Startseite › Foren › Die Tonträger: Aktuell und Antiquariat › Das Vinyl-Forum › 7″ Faves › Otis´ 7" Faves › Re: Otis´ 7" Faves
Scott Walker: Jackie / The Plague 1967 D-Philips
Einige Wochen nach John’s Annabella meldete sich auch Scott (= Scott Engel) wieder zurück und kam mit Jackie auf den Markt. Jackie ist ein Jacques Brel-Song, der erste einer ganzen Reihe, die Scott aufnahm, und als Song recht typisch für den belgischen Chansonnier. Wortreich, atemlos und gleichzeitig etwas verspielt kommt er daher, doch scheint er derart passgenau Scott’s Situation widerzuspiegeln, dass der kaum anders konnte, als dieses ambivalente Lied von Starruhm und Leere musikalisch für sich umzusetzen. Es ist grandios gelungen.
Und nicht weniger die Rückseite. The Plague, eine Eigenkomposition von Scott, ist musikalisch noch um einiges anspruchsvoller und deutlich innovativer. Es ließe sich von hier eine direkte Linie bis hin zu seinen Spätwerken ziehen.
Da stehen sich in dem Track eine eingängige, vermeintlich nichtssagende La-lalala-laa-Melodie und auf der anderen Seite heulende Gitarren und Streicher gegenüber. Letztere beleuchten Scott’s Sprechgesang und tauchen das Ganze in eine Endzeitstimmung. Erstere konterkariert das Düstere immer wieder. Der beeindruckende Schluss ist ein allgemeines Verstummen, wo auch das La-lalala-laa nur noch echofrei, nackt und etwas hilflos dasteht. Wer Tilt verstehen will, sollte hier anfangen.
Zusammen mit der Flipside ist diese Single sicher Scott’s allerbeste. Ganz großartig.
(·) Jackie wurde andernorts auch mit Amsterdam gekoppelt, weshalb die Version mit The Plague (D oder UK) unbedingt die erste Wahl sein sollte, zumal dieser Song non-LP ist. Die dt. Pressung dürfte bei 15- 20 Euro liegen.
John Stewart & Scott Engel: I Only Came To Dance With You / Greens 1966 D-Capitol
John Stewart war ein früher musikalischer Mitstreiter Scott Walker’s, nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Kingston-Trio-Mitglied und späteren Singer/Songwriter, der für Songs wie Daydream Believer steht oder für Alben wie California Bloodlines. Und John Stewart war auch definitiv kein Mitglied der Walker Brothers, was uns das obige Sleeve glauben machen möchte. Unter dem Namen Dalton Brothers hatte die beiden ´63 diese Single aufgenommen. Sie floppte in den Staaten.
Erst mit dem Erfolg der Walker Brothers erinnerte sich Capitol der Dalton-Aufnahmen und brachte sie 1966 noch einmal auf Single heraus, versuchte gar, eine ganze LP mit nur drei Vocal-Tracks, einigen z.T. dubiosen Instrumentals und dem gleichen, die Käufer irreführenden, Cover wie oben unter das Volk zu bringen.
Nun kann man sicher über solche Releases die Nase rümpfen, aber I Only Came To Dance With You hat durchaus seinen musikalischen Wert. Im Gegensatz zu den meisten frühen Aufnahmen Scott’s hört man hier den wunderbar samtigen Bariton, der sein eigentliches Markenzeichen wurde. Auch geht das Arrangement schon deutlich in Richtung Walker Brothers mit schönem Harmoniegesang, Streichern und leichtem Wall of Sound.
Greens dagegen ist eine der typischen Walker/Stewart’schen Studioarbeiten jener Zeit, ein Instrumental auf dem zwölftaktigen Bluesschema basierend und mit feinen Soundgimmicks angereichert. Hier ist es die Gitarre, die mit einiger Härte daherkommt und auch das Sax hat einen guten Auftritt.
(·) Aufgrund des großen Erfolgs der Walkers zu jener Zeit wurde diese Single ein paar Mal verkauft und taucht dann und wann mal auf. Ich habe sie bislang aber noch nie wieder mit Hülle gesehen, diese zumindest ist sehr, sehr selten. Preis: ??
