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Faves #56
Gary, John and Scott
Brüder, die keine waren, aber sie nannten sich während ihrer dreijährigen 60s-Zusammenarbeit The Walker Brothers. Vorher und nachher gab es von den einzelnen Bandmitgliedern einiges, was etwas unterging.
Gary Walker: Hello, How Are You / Fran 1975 D-UA
Gary Walker (= Gary Leeds) ist der unscheinbarste der drei geblieben. Er war der Drummer der Band, hatte stimmlich nicht das Potenzial seiner beiden Mitstreiter, aber er genoss die Hochzeit der drei in vollsten Zügen und brachte dann einige schöne Solo-Singles (auch unter dem Namen Gary Walker & Rain) heraus. Jene vier aus den 60ern sind recht selten und z.T. irgendwo im Psych beheimatet, aber durchaus hörenswert.
Mitte der 70er, als sich die „Brüder“ für eine kurze Zeit noch einmal als Band zusammengefunden hatten, nahm Gary diese Single auf, die wesentlich marktgerechter als ihre Schwestern ein paar Jahre zuvor daherkommt. Dennoch war die Zeit für solcherart Songs 1975 wohl vorbei, weshalb die Platte ziemlich unterging.
Hello How Are You ist der alte Easybeats-Hit, den Gary hier gesanglich zwar etwas konturenlos, dafür atmosphärisch durchaus stimmig und überzeugend abliefert. Produziert wurde das Ganze von Allan Clarke, dem Sänger der Hollies, ganz im Stil der Früh-Siebziger-Hollies-Produktionen mit ausgesucht dramatischen Streichersätzen. Sehr schön.
Fran kommt weitaus entspannter und lockerer daher. Gefällt mir gut.
(·) Sicher nicht allzu häufig, aber auch nicht sonderlich gesucht.
John Walker: Kentucky Woman / I Cried All The Way Home 1968 NL-Philips
John Walker (= John Maus) steht als Solo-Künstler sicher ebenfalls im Schatten des „großen Bruders“, kann sich aber hier allemal bestens zu behaupten, weshalb er sicher mehr Anerkennung und Aufmerksamkeit verdient hätte. Seine beiden Solo-LPs von ´67 und ´69 sind sehr fein arrangiert und enthalten hervorragendes Songmaterial.
Von seinen Solo-Singles habe ich vor Monaten schon die I’ll Be Your Baby Tonight hier vorgestellt. Heute zwei weitere.
Kentucky Woman ist der bekannte Neil Diamond-Song, der 1967 im ersten Anlauf noch nicht ganz zu Hitehren gekommen war, erst die Neuauflage 1970 machte ihn richtig bekannt. John’s Gespür für gute Songs ließ ihn ´68 eine eigene Version davon aufnehmen, die sich von der Diamond’s etwas absetzte. Zum einen wirkt sie straighter, beinahe rockiger als das Original, zum anderen ist das Arrangement hier dichter und voller, was dem Ganzen ausgesprochen gut bekommt. Im Hintergrund meint man nach dem zupackend schönen Intro gar eine Orgel wie die von Garth Hudson auf den Basement-Tapes zu hören. John’s Stimme hat, wie auf allen seinen Solo-Platten, den etwas heiseren Schmelz, der mir bei den Walkers nie so aufgefallen war. Ich mag ihn sehr.
Die Flip ist eine Eigenkomposition von John und weiß durchaus zu überzeugen. Das flotte Arrangement konterkariert im positiven Sinn den Liebesschmerz des Sängers. Sehr schön.
Seine drittbeste Single der mir bekannten. Es gibt nämlich noch die extrem seltene Good Days, auf der die Stones als Backing-Band zu hören sind, aber die bekomme ich erst in ein paar Tagen :-).
(·) Ich weiß nicht, ob es diese Platte als dt. Pressung gibt, ich denke eher nicht. In jedem Fall nicht häufig und auch als obige holländische Pressung kaum unter 12 Euro zu bekommen.
John Walker: Annabella / You Don’t Understand Me 1967 D-Starclub / NL-Philips
Annabella ist John’s erste Solo-Single und mit der Dylan-Single sicherlich seine beste.
Im Frühjahr ´67 hatten die Walker Brothers auf ihrer letzten gemeinsamen England-Tour etwas überraschend und schmerzhaft erleben müssen, wie schnell sich für sie der Wind gedreht hatte. Die Headliner, Garanten für Massenhysterie und Starrummel, wurden plötzlich von The Jimi Hendrix Experience und anderen Neutönern von den Bühnen, den Titelseiten der Mags und auch aus den Herzen der etwas älter gewordenen Teens verdrängt. Die Walkers zogen sofort die Konsequenz und sich als Gruppe ganz schnell aus dem Geschäft zurück.
Philips bot John und Scott einen Solovertrag, den John sehr bald mit der Veröffentlichung dieser Single zu erfüllen begann. Sie erreichte jedoch nicht einmal die Top Twenty und blieb damit deutlich unter den Erwartungen.
Der Song, an dem auch Graham Nash (damals noch bei den Hollies) seinen Anteil hatte, ist eine Hommage an eine Annabella mit Elementen einer Eleanor Rigby und harmonischen Wendungen von moll nach Dur und umgekehrt, die durchaus ihren Reiz haben.
You Don’t Understand Me, von John selbst geschrieben, überzeugt noch mehr. In mancher Hinsicht blue-eyed-soul par excellence mit Bläsern und Background-Girls, daneben aber auch rockige Gitarrenelemente. Musikalisch wirkt das alles unglaublich geschlossen und stimmig und gehört sicher mit zum Besten, was John veröffentlicht hat.
(·) Annabella ist von den bekannten Solo-Singles die gesuchteste, diese dt. Starclub-Pressung ganz besonders, da es neben den Walker-Fans sehr viele Label-Sammler gibt. Aber auch die obige holländische besitzt eine schöne Hülle und ist ebenfalls nicht ganz billig. Preis: Starclub ab € 20, die NL ca. 15 €.
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