmy 1965 D-Decca

The Who hatten im UK längst auf sich aufmerksam gemacht, als sie Ende ´65 My Generation veröffentlichten. Bei uns waren sie bis dahin noch eher unbekannt. Ab dieser Single ging es dann auch hier Schlag auf Schlag.
My Generation also, das Manifest einer neuen Zeit, eine knallharte Absage an das Establishment, das bedingungslose Statement einer Jugend, die zwar noch auf der Suche nach sich selbst war, aber mit dem untrüglichen Bewusstsein davon, was sie alles garantiert nicht mehr wollte.
Und tatsächlich reicht schon das Intro, um keinen Zweifel daran aufkommen zu lassen. Zeilen wie „People try to put us down“ und das tausendfach zitierte Statement „hope I die before I get old“ lassen dann an Eindeutigkeit nichts mehr übrig. Besonders perfide der stotternde Gesang Daltrey’s: Das Aufbegehren eines Jungen, der von der Gesellschaft geduckt und so zurechtgestaucht ist, dass er nur noch stottern kann; eines Jungen, der sich ab nun zur Wehr setzt, aufgeputscht durch die Musik und, mag sein, auch durch irgendwelche Pillen.
Wie radikal und neu My Generation war, lässt auch das Bass-Solo erkennen, wohl das erste in der Popgeschichte. Jene fulminate Saitendrescherei, bei der Entwhistle gar die Saiten rissen. Bass-Saiten!
My Generation. Das Gegenstück findet sich als Your Generation zwölf Jahre später auf der ersten Generation X-7“. Aber es ist nicht ansatzweise so authentisch, so radikal, so mutig, sondern einfach nur clever und durchkalkuliert zu Zeiten des Punk. Statt sich Sympathien zu erwerben, verspielte er sie. Soviel zu Billy Idol.
Shout And Shimmy ist im Grunde eine Kopie des Isley-Bros.-Klassiker (mit Credits an James Brown). Das originale Songgerüst war den Who genial und wert genug, gecovert zu werden, aber in die Stapfen der kleinen Lulu, die anderthalb Jahre zuvor damit ihr furioses Debüt feierte, mochten die ersten Mods im Lande wohl doch nicht treten. Also mutierte es zu Shout And Shimmy.

(·) My Generation wurde in Deutschland ganz gut verkauft, ist dennoch nicht so leicht in bester Erhaltung zu bekommen.


The Raconteurs: Steady, As She Goes / Store Bought Bones 2006 UK-XLS

Ein Raunen ging durch die musikinteressierte Öffentlichkeit: Jack White und Brendan Benson würden zusammenarbeiten. Eine Single kam auf den Markt, in 1000er Auflage. Sie war natürlich schneller weg, als die meisten zugreifen konnten, und wurde deshalb schon nach kurzer Zeit bis zum Zehnfachen des Einkaufspreises gehandelt.
Ein geschickter und gut durchdachter Schachzug seitens der Protagonisten. Die Öffentlichkeit war heiß gemacht, man wartete auf mehr und wurde dann auch nach einigen Wochen mit einer Neuauflage, dazu einer weiteren Single (mit der akustischen Version von Steady…) und der dazugehörigen LP bedient. Damit die teuer gehandelten Erstpressungen auch als solche erkenntlich blieben, hatte man ihnen von vornherein ein großes A aufgedruckt, obige mit dem B ist folglich die Zweitpressung.
Steady, As She Goes strotzt nur so von popmusikalischem Selbstbewusstsein. Wer kann sich schon ein so langes, im Grunde langweiliges Intro leisten? Alles x-mal gehört. Dann ein Song, der kaum mehr bietet als die kleine Melodie, die sich schon gleich zu Beginn an die Hörer heranmacht und im Refrain höchstens noch eine harmonische Ausweitung erfährt. Wahrlich nichts Aufregendes. Und doch: Mit welcher Coolness ist das hier gemacht, mit welchen Arrangementideen ist das alles garniert! Der Hörer geht demütig in die Knie. Dieser Track ist einfach toll und zeigt Jack White wieder einmal als den großen popmusikalischen Verführer, der mit einfachsten Mitteln ein Höchstmaß an Wirkung zu erzielen versteht und den Coolness-Faktor stets neu definiert.
Die A-Seite höre ich also deutlich von White inspiriert, bei Store Bought Bones scheint mir Benson mehr die Hand im Spiel gehabt zu haben. Es ist nicht mein Track. Da ist mir zuviel Frühsiebziger-Prog zu hören, allein der Schluss hätte so einigen Colosseum-Stücken entstammen können. Nein, so weit geht meine Liebe nicht.

(·) Als B-Pressung ist die Single derzeit noch auf dem Markt, das A-Original dürfte jetzt bei 20-30 Euro liegen.

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