Re: Otis´ 7" Faves

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otis
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Faves #58

EPs
Extended Plays (EPs) waren in den 50ern und 60ern neben LP und Single ein Zwischenformat. Mit je zwei Tracks auf jeder Seite ließen sich z.B. die zwölf Stücke einer LP leicht auf drei 7“-EPs verteilen, mit jeweils ein oder zwei Singlehits als Aufreißer. Das sollte sie für schmale Geldbeutel interessant machen. Allerdings kosteten die EPs auch in den 50s schon mehr als 8 DM, weswegen sie sich dann doch nicht richtig durchsetzten. Der gewöhnliche Käufer blieb bei seinen Singles. Und dort, wo das nötige Kleingeld vorhanden war, orderte man die LP. Natürlich waren nicht alle EPs Sonderausgaben von LP-Tracks, sondern manchmal recht exklusive Releases, deren Aufnahmen es sonst nirgendwo zu kaufen gab. Ein Beispiel findet sich unten.
Im UK und besonders in Frankreich kam ihr eine deutlich höhere Bedeutung zu als bei uns oder in den Staaten, wo dieses Format in den 60s kaum noch aufgelegt wurde. Im UK dagegen gab es bis immerhin Dezember ´67 spezielle EP-Charts. Die Beliebtheit des Formats dort mag auch auf den Umstand zurückzuführen sein, dass EPs im Gegensatz zu Singles mit schönen Bildcovers ausgestattet waren. In Frankreich waren diese Platten als „serie medium“ sogar die Normalität, während die andernorts so erfolgreiche klassische Single hier eher nur für Jukeboxes gedacht war.
Andernorts aber und ab Mitte der 60er auch im UK war die EP ein eher ungeliebter Zwitter, was sie für Sammler heute um so interessanter macht.
Ein Aspekt, der für diese nicht ganz unwichtig ist, mag noch erwähnt werden: Durch die Enge des Rillenabstandes und die im Vergleich zur Single geringere Schnitttiefe waren EPs recht anfällig für Kratzer etc. Das macht es für den Sammler von heute oftmals recht schwierig, wirklich toll erhaltene Exemplare zu finden. Da ohnehin recht selten, sind hervorragend erhaltene wichtige EPs nicht selten im dreistelligen Bereich angesiedelt.

Die heutige Auswahl soll nicht exemplarisch für die klassischen EPs von vor vierzig oder fünzig Jahren stehen, ist auch weniger aus musikalischen Gründen so vorgenommen, sondern eher dem Medium als solchem geschuldet: Also dem release (incl. Sleeve) als solchem, der Exklusivität der enthaltenen Tracks oder halt dem Umstand, dass die EP den Musikern die Gelegenheit bot, mehr Musik zu veröffentlichen, als auf einer Single möglich war, aber eben nicht eine ganze LP. Deshalb habe ich auch drei spätere Veröffentlichungen mit aufgenommen. Sie lassen erkennen, dass es bis heute gute Gründe gibt, EPs zu veröffentlichen.


The Shirelles: You Satisfy My Soul / Boys // Zip-A-Dee-Doo-Da / Everybody’s Going mad 1963 F-Vogue

The Shirelles waren eine schwarze Girlgroup, die schon Ende der 50er ihre ersten Hits (Dedicated To The One I Love…) hatte. Der große internationale Erfolg stellte sich dann mit Will You Love Me Tomorrow, Boys und Soldier Boy Anfang der 60er ein. Die obige, vom Sleeve her wunderschöne EP, enthält neben dem auch von den Beatles bekannten Boys drei seltenere Shirelles-Tracks, die dem Soundtrack des Films „It’s A Mad, Mad, Mad, Mad World“ entnommen sind. Musikalisch kommen sie wunderbar direkt und ein klein wenig ungeschliffen daher, was ihren speziellen Reiz ausmacht und dieser EP auch insofern ihre Daseinsberechtigung gewährt. Besonders das häufig gecoverte Zip-A-Dee-Doo-Da hat eine coole Lässigkeit und Laszivität, die man bei anderen Aufnahmen vergeblich sucht.

