Startseite › Foren › Die Tonträger: Aktuell und Antiquariat › Das Vinyl-Forum › 7″ Faves › Otis´ 7" Faves › Re: Otis´ 7" Faves
Faves #60
Wiederhören
Es gibt Singles, die einmal ziemlich wichtig waren, weil sie mit bestimmten Situationen, mit besonderen Erlebnissen verbunden waren, oder weil sie die Atmosphäre der Zeit in ganz eigener Weise einzufangen wussten. Singles, die im Rückblick alle mindestens ihre **** wert gewesen sein müssten. Singles aber auch, die ich lange nicht gehört habe, weshalb es spannend sein könnte, sie daraufhin zu überprüfen, ob sie der erinnerten Wertigkeit standhalten können.
Und notgedrungen muss es dabei wieder einmal ein bisschen privat werden.
The Beach Boys: Sloop John B. / You’re So Good To Me 1966 D-Capitol
Klassenfahrt. Erste Liebe. Erste Küsse. Ach, alles zum ersten Mal. Jeden Pfennig in die Musikbox gesteckt. San Francisco und diese Single gehört.
Natürlich musste diese Platte irgendwann in meinen Faves auftauchen. Die privaten Gründe sollten dabei eigentlich eher die unwichtigeren sein, denn beide Seiten sind großartige Bach Boys-Nummern. Und beide sind so etwas wie Fremdkörper auf den jeweiligen LPs. Die A-Seite auf Pet Sounds, die B-Seite auf Summer Days. Beide zusammen ergeben aber eine wunderbare Single und als solche höre ich sie hier wieder.
Besonders faszinierend fand ich damals You’re So Good To Me. Ich hatte das Gefühl, es selbst entdeckt zu haben. Im Radio hatte ich es noch nie gehört, die LP kannte ich nicht. Aber aus der Musikbox kam plötzlich ein Sound, der so völlig untypisch für die Band war und dennoch Beach Boys at their best. Ein harter durchgehender four-beat und Background-la-la-la-la wie aus dem UK. Und gab es je ein geileres Intro? Ich rede sowohl von der Gitarre, als auch von den Vocals. Und von dem Adjektiv in seiner ursprünglichen Bedeutung.
Ich liebte diesen Track, er hatte etwas Jungfräuliches für mich. Ich hatte ihn entdeckt, er schien sich ganz allein mir erschlossen zu haben. So wie die erste Liebe einen überwältigt.
Allerdings passte Sloop John B. mit seinen einfachen, aber großartigen Arrangement-Ideen und fantastischen Steigerungen viel besser zu meinen aufkeimenden Liebesgefühlen, weshalb ich die A-Seite denn doch öfter gespielt haben dürfte.
Eine tolle Platte. Immer noch.
(·) Leicht zu bekommen, dürfte auch nicht allzu teuer sein.
Kim Wilde: Kids In America / Tuning In Tuning On 1981 D-RAK
Es ist etwas anderes, ob man im Kaufhaus, im Aufzug, im Autoradio zufällig Kids Of America hört oder die Single daheim selbst auflegt. Dort ein Achselzucken, hier gespannte Vorfreude und Aufmerksamkeit. Wie wird sich das alles jetzt wohl anhören nach so vielen Jahren? Das Intro, die coolen Vocals, der Song?
Ja, es ist alles wieder da. Und immer noch grandios.
Erinnert man sich wirklich noch an die disharmonischen Soundkleckse zu Beginn? An die feinen rhythm-sounds? Im Kaufhaus hört man das alles nicht.
Klar, der Song ist der gleiche dort, aber der Sound beim Wiederhören so unerbittlich frisch und knallig fordernd wie damals. Alles so zwingend, dass man sich zu Beginn der 80er in keiner Weise entziehen konnte und man auch heute noch dem leicht naiven Charme erliegt. Selbst wenn manches, was vor einem Vierteljahrhundert völlig unverbraucht und neuartig klang, mittlerweile etwas Patina angesetzt hat, war es doch Blaupause für so einiges Spätere. Sogar die Background-Vocals, auf unzähligen „Paardies“ totgegröhlt, sind keineswegs doof. Was dort nämlich zu „ooo…ooo“ degeneriert ist, kommt hier fein filetiert als „o..o“ daher.
Pop as pop can be.
(·) Ein Riesenhit damals. Also leicht zu bekommen.
Julie Driscoll & Brian Auger And The Trinity: Save Me Part 1 / Part 2 1968 I-Marmalade
Klassenfahrt war einige Jahre zuvor. Jetzt, 1970, war man allein unterwegs mit ein paar Freunden. Irgendwo oben in Italien. Die erste Pizza, der erste Spumante. Dennoch etwas unwirtlich alles. Kalt da oben in den Bergen und auch ein kleines Bisschen Einsamkeit, das die Fremde so abstoßend wie anziehend zugleich macht.
Ein großer Saal, mag es ein Gemeinde- oder Vereinssaal gewesen sein, in jedem Fall unwirtlich. In einer Ecke eine einsame Musikbox. Und dort neben vielem Unhörbaren und Unbekannten eine einzige Single, für die ich mein Geld ausgab. Ihr huldigte ich mindestens einmal am Abend. Oftmals allein in dem kargen Raum. Sie gab Wärme. Save Me.
Der wunderbar weiche Bass verlieh dem Song von Beginn an eine wohlig belebende Basis, das feine Rhythmus-Arrangement ging sofort in die Beine und Julies Gesang schnitt sich mir direkt ins Herz, so sehr war ich Fan. So sehr fühlte ich mich durch sie gerettet.
Save me ist auf zwei Singles-Seiten aufgeteilt, obwohl das meines Erachtens von der Gesamtlänge her nicht nötig gewesen wäre. Damals habe ich mich ein wenig darüber geärgert, zumal die A-Seite etwas unvermittelt und unbefriedigend aufhört. Heute sehe ich das als Stärke der Single. So wirkt der Track unglaublich komprimiert, alles andere scheint überflüssig. Diese zweieinhalb Minuten der A-Seite gehören deshalb für mich zum Stärksten, was Driscoll und Auger gemacht haben. Spannend und kompromisslos, nichts Verspieltes. Nur der Schrei nach Save Me! Unerlöst und wundervoll.
(·) Obiges Sleeve gehört zu der italienischen Ausgabe. Die dt. Single habe ich auch, aber mit einer seltsamen Schrift-Hülle. Eine dt. Bildhülle habe ich in den letzen fünfunddreißig Jahren noch nicht gefunden.
--
FAVOURITES