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The Surfaris: Wipe Out / Surfer Joe 1963 US-Dot
Ein schrill knisterndes Knacken und ein an Wahnsinn gemahnendes Lachen leiten Wipe Out ein. Dieses seltsame Intro mag sicher einer der Gründe für den enormen Erfolg dieser Single gewesen sein, denn soo überragend ist Wipe Out eigentlich gar nicht. Die ausgesprochen einfache Struktur der Gitarrenfigur wird lediglich durch Schlagzeug-Soli aufgelockert. Diese haben dann allerdings ausgesprochenen drive und kommen ziemlich zwingend daher. Auch der letzte Gitarrenpart vermag zu überzeugen, wobei er vom Spieltechnischen her jedem Gitarristen von heute nicht einmal mehr ein müdes Lächeln entlocken wird.
Trotz allem steht Wipe Out mit seiner stupenden Simplizität für eine Popkultur, die fernab von Brill Building und High School zu sich selbst gefunden hatte und kompromisslos Sounds in die Welt setzte, die vielerorts belächelt werden mochten, die aber letztendlich für das, was Popkultur im Wesen ausmachen mag, standen: Kompromisslose Reduzierung auf das Eigentliche, damit seine Überhöhung ins Absolute. Link Wray hatte es vorgemacht.
(·) Wipe Out wurde schon in den 60s häufig wiederveröffentlicht. Auch obige Dot-7“ scheint nicht das Original zu sein, es hat eine andere Nummer. In D, wie im UK erschien die Platte auf London. Erste Pressungen sind relativ selten.
Johnny & The Hurricanes: Red River Rock / Buckeye 1959 D-London
Eine kleine Band von echten Könnern (eigentlich nur eine rockende Tanzkapelle, wie es so viele gab) ohne Sänger (weil sich die unerfahrenen zu jener Zeit noch nicht recht trauten, was sich erst mit der Beatmusik änderte) und ein Riesenhit, der sie schlagartig weltweit bekannt machte. So in etwa die Geschichte des Sax-players Johnny (Paris) und seinen Hurricanes.
Nach ihrer großartigen Debüt-Single Crossfire, die dieser hier aus manchen Gründen, aber nicht grundsätzlich, vorzuziehen wäre, gelang ihnen mit Red River Rock ein derartiger Welthit, dass sie auf dieser Schiene erst einmal weitermachten. Sprich, man bediente sich melodiemäßig an Standards und verlieh diesen einen leicht schmutzig rockenden Sound, der ihr Markenzeichen war. Die Orgel gab die Melodie, das Sax legte dirtyness darüber und das alles auf dem straight rockenden Rhythmusteppich von Bass und Schlagzeug.
So erntet Red River Rock mit seinem behäbig altmodischen Auftakt und der folgenden Melodie sicherlich zunächst einmal ein Stirnrunzeln, wenn es auf heutige Ohren trifft, dann aber, wenn das Saxophon einsetzt und erst recht beim Solo der E-Gitarre, mag man nachvollziehen können, dass die Nummer damals verdammt heiß war. Auch in den 60s noch, als ich sie kennen lernte. Und solche Kleinigkeiten wie die Tonwiederholungen auf der Orgel am Ende jeder Strophe waren absolute Hinhörer. Für mich stellte Red River Rock damit das musikgewordene Bindeglied zwischen 50’s-Mief und Rock’n’Roll dar, eine Form von Kompromiss, die idealer kaum hätte sein können. Klasse.
Buckeye fehlt das allzu Offenkundige und Eingängige, es hat einen ungeheuren Drive und macht die Single definitiv zu einem Muss.
(·) Ein Riesenhit. Garantiert für 50 Ct. auf jedem Flohmarkt zu finden. In Mint besitze ich sie selber nicht. In D gab es kein Bildcover.
The Rock-A-Teens: Woo Hoo / Twangy 1962 D-Roulette
„Woo Hoo“ sagt alles. So einfach kann Pop-Musik sein. Mehr noch: Mochte das Intro zu Wipe Out seinen sehr speziellen Reiz haben, dieses hier bringt innerhalb von 10 Sekunden den ganzen Song auf den Punkt. Mit dem unglaublichen lasziven Woo Hoo, Hoo Hoohoo und dem Einsatz der trockenen Rockabilly-Gitarre hat sich der Song komplett definiert und der Hörer staunt nur noch ob der locker dröhnenden Großartigkeit, die in den nächsten zwei Minuten folgt. Sich überschlagende Rhythmen, ein seltsam sprachloses Sax, übersteuerte Gitarrenparts und das verrückte Schlagzeug-Solo stehen für eine Überdrehtheit, die nur durch das freche „Woo Hoo Hoohoo“ zusammengehalten wird.
Kein Wunder, dass dieser „Song“ ein Klassiker der Volksfeste war. Autoscooter und Raupen (Karussells mit Verdeck) mit ihren dröhnenden Boxen waren in den 60s ohne dieses übersteuert kratzende Etwas undenkbar. „Alles hört auf Woo Hoo und ab geht die Fahrt.“ Eintauchen in eine andere Welt. Für zwei Minuten.
Diese Kirmes-Singles hatten für mich als jungen Hörer (ich habe ja schon einige hier vorgestellt, Wipe Out und Red River Rock gehören sicherlich auch dazu) damals immer etwas leicht Anrüchiges. Ich habe sie geliebt, aber sie waren so gnadenlos frech und auf ihre Art „geschmacklos“, so simpel und offensichtlich, dass ich zunächst nicht wusste, ob ich sie musikalisch ganz ernst nehmen konnte. Als ich dann begann, Singles zu sammeln, gehörten sie zu den ersten, die ich gesucht und gekauft habe.
btw: Von der punkigen Finesse des Originals ist eigentlich nichts übrig geblieben in der Coverversion der japanischen Mädchengruppe 5.6.7.8’s aus dem Jahr 2004. Tarantino sei dennoch Dank dafür, dass er den „Song“ wieder ins Rampenlicht geholt hat.
Twangy ist ebenfalls ein ganz exzellentes Instrumental, ausgefeilter und „musikalischer“ als die A-Seite vielleicht, aber dennoch mit genauso viel Punk-Appeal. Es war in den Staaten die A-Seite ihrer zweiten und gleichzeitig auch letzten Single.
(·) Bezeichnenderweise scheint diese Single in D gar nicht so selten zu sein, was sicher mehr ihrem Bekanntheitsgrad auf Volksfesten zuzuschreiben ist als irgendwelchem Airplay. Man bekommt gut erhaltene Stücke (allerdings meist ohne die schöne Hülle) allemal für 5-8 Euro. Bestens angelegtes Geld.
Today’s Tops:
1 Rumble
2 Woo Hoo
3 Red River Rock
4 Wipe Out
5 Because They’re Young
6 Last Night
PS: Kommentare von Gastlesern gern auch an otis-online@gmx.de
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