(·) Es gibt auch ein Vol.1 (siehe oben „Vol.2“) in ähnlicher Ausstattung, dort sind allerdings meines Wissens die Hits enthalten. Ich habe diese ein einziges Mal angeboten gesehen, da wurde sie mir aber zu teuer, als sie mit über 50 Euro bei Ebay wegging. Diese ist mir noch kein zweites Mal begegnet.


Elvis Costello: New Amsterdam / Dr. Luther’s Assistant // Ghost Train / Just A Memory 1980 NL-WEA

Costello hielt schon immer die Single in Ehren und zeigte sich als Freund der non-LP-sides. Im Juni 1980 brachte er als dritte 7“ von Get Happy New Amsterdam heraus und koppelte es gleich mit drei neuen Tracks, die diese EP zu einem Muss machen, auch wenn die einzelnen Tracks mittlerweile andernorts auf Compilations wiederveröffentlicht sein dürften.
Die A-Seite enthält mit Dr. Luther’s Assistant einen Song, der heute getrost als Costello-Klassiker gelten kann und New Amsterdam in keiner Weise nachsteht. Im Gegenteil.
Die Tracks der b-side halten songmäßig vielleicht nicht ganz das Niveau der beiden obigen, sind aber aus musikalischen Gründen mehr als Hinhörer. Schöne Harmonien und feinste Arrangements zeigen Costello auf der Höhe seiner Schaffenskraft. Just A Memory scheint trotz der ausgefeilten Produktion wie eine kleine, beinahe hingetupfte musikalische Tagebuchnotiz. Sehr, sehr schön.

(·) Wie die meisten Costello-7”s noch leicht für wenige Euro zu bekommen.


Nick Lowe & Dave Edmunds: take A Message To Mary / Crying In The Rain // Poor jenny / When Will I Be Loved 1980 US-Columbia

Im gleichen Jahr zollten Dave Edmunds und Nick Lowe ihren Idolen, den Everly Brothers, ihre Reverenz, indem sie ihrer Rockpile-LP Seconds Of Pleasure diese EP mit lieb gewordenen Songs der Brüder beilegten.
Wohlmeinende Freunde und Edmunds/Lowe-Fans hatten mich schon damals bei Erscheinen darauf aufmerksam gemacht. Ich habe mir die LP aber dennoch nicht gekauft, da ich in den ausgehenden Punkzeiten der Musik der Edmunds/Lowe-Clique etwas skeptisch gegenüberstand. Dummes Zeug, wie ich heute besser weiß. Deshalb habe ich diese EP erst kürzlich gekauft, nachdem sie mir noch einmal wärmstens empfohlen worden war.
Große Freude darüber. Lowe und Edmunds machen es nämlich wirklich gut, und das, weil sie gar keine großen Ambitionen haben, es wirklich gut zu machen. Da ist nichts von den wunderbaren vocals der Brüder, nichts von den feinen Arrangements, die deren Aufnahmen auszeichneten, sondern das ist (bis auf Take A Message) demohaft reduziert bei einem Radiokonzert live aufgenommen. Nur zwei akustische Gitarren und zwei Herren, die sich gesanglich mit den wunderbaren Songs abgeben. Da ist nichts geschönt, nur aus einer tiefen Liebe heraus gespielt und gesungen, so dass es eine wahre Freude ist zuzuhören. Klasse.
Take A Message To Mary ist als einziger Track eine Studioproduktion. Auch dieser sehr sparsam und reduziert instrumentiert, aber ausgesprochen wirkungsvoll. Gesanglich kommen Lowe und Edmunds hier zwar näher an die Originale heran, dennoch bleibt ein Abstand, der die Aufnahme um so hörenswerter macht.

(·) Die Platte dürfte für 10-15 Euro zu bekommen sein.

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