The Strangers: Tell Me / Easy Livin’ 1964? US-Linda
Scott Walker (Engel) war schon Mitte der 50er als Zwölfjähriger derjenige in der Familie, der das Geld verdiente. Mit vierzehn nahm er 1957 als „Scotty“ Engel seine erste Platte auf und in der Folge noch einige weitere Singles. Allesamt waren es keine Hits, aber auch wieder nicht so erfolglos, dass man sie heute nicht finden könnte.
Von seiner Stimme, wie man sie aus späteren Jahren kennt, war zu dieser kalifornischen Zeit natürlich noch nichts zu hören, wohl aber waren die feine Intonation und das dezent eingesetzte Tremolo unüberhörbar. Viele dieser frühen Aufnahmen sind auf der Compilation „Looking Back With Scott Walker“ zusammengefasst.
In den Jahren ´62 und ´63 verdingte Scott sich in LA dann auch als Studiomusiker und spielte zusammen mit John Stewart ein paar Singles unter verschiedenen Bandnamen (Routers, Moongooners, Chosen Few, Newporters, Dalton Brothers) ein, die allesamt erfolglos blieben.
Erst in den letzten Jahren wurde bekannt, dass Scott auch bei obiger Single involviert war. Noch Watkinson/Anderson’s gute Scott-Biografie von 1995 kennt die obige Platte nicht. Die Autoren hätten ihre helle Freude daran gehabt.
Kurzzeitig gab es also auch einmal ein Band-Projekt, das sich The Strangers nannte und aus John Stewart (s.o.), William Turvey (dem Gitarristen der späteren Psych-Band Euphoria) und Scott selbst bestand und das für das kalifornische kleine Label Linda diese Single aufnahm. Sie ist ein Juwel. Nicht wegen ihrer Seltenheit oder der beteiligten Musiker, sondern wegen ihrer Klasse.
Tell Me gilt nicht zu Unrecht als eine der frühen Großtaten der Stones. Und was die Strangers daraus machen, ist schon verdammt hörenswert. Das beginnt mit leicht verhallten, dennoch glasklaren Gitarrenakkorden und dumpfen Bass-Schlägen. Dann setzt Scott’s Gesang ein, auf den Spuren Jaggers wandelnd, aber ohne dessen Schärfe. Ein schöner Background-Chor folgt. Das Ganze steigert sich gegen Ende und wirkt durch die archaisch anmutende Produktion und den leichten Hall, der auf allem liegt, wie garage-punk von Phil Spector. Ganz großartig.
Easy Livin’ ist auf der oben erwähnten LP I Only Came To Dance With You enthalten, wird dort aber Ham Hocks genannt und einem Mark Taylor credited. Auf dieser Single klingt es ungleich besser, schlichtweg toll und ist Scott zugeschrieben. Man fragt sich, wozu sie damals mit so viel Liebe zum Detail diese Instrumentals aufgenommen haben. Hitpotenzial hatte das alles nicht, dafür war es für den gewöhnlichen Hörer einerseits zu beiläufig, andererseits aber auch wieder zu kompliziert und zu hart. Es können nur Fingerübungen gewesen sein, womit sich die drei als Produzenten und Musiker einen Namen zu machten versuchten.
Wie gesagt, ein Juwel.
Weiß eigentlich jemand, was aus John Stewart geworden ist?
(·) Die Existenz dieser Platte (besser: ihr Bezug zu Scott), war bislang kaum bekannt, deshalb tausend Dank an WD für den Hinweis darauf.
Dabei hat mein Erwerb schon irgendwo etwas Verrücktes. Die Single tauchte jahrelang nicht auf und dann vor einigen Monaten gleich dreimal in einer einzigen Woche bei ebay. Von England aus wurde eine Mintcopy versteigert, die gut 120 Pfund erbrachte. In den Staaten ging zwei Stunden später eine Auktion zu Ende, in der die Platte für 10 $ wegging. Ich selbst hatte zwei Tage zuvor ein Exemplar bei ebay.de für 5 € im Sofortkauf erstanden. Meine Flipside ist mint. Bei der A-Seite bin ich mir noch nicht sicher, ob die leichten Soundbeeinträchtigungen nicht dem eigentümlichen, so gewollten Sound geschuldet sind. Wohl dem also, der eine besitzt.
Today’s Tops:
1 Jackie
2 Annabella
3 Tell Me
4 Kentucky Woman
5 I Only Came To Danve With You
6 Hello, How Are You
PS: Kommentare von Gastlesern gern auch an otis-online@gmx.de
--
FAVOURITES